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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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übt jeder sonstige Gegenstand eine Sonderwirkung auf den Besitzer
aus; dem Gelde fehlt diese insoweit, als es eben die Brücke zu
einem ganz unbegrenzten Kreis subjektiver Reaktionen bildet. Darum
empfinden wir als ganz unbegründet und verschroben eine Vorstellung
ihres Verbundenseins, wie sie das kirchliche Zinsverbot erzeugte: ein
Kaufmann, sogar noch im 16. Jahrhundert, sah es zwar für eine Sünde
an, mit eigenem Gelde zu wuchern, aber nicht, es mit fremdem, ge-
borgtem zu thun. Dieser Unterschied scheint allerdings nur dann
möglich zu sein, wenn es überhaupt eine innere ethische Beziehung
zwischen dem Geld und der Persönlichkeit giebt. Aber die Unmög-
lichkeit, ihn nachzuempfinden, beweist den Mangel dieser Beziehung.
Und wo eine solche dennoch stattfindet, da knüpft sie sich eben nicht
an das Geld überhaupt, sondern nur an Unterschiede seiner Quantität.
Gewiss wird die Wirkung auch anderer Besitztümer auf den Besitzer
und seine Wirkung auf jene eine verschiedene sein je nach ihrem in
Frage kommenden Quantum; z. B. beim Grund und Boden der Unter-
schied zwischen bäuerlichem und Gross-Grundbesitz. Es bleibt aber
selbst hier eine gewisse Gleichheit der Interessen und erforderten Be-
anlagung, durch welche sich die Qualität des Besitzes als das Band
zwischen dem Haben und dem Sein des Besitzers erweist. Wo aber
zwischen dem Menschen und dem Geld besitz eine bestimmende Ver-
bindung besteht, da ist es eben die reine Quantität des Geldes, die
als charakteristische Ursache oder Folge auftritt; während bei anderen
Besitzen grade die blosse Qualität schon mit gewissen personalen Ur-
sachen oder Folgen verbunden zu sein pflegt. So giebt etwa erst der
Besitz eines ganz enormen Geldvermögens dem Leben von sich aus eine
bestimmende Richtung, der sich der Reiche allerdings schwer entziehen
kann. Es sind nur ganz spärliche und diffizile Erscheinungen, die sonst
die Persönlichkeit in einem unmittelbaren Verhältnis zum Gelde zeigen.
Man pflegt z. B. zu sagen, in jedem Menschen stecke ein Geiziger und
ein Verschwender; das bedeutet, dass von der rein durchschnittlichen Art,
mit der ein Kulturkreis sein Einkommen verwendet, jedes Individuum
sowohl nach oben wie nach unten abweicht; fast unvermeidlich aller-
dings muss es dem Einzelnen von seinem subjektiven Empfinden der
Werte aus scheinen, als ob jeder Andere für bestimmte Dinge zu viel
oder zu wenig ausgäbe. Der auf der Hand liegende Grund: die Ver-
schiedenheit in der Schätzung der konkreten, mit Geld zu bezahlenden
Dinge, ist nicht der einzige; neben ihm steht vielmehr die individuelle
Art, wie sich der Einzelne zum Gelde als solchem stellt: ob jemand
leicht ein erheblicheres Geld auf einmal aufwendet oder ob er vieler-
lei kleinere Ausgaben zu machen vorzieht; ob der Gewinn einer

übt jeder sonstige Gegenstand eine Sonderwirkung auf den Besitzer
aus; dem Gelde fehlt diese insoweit, als es eben die Brücke zu
einem ganz unbegrenzten Kreis subjektiver Reaktionen bildet. Darum
empfinden wir als ganz unbegründet und verschroben eine Vorstellung
ihres Verbundenseins, wie sie das kirchliche Zinsverbot erzeugte: ein
Kaufmann, sogar noch im 16. Jahrhundert, sah es zwar für eine Sünde
an, mit eigenem Gelde zu wuchern, aber nicht, es mit fremdem, ge-
borgtem zu thun. Dieser Unterschied scheint allerdings nur dann
möglich zu sein, wenn es überhaupt eine innere ethische Beziehung
zwischen dem Geld und der Persönlichkeit giebt. Aber die Unmög-
lichkeit, ihn nachzuempfinden, beweist den Mangel dieser Beziehung.
Und wo eine solche dennoch stattfindet, da knüpft sie sich eben nicht
an das Geld überhaupt, sondern nur an Unterschiede seiner Quantität.
Gewiſs wird die Wirkung auch anderer Besitztümer auf den Besitzer
und seine Wirkung auf jene eine verschiedene sein je nach ihrem in
Frage kommenden Quantum; z. B. beim Grund und Boden der Unter-
schied zwischen bäuerlichem und Groſs-Grundbesitz. Es bleibt aber
selbst hier eine gewisse Gleichheit der Interessen und erforderten Be-
anlagung, durch welche sich die Qualität des Besitzes als das Band
zwischen dem Haben und dem Sein des Besitzers erweist. Wo aber
zwischen dem Menschen und dem Geld besitz eine bestimmende Ver-
bindung besteht, da ist es eben die reine Quantität des Geldes, die
als charakteristische Ursache oder Folge auftritt; während bei anderen
Besitzen grade die bloſse Qualität schon mit gewissen personalen Ur-
sachen oder Folgen verbunden zu sein pflegt. So giebt etwa erst der
Besitz eines ganz enormen Geldvermögens dem Leben von sich aus eine
bestimmende Richtung, der sich der Reiche allerdings schwer entziehen
kann. Es sind nur ganz spärliche und diffizile Erscheinungen, die sonst
die Persönlichkeit in einem unmittelbaren Verhältnis zum Gelde zeigen.
Man pflegt z. B. zu sagen, in jedem Menschen stecke ein Geiziger und
ein Verschwender; das bedeutet, daſs von der rein durchschnittlichen Art,
mit der ein Kulturkreis sein Einkommen verwendet, jedes Individuum
sowohl nach oben wie nach unten abweicht; fast unvermeidlich aller-
dings muſs es dem Einzelnen von seinem subjektiven Empfinden der
Werte aus scheinen, als ob jeder Andere für bestimmte Dinge zu viel
oder zu wenig ausgäbe. Der auf der Hand liegende Grund: die Ver-
schiedenheit in der Schätzung der konkreten, mit Geld zu bezahlenden
Dinge, ist nicht der einzige; neben ihm steht vielmehr die individuelle
Art, wie sich der Einzelne zum Gelde als solchem stellt: ob jemand
leicht ein erheblicheres Geld auf einmal aufwendet oder ob er vieler-
lei kleinere Ausgaben zu machen vorzieht; ob der Gewinn einer

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[311/0335] übt jeder sonstige Gegenstand eine Sonderwirkung auf den Besitzer aus; dem Gelde fehlt diese insoweit, als es eben die Brücke zu einem ganz unbegrenzten Kreis subjektiver Reaktionen bildet. Darum empfinden wir als ganz unbegründet und verschroben eine Vorstellung ihres Verbundenseins, wie sie das kirchliche Zinsverbot erzeugte: ein Kaufmann, sogar noch im 16. Jahrhundert, sah es zwar für eine Sünde an, mit eigenem Gelde zu wuchern, aber nicht, es mit fremdem, ge- borgtem zu thun. Dieser Unterschied scheint allerdings nur dann möglich zu sein, wenn es überhaupt eine innere ethische Beziehung zwischen dem Geld und der Persönlichkeit giebt. Aber die Unmög- lichkeit, ihn nachzuempfinden, beweist den Mangel dieser Beziehung. Und wo eine solche dennoch stattfindet, da knüpft sie sich eben nicht an das Geld überhaupt, sondern nur an Unterschiede seiner Quantität. Gewiſs wird die Wirkung auch anderer Besitztümer auf den Besitzer und seine Wirkung auf jene eine verschiedene sein je nach ihrem in Frage kommenden Quantum; z. B. beim Grund und Boden der Unter- schied zwischen bäuerlichem und Groſs-Grundbesitz. Es bleibt aber selbst hier eine gewisse Gleichheit der Interessen und erforderten Be- anlagung, durch welche sich die Qualität des Besitzes als das Band zwischen dem Haben und dem Sein des Besitzers erweist. Wo aber zwischen dem Menschen und dem Geld besitz eine bestimmende Ver- bindung besteht, da ist es eben die reine Quantität des Geldes, die als charakteristische Ursache oder Folge auftritt; während bei anderen Besitzen grade die bloſse Qualität schon mit gewissen personalen Ur- sachen oder Folgen verbunden zu sein pflegt. So giebt etwa erst der Besitz eines ganz enormen Geldvermögens dem Leben von sich aus eine bestimmende Richtung, der sich der Reiche allerdings schwer entziehen kann. Es sind nur ganz spärliche und diffizile Erscheinungen, die sonst die Persönlichkeit in einem unmittelbaren Verhältnis zum Gelde zeigen. Man pflegt z. B. zu sagen, in jedem Menschen stecke ein Geiziger und ein Verschwender; das bedeutet, daſs von der rein durchschnittlichen Art, mit der ein Kulturkreis sein Einkommen verwendet, jedes Individuum sowohl nach oben wie nach unten abweicht; fast unvermeidlich aller- dings muſs es dem Einzelnen von seinem subjektiven Empfinden der Werte aus scheinen, als ob jeder Andere für bestimmte Dinge zu viel oder zu wenig ausgäbe. Der auf der Hand liegende Grund: die Ver- schiedenheit in der Schätzung der konkreten, mit Geld zu bezahlenden Dinge, ist nicht der einzige; neben ihm steht vielmehr die individuelle Art, wie sich der Einzelne zum Gelde als solchem stellt: ob jemand leicht ein erheblicheres Geld auf einmal aufwendet oder ob er vieler- lei kleinere Ausgaben zu machen vorzieht; ob der Gewinn einer

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/335>, abgerufen am 22.11.2024.