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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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wenn also auch beide zusammen erst ein Gewebe ergeben und deshalb
die ausschliessliche Betonung des einen logisch nicht zu rechtfertigen
ist, so ist sie doch psychologisch eine der grossen Differenzierungen
der Perioden, der Individuen, der Seelenprovinzen. Was Nietzsche
von allen sozialistischen Wertungen scheidet, kann sich nicht schärfer
als darin zeichnen, dass ihm ausschliesslich die Qualität der Mensch-
heit eine Bedeutung besitzt, so dass nur das eine jeweilige höchste
Exemplar über den Wert der Epoche entscheidet, während für den
Sozialismus grade nur das Verbreitungsmass erwünschter Zustände
und Werte in Frage kommt.

Die oben angeführten Beispiele der modernen Quantitätstendenz
zeigen ersichtlich zwei Typen: erstens, die objektiven Substanzen und
Ereignisse, die den qualitativ unterschiedenen subjektiven Vorstellungen
zum Grunde liegen, sind ihrerseits nur quantitativ unterschieden;
zweitens, auch im Objektiven erzeugt die blosse Häufung der Elemente
oder Kräfte Erscheinungen, deren Charakter sich von den quantitativ
anders bedingten spezifisch und nach Wertgesichtspunkten unterscheidet.
Nach beiden Richtungen hin erscheint das Geld als Beispiel, Ausdruck
oder Symbol der modernen Betonung des Quantitätsmomentes. Die
Thatsache, dass immer mehr Dinge für Geld zu haben sind, sowie die
damit solidarische, dass es zum zentralen und absoluten Wert aus-
wächst, hat zur Folge, dass die Dinge schliesslich nur noch so weit
gelten, wie sie Geld kosten, und dass die Wertqualität, mit der wir
sie empfinden, nur als eine Funktion des Mehr oder Weniger ihres
Geldpreises erscheint. Unmittelbar hat dieses Mehr oder Weniger
die doppelte Folge: im Subjekt die entgegengesetztesten Gefühle,
das tiefste Leid und die höchste Beseligung samt allen Mittel-
gliedern zwischen diesen Polen hervorzurufen, wie es seitens Anderer
in die nicht weniger reiche Skala zwischen verächtlicher Gleichgültig-
keit und kniebeugender Verehrung einzustellen. Und andrerseits, im
Objektiven, bewirkt das Anwachsen seiner Quantität überhaupt wie
seine Akkumulierung in einzelnen Händen eine Steigerung der sach-
lichen Kultur, eine Herstellung von Produkten, Geniessbarkeiten und
Lebensformen, von deren Qualitäten bei geringeren oder anders ver-
teilten Geldquantitäten gar nicht die Rede hätte sein können. Ja,
man möchte sogar jene Quantitätstendenz am Geld radikaler verwirk-
licht meinen als auf irgend einem andern, diesseits der Metaphysik
liegenden Gebiete. Denn wo immer wir qualitative Thatsächlichkeiten
auf quantitative Verhältnisse zurückgliedern, bleiben die Elemente --
physischer, personaler, psychischer Art --, deren Mehr oder Weniger
den besonderen Erfolg entscheidet, an sich selbst doch in irgend einem

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wenn also auch beide zusammen erst ein Gewebe ergeben und deshalb
die ausschlieſsliche Betonung des einen logisch nicht zu rechtfertigen
ist, so ist sie doch psychologisch eine der groſsen Differenzierungen
der Perioden, der Individuen, der Seelenprovinzen. Was Nietzsche
von allen sozialistischen Wertungen scheidet, kann sich nicht schärfer
als darin zeichnen, daſs ihm ausschlieſslich die Qualität der Mensch-
heit eine Bedeutung besitzt, so daſs nur das eine jeweilige höchste
Exemplar über den Wert der Epoche entscheidet, während für den
Sozialismus grade nur das Verbreitungsmaſs erwünschter Zustände
und Werte in Frage kommt.

Die oben angeführten Beispiele der modernen Quantitätstendenz
zeigen ersichtlich zwei Typen: erstens, die objektiven Substanzen und
Ereignisse, die den qualitativ unterschiedenen subjektiven Vorstellungen
zum Grunde liegen, sind ihrerseits nur quantitativ unterschieden;
zweitens, auch im Objektiven erzeugt die bloſse Häufung der Elemente
oder Kräfte Erscheinungen, deren Charakter sich von den quantitativ
anders bedingten spezifisch und nach Wertgesichtspunkten unterscheidet.
Nach beiden Richtungen hin erscheint das Geld als Beispiel, Ausdruck
oder Symbol der modernen Betonung des Quantitätsmomentes. Die
Thatsache, daſs immer mehr Dinge für Geld zu haben sind, sowie die
damit solidarische, daſs es zum zentralen und absoluten Wert aus-
wächst, hat zur Folge, daſs die Dinge schlieſslich nur noch so weit
gelten, wie sie Geld kosten, und daſs die Wertqualität, mit der wir
sie empfinden, nur als eine Funktion des Mehr oder Weniger ihres
Geldpreises erscheint. Unmittelbar hat dieses Mehr oder Weniger
die doppelte Folge: im Subjekt die entgegengesetztesten Gefühle,
das tiefste Leid und die höchste Beseligung samt allen Mittel-
gliedern zwischen diesen Polen hervorzurufen, wie es seitens Anderer
in die nicht weniger reiche Skala zwischen verächtlicher Gleichgültig-
keit und kniebeugender Verehrung einzustellen. Und andrerseits, im
Objektiven, bewirkt das Anwachsen seiner Quantität überhaupt wie
seine Akkumulierung in einzelnen Händen eine Steigerung der sach-
lichen Kultur, eine Herstellung von Produkten, Genieſsbarkeiten und
Lebensformen, von deren Qualitäten bei geringeren oder anders ver-
teilten Geldquantitäten gar nicht die Rede hätte sein können. Ja,
man möchte sogar jene Quantitätstendenz am Geld radikaler verwirk-
licht meinen als auf irgend einem andern, diesseits der Metaphysik
liegenden Gebiete. Denn wo immer wir qualitative Thatsächlichkeiten
auf quantitative Verhältnisse zurückgliedern, bleiben die Elemente —
physischer, personaler, psychischer Art —, deren Mehr oder Weniger
den besonderen Erfolg entscheidet, an sich selbst doch in irgend einem

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[275/0299] wenn also auch beide zusammen erst ein Gewebe ergeben und deshalb die ausschlieſsliche Betonung des einen logisch nicht zu rechtfertigen ist, so ist sie doch psychologisch eine der groſsen Differenzierungen der Perioden, der Individuen, der Seelenprovinzen. Was Nietzsche von allen sozialistischen Wertungen scheidet, kann sich nicht schärfer als darin zeichnen, daſs ihm ausschlieſslich die Qualität der Mensch- heit eine Bedeutung besitzt, so daſs nur das eine jeweilige höchste Exemplar über den Wert der Epoche entscheidet, während für den Sozialismus grade nur das Verbreitungsmaſs erwünschter Zustände und Werte in Frage kommt. Die oben angeführten Beispiele der modernen Quantitätstendenz zeigen ersichtlich zwei Typen: erstens, die objektiven Substanzen und Ereignisse, die den qualitativ unterschiedenen subjektiven Vorstellungen zum Grunde liegen, sind ihrerseits nur quantitativ unterschieden; zweitens, auch im Objektiven erzeugt die bloſse Häufung der Elemente oder Kräfte Erscheinungen, deren Charakter sich von den quantitativ anders bedingten spezifisch und nach Wertgesichtspunkten unterscheidet. Nach beiden Richtungen hin erscheint das Geld als Beispiel, Ausdruck oder Symbol der modernen Betonung des Quantitätsmomentes. Die Thatsache, daſs immer mehr Dinge für Geld zu haben sind, sowie die damit solidarische, daſs es zum zentralen und absoluten Wert aus- wächst, hat zur Folge, daſs die Dinge schlieſslich nur noch so weit gelten, wie sie Geld kosten, und daſs die Wertqualität, mit der wir sie empfinden, nur als eine Funktion des Mehr oder Weniger ihres Geldpreises erscheint. Unmittelbar hat dieses Mehr oder Weniger die doppelte Folge: im Subjekt die entgegengesetztesten Gefühle, das tiefste Leid und die höchste Beseligung samt allen Mittel- gliedern zwischen diesen Polen hervorzurufen, wie es seitens Anderer in die nicht weniger reiche Skala zwischen verächtlicher Gleichgültig- keit und kniebeugender Verehrung einzustellen. Und andrerseits, im Objektiven, bewirkt das Anwachsen seiner Quantität überhaupt wie seine Akkumulierung in einzelnen Händen eine Steigerung der sach- lichen Kultur, eine Herstellung von Produkten, Genieſsbarkeiten und Lebensformen, von deren Qualitäten bei geringeren oder anders ver- teilten Geldquantitäten gar nicht die Rede hätte sein können. Ja, man möchte sogar jene Quantitätstendenz am Geld radikaler verwirk- licht meinen als auf irgend einem andern, diesseits der Metaphysik liegenden Gebiete. Denn wo immer wir qualitative Thatsächlichkeiten auf quantitative Verhältnisse zurückgliedern, bleiben die Elemente — physischer, personaler, psychischer Art —, deren Mehr oder Weniger den besonderen Erfolg entscheidet, an sich selbst doch in irgend einem 18*

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/299>, abgerufen am 23.11.2024.