zusetzen. Der Erkenntniswert hiervon wird vielleicht im Anschluss an eine Bestimmung der Grenznutzentheorie deutlicher. Man kann dieselbe doch etwa folgendermassen kurz zusammenfassen. Jegliches Teilquantum eines Gütervorrates hat den Wert des am niedrigsten bewerteten, d. h. zur entbehrlichsten Nutzung verwandten Teiles. Denn wenn ein beliebiger Teil verloren ginge, so würde man doch mit dem Rest alle wichtigeren Bedürfnisse decken und nur das unwichtigste un- gedeckt lassen; welcher Teil also auch entbehrt werden müsste, es wäre der unwichtigste. Der Wert eines Gütervorrates ist also nicht bestimmt durch den Nutzen, den man thatsächlich aus ihm zieht, d. h. nicht durch die Summe der sehr verschieden hohen Nutzungen seiner einzelnen Bestandteile, sondern durch den Nutzen des am wenigsten nutzbaren Teiles, multipliziert mit der Anzahl solcher gleich grossen Teile überhaupt. Von dieser Theorie wird nun ganz allgemein eine Ausnahme zugegeben, nämlich da, wo eine Summe von Gütern eine Einheit bildet und als solche einen gewissen Nutzeffekt entfaltet, der nicht gleich der Summe der Nutzungen ihrer einzelnen Teile ist. Es habe z. B., so hören wir, der Bestand eines Waldes einen Einfluss auf Klima und Witterung, damit auf die Bodenfruchtbarkeit, die Gesund- heit der Bewohner, die Beständigkeit eines Teiles des Volksreich- tums u. s. w., kurz, er habe als ganzer einen Wert, von dem kein noch so geringer Bruchteil gerechnet werde, wenn man den Nutzen des einzelnen Baumes anschlüge. So sei auch der Wert einer Armee nicht nach dem Grenznutzen des einzelnen Soldaten, der eines Flusses nicht nach dem Grenznutzen der einzelnen Wassertropfen zu beurteilen. Der hiermit gezeichnete Unterschied ist auch derjenige, der für das Vermögen eines Individuums gilt. Eine Million, im Besitz eines Menschen, verschafft ihm nicht nur ein Ansehen und eine soziale Qualifikation, die etwas ganz anderes ist, als das tausendmalige Viel- fache der entsprechenden Bedeutung eines Besitzers von tausend Mark; sondern, diese subjektive Folge begründend, ist der objektive wirtschaft- liche Wert einer Million nicht aus dem Grenznutzen etwa ihrer tausend Teile zu tausend Mark zu berechnen, sondern bildet eine darüber stehende Einheit, wie der Wert eines einheitlich handelnden Lebewesens über dem seiner einzelnen Glieder. Ich habe im vorigen Kapitel aus- geführt, dass der Geldpreis eines Gegenstandes, aus wievielen Münzein- heiten er auch bestehe, dennoch als eine Einheit wirke: eine Million Mark, sagte ich, seien zwar an und für sich ein bloss additionales Konglo- merat zusammenhangsloser Einheiten; dagegen als Wert etwa eines Land- gutes seien sie das einheitliche Symbol, Ausdruck oder Äquivalent seiner Werthöhe und absolut nicht ein blosses Nebeneinander einzelner
zusetzen. Der Erkenntniswert hiervon wird vielleicht im Anschluſs an eine Bestimmung der Grenznutzentheorie deutlicher. Man kann dieselbe doch etwa folgendermaſsen kurz zusammenfassen. Jegliches Teilquantum eines Gütervorrates hat den Wert des am niedrigsten bewerteten, d. h. zur entbehrlichsten Nutzung verwandten Teiles. Denn wenn ein beliebiger Teil verloren ginge, so würde man doch mit dem Rest alle wichtigeren Bedürfnisse decken und nur das unwichtigste un- gedeckt lassen; welcher Teil also auch entbehrt werden müſste, es wäre der unwichtigste. Der Wert eines Gütervorrates ist also nicht bestimmt durch den Nutzen, den man thatsächlich aus ihm zieht, d. h. nicht durch die Summe der sehr verschieden hohen Nutzungen seiner einzelnen Bestandteile, sondern durch den Nutzen des am wenigsten nutzbaren Teiles, multipliziert mit der Anzahl solcher gleich groſsen Teile überhaupt. Von dieser Theorie wird nun ganz allgemein eine Ausnahme zugegeben, nämlich da, wo eine Summe von Gütern eine Einheit bildet und als solche einen gewissen Nutzeffekt entfaltet, der nicht gleich der Summe der Nutzungen ihrer einzelnen Teile ist. Es habe z. B., so hören wir, der Bestand eines Waldes einen Einfluſs auf Klima und Witterung, damit auf die Bodenfruchtbarkeit, die Gesund- heit der Bewohner, die Beständigkeit eines Teiles des Volksreich- tums u. s. w., kurz, er habe als ganzer einen Wert, von dem kein noch so geringer Bruchteil gerechnet werde, wenn man den Nutzen des einzelnen Baumes anschlüge. So sei auch der Wert einer Armee nicht nach dem Grenznutzen des einzelnen Soldaten, der eines Flusses nicht nach dem Grenznutzen der einzelnen Wassertropfen zu beurteilen. Der hiermit gezeichnete Unterschied ist auch derjenige, der für das Vermögen eines Individuums gilt. Eine Million, im Besitz eines Menschen, verschafft ihm nicht nur ein Ansehen und eine soziale Qualifikation, die etwas ganz anderes ist, als das tausendmalige Viel- fache der entsprechenden Bedeutung eines Besitzers von tausend Mark; sondern, diese subjektive Folge begründend, ist der objektive wirtschaft- liche Wert einer Million nicht aus dem Grenznutzen etwa ihrer tausend Teile zu tausend Mark zu berechnen, sondern bildet eine darüber stehende Einheit, wie der Wert eines einheitlich handelnden Lebewesens über dem seiner einzelnen Glieder. Ich habe im vorigen Kapitel aus- geführt, daſs der Geldpreis eines Gegenstandes, aus wievielen Münzein- heiten er auch bestehe, dennoch als eine Einheit wirke: eine Million Mark, sagte ich, seien zwar an und für sich ein bloſs additionales Konglo- merat zusammenhangsloser Einheiten; dagegen als Wert etwa eines Land- gutes seien sie das einheitliche Symbol, Ausdruck oder Äquivalent seiner Werthöhe und absolut nicht ein bloſses Nebeneinander einzelner
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zusetzen. Der Erkenntniswert hiervon wird vielleicht im Anschluſs
an eine Bestimmung der Grenznutzentheorie deutlicher. Man kann
dieselbe doch etwa folgendermaſsen kurz zusammenfassen. Jegliches
Teilquantum eines Gütervorrates hat den Wert des am niedrigsten
bewerteten, d. h. zur entbehrlichsten Nutzung verwandten Teiles. Denn
wenn ein beliebiger Teil verloren ginge, so würde man doch mit dem
Rest alle wichtigeren Bedürfnisse decken und nur das unwichtigste un-
gedeckt lassen; welcher Teil also auch entbehrt werden müſste, es
wäre der unwichtigste. Der Wert eines Gütervorrates ist also nicht
bestimmt durch den Nutzen, den man thatsächlich aus ihm zieht, d. h.
nicht durch die Summe der sehr verschieden hohen Nutzungen seiner
einzelnen Bestandteile, sondern durch den Nutzen des am wenigsten
nutzbaren Teiles, multipliziert mit der Anzahl solcher gleich groſsen
Teile überhaupt. Von dieser Theorie wird nun ganz allgemein eine
Ausnahme zugegeben, nämlich da, wo eine Summe von Gütern eine
Einheit bildet und als solche einen gewissen Nutzeffekt entfaltet, der
nicht gleich der Summe der Nutzungen ihrer einzelnen Teile ist. Es
habe z. B., so hören wir, der Bestand eines Waldes einen Einfluſs auf
Klima und Witterung, damit auf die Bodenfruchtbarkeit, die Gesund-
heit der Bewohner, die Beständigkeit eines Teiles des Volksreich-
tums u. s. w., kurz, er habe als ganzer einen Wert, von dem kein
noch so geringer Bruchteil gerechnet werde, wenn man den Nutzen
des einzelnen Baumes anschlüge. So sei auch der Wert einer Armee
nicht nach dem Grenznutzen des einzelnen Soldaten, der eines Flusses
nicht nach dem Grenznutzen der einzelnen Wassertropfen zu beurteilen.
Der hiermit gezeichnete Unterschied ist auch derjenige, der für das
Vermögen eines Individuums gilt. Eine Million, im Besitz eines
Menschen, verschafft ihm nicht nur ein Ansehen und eine soziale
Qualifikation, die etwas ganz anderes ist, als das tausendmalige Viel-
fache der entsprechenden Bedeutung eines Besitzers von tausend Mark;
sondern, diese subjektive Folge begründend, ist der objektive wirtschaft-
liche Wert einer Million nicht aus dem Grenznutzen etwa ihrer tausend
Teile zu tausend Mark zu berechnen, sondern bildet eine darüber
stehende Einheit, wie der Wert eines einheitlich handelnden Lebewesens
über dem seiner einzelnen Glieder. Ich habe im vorigen Kapitel aus-
geführt, daſs der Geldpreis eines Gegenstandes, aus wievielen Münzein-
heiten er auch bestehe, dennoch als eine Einheit wirke: eine Million Mark,
sagte ich, seien zwar an und für sich ein bloſs additionales Konglo-
merat zusammenhangsloser Einheiten; dagegen als Wert etwa eines Land-
gutes seien sie das einheitliche Symbol, Ausdruck oder Äquivalent
seiner Werthöhe und absolut nicht ein bloſses Nebeneinander einzelner
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/291>, abgerufen am 23.11.2024.
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