worden und hat sich dadurch in seiner Bedeutung völlig geändert. Der Zyniker -- nun immer in dem jetzigen Sinne -- offenbart sein Wesen am deutlichsten im Gegensatz zu dem sanguinischen Enthu- siasten. Während bei diesem die Kurve der Wertbewegung von unten nach oben geht und auch niedere Werte zu der Bedeutung der höheren zu heben strebt, ist sie beim Zyniker umgekehrt gerichtet: sein Lebens- gefühl ist erst adäquat ausgedrückt, wenn er die Niedrigkeit auch der höchsten Werte, den Illusionismus der Wertunterschiede theoretisch und praktisch erwiesen hat. Dieser Stimmung kann nichts wirksamer entgegenkommen, als die Fähigkeit des Geldes, die höchsten wie die niedrigsten Werte gleichmässig auf eine Wertform zu reduzieren und sie dadurch, um so verschiedene Arten und Masse derselben es sich auch handeln mag, auf dasselbe prinzipielle Niveau zu bringen. Auf keinem andern generellen Gebiete findet der Zyniker eine so triumphierende Rechtfertigung, als hier, wo die feinsten, idealsten, persönlichsten Güter nicht nur für jeden, der das nötige Geld hat, verfügbar sind, sondern, noch viel bezeichnender, dem Würdigsten versagt bleiben, wenn er mittellos ist, und wo die Bewegungen des Geldes die unsinnigsten Kombinationen zwischen den personalen und den Sachwerten bewirken. Die Pflanzstätten des Zynismus sind deshalb die Plätze des grossen, namentlich des Börsenverkehrs, wo das Geld in Massen vorhanden ist und leicht den Besitzer wechselt. Je mehr hier das Geld selbst zum alleinigen Interessenzentrum wird, je mehr man Ehre und Überzeugungen, Talent und Tugend, Schönheit und das Heil der Seele dagegen eingesetzt sieht, eine um so spöttischere und frivolere Stimmung wird diesen höheren Lebensgütern gegenüber entstehen, die für dasselbe Wertquale feil sind wie die Güter des Wochenmarkts, und so schliesslich auch einen "Marktpreis" erhalten. Der Begriff des Marktpreises für Werte, die ihrem Wesen nach jede Schätzung ausser der an ihren eigenen Kategorien und Idealen ablehnen, ist die vollendete Objektivirung dessen, was der Zynismus in subjektivem Reflex darstellt.
Die andere Bedeutung der Nivellierung, die nicht sowohl die Ver- schiedenwertigkeit, als die Verschiedenartigkeit der Dinge trifft -- in- dem die zentrale Stellung des Geldes das Interesse an das ihnen Gemeinsame, im Gegensatz zu ihrer individuellen Ausbildungshöhe, heftet -- findet ihren personalen Ausdruck in der Blasiertheit. Während der Zyniker sich durch das Wertgebiet doch noch zu einer Reaktion bewegen lässt, wenn auch in dem perversen Sinn, dass er in der Be- wegung der Werte von oben nach unten einen Lebensreiz findet, ist der Blasierte, seinem -- freilich nie ganz realisierten -- Begriffe nach, den Unterschieden des Wertempfindens überhaupt abgestorben, er fühlt
worden und hat sich dadurch in seiner Bedeutung völlig geändert. Der Zyniker — nun immer in dem jetzigen Sinne — offenbart sein Wesen am deutlichsten im Gegensatz zu dem sanguinischen Enthu- siasten. Während bei diesem die Kurve der Wertbewegung von unten nach oben geht und auch niedere Werte zu der Bedeutung der höheren zu heben strebt, ist sie beim Zyniker umgekehrt gerichtet: sein Lebens- gefühl ist erst adäquat ausgedrückt, wenn er die Niedrigkeit auch der höchsten Werte, den Illusionismus der Wertunterschiede theoretisch und praktisch erwiesen hat. Dieser Stimmung kann nichts wirksamer entgegenkommen, als die Fähigkeit des Geldes, die höchsten wie die niedrigsten Werte gleichmäſsig auf eine Wertform zu reduzieren und sie dadurch, um so verschiedene Arten und Maſse derselben es sich auch handeln mag, auf dasselbe prinzipielle Niveau zu bringen. Auf keinem andern generellen Gebiete findet der Zyniker eine so triumphierende Rechtfertigung, als hier, wo die feinsten, idealsten, persönlichsten Güter nicht nur für jeden, der das nötige Geld hat, verfügbar sind, sondern, noch viel bezeichnender, dem Würdigsten versagt bleiben, wenn er mittellos ist, und wo die Bewegungen des Geldes die unsinnigsten Kombinationen zwischen den personalen und den Sachwerten bewirken. Die Pflanzstätten des Zynismus sind deshalb die Plätze des groſsen, namentlich des Börsenverkehrs, wo das Geld in Massen vorhanden ist und leicht den Besitzer wechselt. Je mehr hier das Geld selbst zum alleinigen Interessenzentrum wird, je mehr man Ehre und Überzeugungen, Talent und Tugend, Schönheit und das Heil der Seele dagegen eingesetzt sieht, eine um so spöttischere und frivolere Stimmung wird diesen höheren Lebensgütern gegenüber entstehen, die für dasselbe Wertquale feil sind wie die Güter des Wochenmarkts, und so schlieſslich auch einen „Marktpreis“ erhalten. Der Begriff des Marktpreises für Werte, die ihrem Wesen nach jede Schätzung auſser der an ihren eigenen Kategorien und Idealen ablehnen, ist die vollendete Objektivirung dessen, was der Zynismus in subjektivem Reflex darstellt.
Die andere Bedeutung der Nivellierung, die nicht sowohl die Ver- schiedenwertigkeit, als die Verschiedenartigkeit der Dinge trifft — in- dem die zentrale Stellung des Geldes das Interesse an das ihnen Gemeinsame, im Gegensatz zu ihrer individuellen Ausbildungshöhe, heftet — findet ihren personalen Ausdruck in der Blasiertheit. Während der Zyniker sich durch das Wertgebiet doch noch zu einer Reaktion bewegen läſst, wenn auch in dem perversen Sinn, daſs er in der Be- wegung der Werte von oben nach unten einen Lebensreiz findet, ist der Blasierte, seinem — freilich nie ganz realisierten — Begriffe nach, den Unterschieden des Wertempfindens überhaupt abgestorben, er fühlt
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worden und hat sich dadurch in seiner Bedeutung völlig geändert.
Der Zyniker — nun immer in dem jetzigen Sinne — offenbart sein
Wesen am deutlichsten im Gegensatz zu dem sanguinischen Enthu-
siasten. Während bei diesem die Kurve der Wertbewegung von unten
nach oben geht und auch niedere Werte zu der Bedeutung der höheren
zu heben strebt, ist sie beim Zyniker umgekehrt gerichtet: sein Lebens-
gefühl ist erst adäquat ausgedrückt, wenn er die Niedrigkeit auch der
höchsten Werte, den Illusionismus der Wertunterschiede theoretisch
und praktisch erwiesen hat. Dieser Stimmung kann nichts wirksamer
entgegenkommen, als die Fähigkeit des Geldes, die höchsten wie die
niedrigsten Werte gleichmäſsig auf eine Wertform zu reduzieren und
sie dadurch, um so verschiedene Arten und Maſse derselben es sich auch
handeln mag, auf dasselbe prinzipielle Niveau zu bringen. Auf keinem
andern generellen Gebiete findet der Zyniker eine so triumphierende
Rechtfertigung, als hier, wo die feinsten, idealsten, persönlichsten Güter
nicht nur für jeden, der das nötige Geld hat, verfügbar sind, sondern,
noch viel bezeichnender, dem Würdigsten versagt bleiben, wenn er
mittellos ist, und wo die Bewegungen des Geldes die unsinnigsten
Kombinationen zwischen den personalen und den Sachwerten bewirken.
Die Pflanzstätten des Zynismus sind deshalb die Plätze des groſsen,
namentlich des Börsenverkehrs, wo das Geld in Massen vorhanden ist
und leicht den Besitzer wechselt. Je mehr hier das Geld selbst zum
alleinigen Interessenzentrum wird, je mehr man Ehre und Überzeugungen,
Talent und Tugend, Schönheit und das Heil der Seele dagegen eingesetzt
sieht, eine um so spöttischere und frivolere Stimmung wird diesen
höheren Lebensgütern gegenüber entstehen, die für dasselbe Wertquale
feil sind wie die Güter des Wochenmarkts, und so schlieſslich auch
einen „Marktpreis“ erhalten. Der Begriff des Marktpreises für Werte,
die ihrem Wesen nach jede Schätzung auſser der an ihren eigenen
Kategorien und Idealen ablehnen, ist die vollendete Objektivirung dessen,
was der Zynismus in subjektivem Reflex darstellt.
Die andere Bedeutung der Nivellierung, die nicht sowohl die Ver-
schiedenwertigkeit, als die Verschiedenartigkeit der Dinge trifft — in-
dem die zentrale Stellung des Geldes das Interesse an das ihnen
Gemeinsame, im Gegensatz zu ihrer individuellen Ausbildungshöhe,
heftet — findet ihren personalen Ausdruck in der Blasiertheit. Während
der Zyniker sich durch das Wertgebiet doch noch zu einer Reaktion
bewegen läſst, wenn auch in dem perversen Sinn, daſs er in der Be-
wegung der Werte von oben nach unten einen Lebensreiz findet, ist
der Blasierte, seinem — freilich nie ganz realisierten — Begriffe nach,
den Unterschieden des Wertempfindens überhaupt abgestorben, er fühlt
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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