dieses negative Korrelat, dass es auf den Preis nicht ankommt, und dadurch unbewussterweise doch wieder den Geldpunkt, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, in den Vordergrund des Interesses rücken. Wegen ihrer engen Beziehung zum Gelde gewinnt die Verschwendungs- sucht so leicht einen ungeheueren Beschleunigungszuwachs und raubt dem davon Befallenen alle vernünftigen Massstäbe: weil die Regulierung fehlt, die durch das Mass der Aufnahmefähigkeit konkreten Objekten gegenüber gegeben ist.
Das ist die genau gleiche Masslosigkeit, die die geizige Geldgier charakterisiert: die blosse Möglichkeit, die sie statt des Genusses der Wirklichkeiten sucht, geht an und für sich ins Unendliche und findet nicht wie diese, äussere und innere Gründe ihrer Einschränkung. Wo der Habsucht die ganz positiven, von aussen kommenden Fixierungen und Haltpunkte fehlen, pflegt sie sich ganz formlos und mit wachsender Beschleunigung zu ergiessen. Das ist der Grund der besonderen Mass- losigkeit und Erbitterung der Erbschaftsstreitigkeiten. Weil hier keine Arbeit oder sachlich begründete Abmessung den Anspruch des Einzelnen festlegt, ist a priori keiner geneigt, den Anspruch des anderen an- zuerkennen, so dass dem eignen jede Hemmung fehlt und jeder Eingriff in denselben als ein ganz besonders grundloses Unrecht empfunden wird. Diese innere Beziehungslosigkeit zwischen dem Wunsche und irgend einem Masse seines Objekts, die bei der Erbschaftsstreitigkeit aus der personalen Struktur des Erbverhältnisses hervorgeht, entstammt bei der Geldgier der Struktur des Objekts. Sehr bezeichnend scheint mir für die Prinzipienlosigkeit, der diese letztere Raum giebt und die die Ansprüche gar keinen Grund zu ihrer Beschränkung finden lässt, ein Braunschweiger Münzaufstand von 1499. Die Obrigkeit wollte, dass künftig allein die gute Münze gelten sollte, neben der bisher die schlechte bestanden hatte. Und nun revoltierten dieselben Menschen, welche für ihre Produkte und auf ihre Löhne nur gute Pfennige nehmen wollten, in gewaltthätiger Weise, weil man ihre Zahlungen in schlechter Münze nicht mehr acceptierte! Grade dies häufige Nebeneinander von guter und schlechter Münze giebt der inneren Masslosigkeit der Geld- sucht -- der gegenüber auch die intensivsten sonstigen Leidenschaften immer etwas psychologisch Lokalisiertes haben -- die reichsten Mög- lichkeiten. Sogar aus China wissen wir von Revolutionen, weil die Re- gierung in schlechtem Gelde zahlte, ihre Steuern aber in gutem ein- forderte. Ich möchte rein hypothetisch annehmen, dass diese Ten- denz zur Masslosigkeit, die in dem blossen Geldinteresse als solchem liegt, auch die verborgene Wurzel der eigentümlichen, an den Börsen festgestellten Erscheinung bildet: dass die kleinen Getreidespekulanten,
dieses negative Korrelat, daſs es auf den Preis nicht ankommt, und dadurch unbewuſsterweise doch wieder den Geldpunkt, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, in den Vordergrund des Interesses rücken. Wegen ihrer engen Beziehung zum Gelde gewinnt die Verschwendungs- sucht so leicht einen ungeheueren Beschleunigungszuwachs und raubt dem davon Befallenen alle vernünftigen Maſsstäbe: weil die Regulierung fehlt, die durch das Maſs der Aufnahmefähigkeit konkreten Objekten gegenüber gegeben ist.
Das ist die genau gleiche Maſslosigkeit, die die geizige Geldgier charakterisiert: die bloſse Möglichkeit, die sie statt des Genusses der Wirklichkeiten sucht, geht an und für sich ins Unendliche und findet nicht wie diese, äuſsere und innere Gründe ihrer Einschränkung. Wo der Habsucht die ganz positiven, von auſsen kommenden Fixierungen und Haltpunkte fehlen, pflegt sie sich ganz formlos und mit wachsender Beschleunigung zu ergieſsen. Das ist der Grund der besonderen Maſs- losigkeit und Erbitterung der Erbschaftsstreitigkeiten. Weil hier keine Arbeit oder sachlich begründete Abmessung den Anspruch des Einzelnen festlegt, ist a priori keiner geneigt, den Anspruch des anderen an- zuerkennen, so daſs dem eignen jede Hemmung fehlt und jeder Eingriff in denselben als ein ganz besonders grundloses Unrecht empfunden wird. Diese innere Beziehungslosigkeit zwischen dem Wunsche und irgend einem Maſse seines Objekts, die bei der Erbschaftsstreitigkeit aus der personalen Struktur des Erbverhältnisses hervorgeht, entstammt bei der Geldgier der Struktur des Objekts. Sehr bezeichnend scheint mir für die Prinzipienlosigkeit, der diese letztere Raum giebt und die die Ansprüche gar keinen Grund zu ihrer Beschränkung finden läſst, ein Braunschweiger Münzaufstand von 1499. Die Obrigkeit wollte, daſs künftig allein die gute Münze gelten sollte, neben der bisher die schlechte bestanden hatte. Und nun revoltierten dieselben Menschen, welche für ihre Produkte und auf ihre Löhne nur gute Pfennige nehmen wollten, in gewaltthätiger Weise, weil man ihre Zahlungen in schlechter Münze nicht mehr acceptierte! Grade dies häufige Nebeneinander von guter und schlechter Münze giebt der inneren Maſslosigkeit der Geld- sucht — der gegenüber auch die intensivsten sonstigen Leidenschaften immer etwas psychologisch Lokalisiertes haben — die reichsten Mög- lichkeiten. Sogar aus China wissen wir von Revolutionen, weil die Re- gierung in schlechtem Gelde zahlte, ihre Steuern aber in gutem ein- forderte. Ich möchte rein hypothetisch annehmen, daſs diese Ten- denz zur Maſslosigkeit, die in dem bloſsen Geldinteresse als solchem liegt, auch die verborgene Wurzel der eigentümlichen, an den Börsen festgestellten Erscheinung bildet: daſs die kleinen Getreidespekulanten,
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dieses negative Korrelat, daſs es auf den Preis nicht ankommt, und
dadurch unbewuſsterweise doch wieder den Geldpunkt, wenn auch mit
umgekehrtem Vorzeichen, in den Vordergrund des Interesses rücken.
Wegen ihrer engen Beziehung zum Gelde gewinnt die Verschwendungs-
sucht so leicht einen ungeheueren Beschleunigungszuwachs und raubt
dem davon Befallenen alle vernünftigen Maſsstäbe: weil die Regulierung
fehlt, die durch das Maſs der Aufnahmefähigkeit konkreten Objekten
gegenüber gegeben ist.
Das ist die genau gleiche Maſslosigkeit, die die geizige Geldgier
charakterisiert: die bloſse Möglichkeit, die sie statt des Genusses der
Wirklichkeiten sucht, geht an und für sich ins Unendliche und findet
nicht wie diese, äuſsere und innere Gründe ihrer Einschränkung. Wo
der Habsucht die ganz positiven, von auſsen kommenden Fixierungen
und Haltpunkte fehlen, pflegt sie sich ganz formlos und mit wachsender
Beschleunigung zu ergieſsen. Das ist der Grund der besonderen Maſs-
losigkeit und Erbitterung der Erbschaftsstreitigkeiten. Weil hier keine
Arbeit oder sachlich begründete Abmessung den Anspruch des Einzelnen
festlegt, ist a priori keiner geneigt, den Anspruch des anderen an-
zuerkennen, so daſs dem eignen jede Hemmung fehlt und jeder Eingriff
in denselben als ein ganz besonders grundloses Unrecht empfunden
wird. Diese innere Beziehungslosigkeit zwischen dem Wunsche und
irgend einem Maſse seines Objekts, die bei der Erbschaftsstreitigkeit
aus der personalen Struktur des Erbverhältnisses hervorgeht, entstammt
bei der Geldgier der Struktur des Objekts. Sehr bezeichnend scheint
mir für die Prinzipienlosigkeit, der diese letztere Raum giebt und die
die Ansprüche gar keinen Grund zu ihrer Beschränkung finden läſst,
ein Braunschweiger Münzaufstand von 1499. Die Obrigkeit wollte,
daſs künftig allein die gute Münze gelten sollte, neben der bisher die
schlechte bestanden hatte. Und nun revoltierten dieselben Menschen,
welche für ihre Produkte und auf ihre Löhne nur gute Pfennige nehmen
wollten, in gewaltthätiger Weise, weil man ihre Zahlungen in schlechter
Münze nicht mehr acceptierte! Grade dies häufige Nebeneinander von
guter und schlechter Münze giebt der inneren Maſslosigkeit der Geld-
sucht — der gegenüber auch die intensivsten sonstigen Leidenschaften
immer etwas psychologisch Lokalisiertes haben — die reichsten Mög-
lichkeiten. Sogar aus China wissen wir von Revolutionen, weil die Re-
gierung in schlechtem Gelde zahlte, ihre Steuern aber in gutem ein-
forderte. Ich möchte rein hypothetisch annehmen, daſs diese Ten-
denz zur Maſslosigkeit, die in dem bloſsen Geldinteresse als solchem
liegt, auch die verborgene Wurzel der eigentümlichen, an den Börsen
festgestellten Erscheinung bildet: daſs die kleinen Getreidespekulanten,
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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