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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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das Verhältnis verschiedener (bezw. aller) Waren zu einander (also
das Resultat der Division der einzelnen durch alle anderen) zu be-
stimmen und der Geldsumme, d. h. dem entsprechenden Bruchteil des
wirksamen Geldvorrates gleichzusetzen; und dazu bedarf es nur irgend
einer numerisch bestimmbaren Grösse. Wenn sich die Ware n zu der
Summe A aller verkäuflichen Waren verhält, wie a Geldeinheiten zu
der Summe B aller vorhandenen Geldeinheiten: so ist der ökonomische
Wert von n ausgedrückt durch a/B. Dass man dies meistens nicht so
vorstellt, liegt daran, dass B ebenso wie A ganz selbstverständlich sind --
weil ihre Wandlungen nicht leicht in unsere Wahrnehmung treten --
und deshalb in ihrer Funktion als Nenner gar nicht besonders bewusst
werden; was uns im einzelnen Falle interessiert, sind ausschliesslich
die Zähler n und a. Daher konnte die Vorstellung entstehen, dass n
und a sich an und für sich, unmittelbar und absolut entsprächen, wozu
sie allerdings gleichen Wesens sein müssten. Dass jener allgemeine,
das Verhältnis überhaupt begründende Faktor in Vergessenheit geriete,
bezw. nur thatsächlich, aber nicht bewusst wirkte, wäre ein Beispiel
für einen der durchgreifendsten Züge der menschlichen Natur. Die
beschränkte Aufnahmefähigkeit unseres Bewusstseins einerseits, die
kraftsparende Zweckmässigkeit seiner Verwendung andrerseits bewirkt,
dass von den unzähligen Seiten und Bestimmungen eines Interessen-
objekts immer nur eine geringe Zahl wirklich beachtet werden. Den
verschiedenen Gesichtspunkten, von denen die Auswahl und Rangierung
der bewusst werdenden Momente ausgeht, entspricht es, dass diese
letzteren in eine systematische Stufenfolge gegliedert werden können;
dieselbe beginnt damit, dass von einer Reihe von Erscheinungen nur
dasjenige, was ihnen allen gemeinsam ist, beachtet wird, an jeder nur
die Grundlage, die sie mit den anderen teilt, ins Bewusstsein tritt; das
entgegengesetzte Endglied der Skala bezeichnet es, wenn an jeder Er-
scheinung grade nur das zum Bewusstsein kommt, was sie von jeder
anderen unterscheidet, das absolut Individuelle, während das Allgemeine
und Fundamentale unter der Schwelle des Bewusstseins bleibt. Zwischen
diesen beiden Extremen bewegen sich in den mannigfaltigsten Ab-
stufungen die Punkte, an welche sich, als an Seiten der Gesamt-
erscheinungen, das höchste Bewusstsein heftet. Ganz durchschnittlich
kann man nun sagen, dass theoretische Interessen das Bewusstsein mehr
auf die Gemeinsamkeiten, praktische mehr auf die Individualität der
Dinge hinweisen werden. Dem metaphysisch interessierten Denker
verschwinden oft genug die individuellen Differenzen der Dinge als
unwesentlich, bis er etwa an so allgemeinen Vorstellungen wie Sein
oder Werden haften bleibt, die allen Dingen schlechthin gemeinsam

das Verhältnis verschiedener (bezw. aller) Waren zu einander (also
das Resultat der Division der einzelnen durch alle anderen) zu be-
stimmen und der Geldsumme, d. h. dem entsprechenden Bruchteil des
wirksamen Geldvorrates gleichzusetzen; und dazu bedarf es nur irgend
einer numerisch bestimmbaren Gröſse. Wenn sich die Ware n zu der
Summe A aller verkäuflichen Waren verhält, wie a Geldeinheiten zu
der Summe B aller vorhandenen Geldeinheiten: so ist der ökonomische
Wert von n ausgedrückt durch a/B. Daſs man dies meistens nicht so
vorstellt, liegt daran, daſs B ebenso wie A ganz selbstverständlich sind —
weil ihre Wandlungen nicht leicht in unsere Wahrnehmung treten —
und deshalb in ihrer Funktion als Nenner gar nicht besonders bewuſst
werden; was uns im einzelnen Falle interessiert, sind ausschlieſslich
die Zähler n und a. Daher konnte die Vorstellung entstehen, daſs n
und a sich an und für sich, unmittelbar und absolut entsprächen, wozu
sie allerdings gleichen Wesens sein müſsten. Daſs jener allgemeine,
das Verhältnis überhaupt begründende Faktor in Vergessenheit geriete,
bezw. nur thatsächlich, aber nicht bewuſst wirkte, wäre ein Beispiel
für einen der durchgreifendsten Züge der menschlichen Natur. Die
beschränkte Aufnahmefähigkeit unseres Bewuſstseins einerseits, die
kraftsparende Zweckmäſsigkeit seiner Verwendung andrerseits bewirkt,
daſs von den unzähligen Seiten und Bestimmungen eines Interessen-
objekts immer nur eine geringe Zahl wirklich beachtet werden. Den
verschiedenen Gesichtspunkten, von denen die Auswahl und Rangierung
der bewuſst werdenden Momente ausgeht, entspricht es, daſs diese
letzteren in eine systematische Stufenfolge gegliedert werden können;
dieselbe beginnt damit, daſs von einer Reihe von Erscheinungen nur
dasjenige, was ihnen allen gemeinsam ist, beachtet wird, an jeder nur
die Grundlage, die sie mit den anderen teilt, ins Bewuſstsein tritt; das
entgegengesetzte Endglied der Skala bezeichnet es, wenn an jeder Er-
scheinung grade nur das zum Bewuſstsein kommt, was sie von jeder
anderen unterscheidet, das absolut Individuelle, während das Allgemeine
und Fundamentale unter der Schwelle des Bewuſstseins bleibt. Zwischen
diesen beiden Extremen bewegen sich in den mannigfaltigsten Ab-
stufungen die Punkte, an welche sich, als an Seiten der Gesamt-
erscheinungen, das höchste Bewuſstsein heftet. Ganz durchschnittlich
kann man nun sagen, daſs theoretische Interessen das Bewuſstsein mehr
auf die Gemeinsamkeiten, praktische mehr auf die Individualität der
Dinge hinweisen werden. Dem metaphysisch interessierten Denker
verschwinden oft genug die individuellen Differenzen der Dinge als
unwesentlich, bis er etwa an so allgemeinen Vorstellungen wie Sein
oder Werden haften bleibt, die allen Dingen schlechthin gemeinsam

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[93/0117] das Verhältnis verschiedener (bezw. aller) Waren zu einander (also das Resultat der Division der einzelnen durch alle anderen) zu be- stimmen und der Geldsumme, d. h. dem entsprechenden Bruchteil des wirksamen Geldvorrates gleichzusetzen; und dazu bedarf es nur irgend einer numerisch bestimmbaren Gröſse. Wenn sich die Ware n zu der Summe A aller verkäuflichen Waren verhält, wie a Geldeinheiten zu der Summe B aller vorhandenen Geldeinheiten: so ist der ökonomische Wert von n ausgedrückt durch a/B. Daſs man dies meistens nicht so vorstellt, liegt daran, daſs B ebenso wie A ganz selbstverständlich sind — weil ihre Wandlungen nicht leicht in unsere Wahrnehmung treten — und deshalb in ihrer Funktion als Nenner gar nicht besonders bewuſst werden; was uns im einzelnen Falle interessiert, sind ausschlieſslich die Zähler n und a. Daher konnte die Vorstellung entstehen, daſs n und a sich an und für sich, unmittelbar und absolut entsprächen, wozu sie allerdings gleichen Wesens sein müſsten. Daſs jener allgemeine, das Verhältnis überhaupt begründende Faktor in Vergessenheit geriete, bezw. nur thatsächlich, aber nicht bewuſst wirkte, wäre ein Beispiel für einen der durchgreifendsten Züge der menschlichen Natur. Die beschränkte Aufnahmefähigkeit unseres Bewuſstseins einerseits, die kraftsparende Zweckmäſsigkeit seiner Verwendung andrerseits bewirkt, daſs von den unzähligen Seiten und Bestimmungen eines Interessen- objekts immer nur eine geringe Zahl wirklich beachtet werden. Den verschiedenen Gesichtspunkten, von denen die Auswahl und Rangierung der bewuſst werdenden Momente ausgeht, entspricht es, daſs diese letzteren in eine systematische Stufenfolge gegliedert werden können; dieselbe beginnt damit, daſs von einer Reihe von Erscheinungen nur dasjenige, was ihnen allen gemeinsam ist, beachtet wird, an jeder nur die Grundlage, die sie mit den anderen teilt, ins Bewuſstsein tritt; das entgegengesetzte Endglied der Skala bezeichnet es, wenn an jeder Er- scheinung grade nur das zum Bewuſstsein kommt, was sie von jeder anderen unterscheidet, das absolut Individuelle, während das Allgemeine und Fundamentale unter der Schwelle des Bewuſstseins bleibt. Zwischen diesen beiden Extremen bewegen sich in den mannigfaltigsten Ab- stufungen die Punkte, an welche sich, als an Seiten der Gesamt- erscheinungen, das höchste Bewuſstsein heftet. Ganz durchschnittlich kann man nun sagen, daſs theoretische Interessen das Bewuſstsein mehr auf die Gemeinsamkeiten, praktische mehr auf die Individualität der Dinge hinweisen werden. Dem metaphysisch interessierten Denker verschwinden oft genug die individuellen Differenzen der Dinge als unwesentlich, bis er etwa an so allgemeinen Vorstellungen wie Sein oder Werden haften bleibt, die allen Dingen schlechthin gemeinsam

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/117>, abgerufen am 23.11.2024.