Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.Geistr. Sinn- und schlußr. 157. GOtt schauet man an sich. Wie ist mein GOtt gestalt? Geh schau dich selber an/Wer sich in GOtt beschaut/ schaut Gott warhafftig an. 158. Die Seele kombt von GOtt. Die Seel ist eine Flamm auß GOtt dem Blitz gegan-gen:* Ach solte sie dann nicht in Jhn zurük gelangen. * intellige creaturaliter. 159. Der Geist ist wie das wesen. Mein Seist ist wie ein seyn: er ahnt dem wesen nach/Von dem er urgestand/ und Anfangs aufgebrach. 160. Der Geist stirbt nimmermehr. Der Geist lebt in sich selbst: gebricht jhm gleich das Licht/(Wie ein verdampter wird) so stirbet er doch nicht. 161. Jm jnnern Wohnt man wol. Was meines Geistes Geist/ meins wesens wesen ist/Das ists/ das ich für mich zur Wohnung hab erkiest. 162. Hinein kehr deine Strahlen. Ach kehrt nur meine Seel jhr Flammen umb und ein!So wird sie mit dem Blitz/ bald Blitz und Eines seyn. 163. GOtt würket wie das Fewr. Das Fewer schmeltzt und eint: sinckstu inn Ursprung ein/So muß dein Geist mit GOtt in Eins geschmeltzet seyn. 164. Die Unschuld brennet nicht. Entschulde dich durch Gott: die Unschuld bleibt bewehrt/Und wird in Ewigkeit von keiner Glutt verzehrt. 165. Ein D 6
Geiſtr. Sinn- und ſchlußr. 157. GOtt ſchauet man an ſich. Wie iſt mein GOtt geſtalt? Geh ſchau dich ſelber an/Wer ſich in GOtt beſchaut/ ſchaut Gott warhafftig an. 158. Die Seele kombt von GOtt. Die Seel iſt eine Flamm auß GOtt dem Blitz gegan-gen:* Ach ſolte ſie dann nicht in Jhn zuruͤk gelangen. * intellige creaturaliter. 159. Der Geiſt iſt wie das weſen. Mein Seiſt iſt wie ein ſeyn: er ahnt dem weſen nach/Von dem er urgeſtand/ und Anfangs aufgebrach. 160. Der Geiſt ſtirbt nimmermehr. Der Geiſt lebt in ſich ſelbſt: gebricht jhm gleich das Licht/(Wie ein verdampter wird) ſo ſtirbet er doch nicht. 161. Jm jnnern Wohnt man wol. Was meines Geiſtes Geiſt/ meins weſens weſen iſt/Das iſts/ das ich fuͤr mich zur Wohnung hab erkieſt. 162. Hinein kehr deine Strahlen. Ach kehrt nur meine Seel jhr Flammen umb und ein!So wird ſie mit dem Blitz/ bald Blitz und Eines ſeyn. 163. GOtt wuͤrket wie das Fewr. Das Fewer ſchmeltzt und eint: ſinckſtu in̄ Urſprung ein/So muß dein Geiſt mit GOtt in Eins geſchmeltzet ſeyn. 164. Die Unſchuld brennet nicht. Entſchulde dich durch Gott: die Unſchuld bleibt bewehrt/Und wird in Ewigkeit von keiner Glutt verzehrt. 165. Ein D 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0087" n="81"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Geiſtr. <choice><orig>Sinn-und</orig><reg>Sinn- und</reg></choice> ſchlußr.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head>157. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">GOtt ſchauet man an ſich.</hi></hi></head><lb/> <l>Wie iſt mein GOtt geſtalt? Geh ſchau dich ſelber an/</l><lb/> <l>Wer ſich in GOtt beſchaut/ ſchaut Gott warhafftig an.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head>158. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Die Seele kombt von GOtt.</hi></hi></head><lb/> <l>Die Seel iſt eine Flamm auß GOtt dem Blitz gegan-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gen:<note place="end" n="*"/></hi> </l><lb/> <l>Ach ſolte ſie dann nicht in Jhn zuruͤk gelangen.</l> </lg><lb/> <note place="end" n="*"> <hi rendition="#aq">intellige creaturaliter.</hi> </note><lb/> <lg type="poem"> <head>159. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Der Geiſt iſt wie das weſen.</hi></hi></head><lb/> <l>Mein Seiſt iſt wie ein ſeyn: er ahnt dem weſen nach/</l><lb/> <l>Von dem er urgeſtand/ und Anfangs aufgebrach.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head>160. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Der Geiſt ſtirbt nimmermehr.</hi></hi></head><lb/> <l>Der Geiſt lebt in ſich ſelbſt: gebricht jhm gleich das Licht/</l><lb/> <l>(Wie ein verdampter wird) ſo ſtirbet er doch nicht.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head>161. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Jm jnnern Wohnt man wol.</hi></hi></head><lb/> <l>Was meines Geiſtes Geiſt/ meins weſens weſen iſt/</l><lb/> <l>Das iſts/ das ich fuͤr mich zur Wohnung hab erkieſt.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head>162. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Hinein kehr deine Strahlen.</hi></hi></head><lb/> <l>Ach kehrt nur meine Seel jhr Flammen umb und ein!</l><lb/> <l>So wird ſie mit dem Blitz/ bald Blitz und Eines ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head>163. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">GOtt wuͤrket wie das Fewr.</hi></hi></head><lb/> <l>Das Fewer ſchmeltzt und eint: ſinckſtu in̄ Urſprung ein/</l><lb/> <l>So muß dein Geiſt mit GOtt in Eins geſchmeltzet ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head>164. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Die Unſchuld brennet nicht.</hi></hi></head><lb/> <l>Entſchulde dich durch Gott: die Unſchuld bleibt bewehrt/</l><lb/> <l>Und wird in Ewigkeit von keiner Glutt verzehrt.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig"> <hi rendition="#fr">D 6</hi> </fw> <fw place="bottom" type="catch">165. <hi rendition="#fr">Ein</hi></fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [81/0087]
Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
157. GOtt ſchauet man an ſich.
Wie iſt mein GOtt geſtalt? Geh ſchau dich ſelber an/
Wer ſich in GOtt beſchaut/ ſchaut Gott warhafftig an.
158. Die Seele kombt von GOtt.
Die Seel iſt eine Flamm auß GOtt dem Blitz gegan-
gen:
*
Ach ſolte ſie dann nicht in Jhn zuruͤk gelangen.
* intellige creaturaliter.
159. Der Geiſt iſt wie das weſen.
Mein Seiſt iſt wie ein ſeyn: er ahnt dem weſen nach/
Von dem er urgeſtand/ und Anfangs aufgebrach.
160. Der Geiſt ſtirbt nimmermehr.
Der Geiſt lebt in ſich ſelbſt: gebricht jhm gleich das Licht/
(Wie ein verdampter wird) ſo ſtirbet er doch nicht.
161. Jm jnnern Wohnt man wol.
Was meines Geiſtes Geiſt/ meins weſens weſen iſt/
Das iſts/ das ich fuͤr mich zur Wohnung hab erkieſt.
162. Hinein kehr deine Strahlen.
Ach kehrt nur meine Seel jhr Flammen umb und ein!
So wird ſie mit dem Blitz/ bald Blitz und Eines ſeyn.
163. GOtt wuͤrket wie das Fewr.
Das Fewer ſchmeltzt und eint: ſinckſtu in̄ Urſprung ein/
So muß dein Geiſt mit GOtt in Eins geſchmeltzet ſeyn.
164. Die Unſchuld brennet nicht.
Entſchulde dich durch Gott: die Unſchuld bleibt bewehrt/
Und wird in Ewigkeit von keiner Glutt verzehrt.
165. Ein
D 6
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/87 |
Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/87>, abgerufen am 19.07.2024. |