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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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Erinnerungs Vorrede
heiligen Vätter von der Vereinigung der Son-
nen mit der Lufft/ deß Feuers mit dem Eysen/
deß Weins mit dem Wasser/ und was der glei-
chen/ sich gebrauchen/ diese hohe Vereinigung
GOttes mit der Seelen etlicher massen dadurch
zubeschreiben. Unter welchen der heilige
Ber-
nard:
im Buche wie man GOtt lieben sol/ in
der mitten also spricht:
Gleich wie ein tropffen
Wassers in viel Wein gegossen von sich gantz zuverge-
hen scheint/ in dem es deß Weins geschmack und Wärm-
de an sich nimbt: Und wie ein feuriges glüendes Eysen
dem Feuer gantz und gar gleiche wird/ und seine alte und
eigentliche Gestalt außziehet: und wie die Lufft mit der
Sonnenlicht durchgossen in desselben Lichtes Klarheit
überformet wird; also gar daß sie nicht so wol Erleuch-
tet/ als das Liecht selber zu seyn scheinet: Also wird von-
nöthen seyn/ daß in den Heiligen alle Menschliche begier-
lichkeit auff unaußsprechliche weise von jhr selbst zer-
schmeltze/ und in Gottes willen gäntzlich eingegossen wer-
de: dann wie wolte sonst GOtt alles in allen seyn/ wenn
in dem Menschen noch etwas vom Menschen übrig wäre?
Und in dem 25. Cap. deß Buchs von der Liebe/
nach dem er eben diese Gleichnüsse angeführet
hatte/ spricht er darauff:
Also ist deß Menschen
Geist/ wann er mit Göttlicher Liebe angethan ist/ gantz
Liebe. Derowegen wer GOtt liebt/ ist jhm selbst Todt/
und in dem er GOtt alleine lebt/ machet er sich etlicher
massen (daß ich so rede) mit Wesentlich oder mitstän-
dig dem geliehten (consubstantiat sedilecto.) Denn so
die Seele Davies der Seelen Jonathe vereinigt ist;
oder so der welcher GOtt anhängt ein Geist mit ihm
wird: so gehet mit ohne ungleiches Urtheil der Vereini-
gung auff eine gewisse Art der mit Wesenheit die gantze

Begier-

Erinnerungs Vorrede
heiligen Vaͤtter von der Vereinigung der Son-
nen mit der Lufft/ deß Feuers mit dem Eyſen/
deß Weins mit dem Waſſer/ und was der glei-
chen/ ſich gebrauchen/ dieſe hohe Vereinigung
GOttes mit der Seelen etlicher maſſen dadurch
zubeſchreiben. Unter welchen der heilige
Ber-
nard:
im Buche wie man GOtt lieben ſol/ in
der mitten alſo ſpricht:
Gleich wie ein tropffen
Waſſers in viel Wein gegoſſen von ſich gantz zuverge-
hen ſcheint/ in dem es deß Weins geſchmack und Waͤrm-
de an ſich nimbt: Und wie ein feuriges gluͤendes Eyſen
dem Feuer gantz und gar gleiche wird/ und ſeine alte und
eigentliche Geſtalt außziehet: und wie die Lufft mit der
Sonnenlicht durchgoſſen in deſſelben Lichtes Klarheit
uͤberformet wird; alſo gar daß ſie nicht ſo wol Erleuch-
tet/ als das Liecht ſelber zu ſeyn ſcheinet: Alſo wird von-
noͤthen ſeyn/ daß in den Heiligen alle Menſchliche begier-
lichkeit auff unaußſprechliche weiſe von jhr ſelbſt zer-
ſchmeltze/ und in Gottes willen gaͤntzlich eingegoſſen wer-
de: dann wie wolte ſonſt GOtt alles in allen ſeyn/ wen̄
in dem Menſchen noch etwas vom Menſchẽ uͤbrig waͤre?
Und in dem 25. Cap. deß Buchs von der Liebe/
nach dem er eben dieſe Gleichnuͤſſe angefuͤhret
hatte/ ſpricht er darauff:
Alſo iſt deß Menſchen
Geiſt/ wann er mit Goͤttlicher Liebe angethan iſt/ gantz
Liebe. Derowegen wer GOtt liebt/ iſt jhm ſelbſt Todt/
und in dem er GOtt alleine lebt/ machet er ſich etlicher
maſſen (daß ich ſo rede) mit Weſentlich oder mitſtaͤn-
dig dem geliehten (conſubſtantiat ſedilecto.) Denn ſo
die Seele Davies der Seelen Jonathe vereinigt iſt;
oder ſo der welcher GOtt anhaͤngt ein Geiſt mit ihm
wird: ſo gehet mit ohne ungleiches Urtheil der Vereini-
gung auff eine gewiſſe Art der mit Weſenheit die gantze

Begier-
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[12/0018] Erinnerungs Vorrede heiligen Vaͤtter von der Vereinigung der Son- nen mit der Lufft/ deß Feuers mit dem Eyſen/ deß Weins mit dem Waſſer/ und was der glei- chen/ ſich gebrauchen/ dieſe hohe Vereinigung GOttes mit der Seelen etlicher maſſen dadurch zubeſchreiben. Unter welchen der heilige Ber- nard: im Buche wie man GOtt lieben ſol/ in der mitten alſo ſpricht: Gleich wie ein tropffen Waſſers in viel Wein gegoſſen von ſich gantz zuverge- hen ſcheint/ in dem es deß Weins geſchmack und Waͤrm- de an ſich nimbt: Und wie ein feuriges gluͤendes Eyſen dem Feuer gantz und gar gleiche wird/ und ſeine alte und eigentliche Geſtalt außziehet: und wie die Lufft mit der Sonnenlicht durchgoſſen in deſſelben Lichtes Klarheit uͤberformet wird; alſo gar daß ſie nicht ſo wol Erleuch- tet/ als das Liecht ſelber zu ſeyn ſcheinet: Alſo wird von- noͤthen ſeyn/ daß in den Heiligen alle Menſchliche begier- lichkeit auff unaußſprechliche weiſe von jhr ſelbſt zer- ſchmeltze/ und in Gottes willen gaͤntzlich eingegoſſen wer- de: dann wie wolte ſonſt GOtt alles in allen ſeyn/ wen̄ in dem Menſchen noch etwas vom Menſchẽ uͤbrig waͤre? Und in dem 25. Cap. deß Buchs von der Liebe/ nach dem er eben dieſe Gleichnuͤſſe angefuͤhret hatte/ ſpricht er darauff: Alſo iſt deß Menſchen Geiſt/ wann er mit Goͤttlicher Liebe angethan iſt/ gantz Liebe. Derowegen wer GOtt liebt/ iſt jhm ſelbſt Todt/ und in dem er GOtt alleine lebt/ machet er ſich etlicher maſſen (daß ich ſo rede) mit Weſentlich oder mitſtaͤn- dig dem geliehten (conſubſtantiat ſedilecto.) Denn ſo die Seele Davies der Seelen Jonathe vereinigt iſt; oder ſo der welcher GOtt anhaͤngt ein Geiſt mit ihm wird: ſo gehet mit ohne ungleiches Urtheil der Vereini- gung auff eine gewiſſe Art der mit Weſenheit die gantze Begier-

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/18>, abgerufen am 23.11.2024.