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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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Joh: Angeli vierdtes Buch
127. Die Wohnung GOttes.
GOtt wohnet in sich selbst/ sein Wesen ist sein Hauß:
Drumb gehet Er auch nie auß seiner GOttheit auß.
128. An den Weltliebenden.
Die Seele weil sie ist gemacht zur Ewigkeit/
Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieser Zeit:
Drumb wunder ich mich sehr/ daß du die Welt so liebst/
Und aufs zergängliche dich setzest und begiebst.
129. GOtt redt am wenigsten.
Niemandt redt weniger als GOtt ohn Zeit und ort:
Er spricht von Ewigkeit nur bloß Ein Eintzigs Wort.
130 Von der Eitelkeit.
Wend ab dein Angesicht vom glast der Eitelkeit:
Jemehr man jhn beschaut/ jemehr wird man verleitt.
Jedoch kehrs wider hin: denn wer jhn nicht betracht/
Der ist schon halb von jhm gefällt und umbgebracht.
131. Von der Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit ist weg! wohin? sie ist inn Himmel/
Warumm? sie traute sich nicht mehr bey dem Getümmel.
Was kont' jhr dann geschehn? sie wäre von der Welt
Schon längst an jhren Ehrn geschwächet und gefällt.
132. Verlust und Gewinn.
Der Tod ist mein Gewinn/ Verlust das lange Leben:
Und dennoch dank ich GOtt daß er mir diß gegeben.
Jch wachs' und nehme zu/ so lang ich hier noch bin:
Darumb ist auch gar wol das Leben mein Gewin.
133. Der Mensch ist eine Kohle.
Mensch du bist eine Kohl/ GOtt ist dein Feur und Licht:
Du bist schwartz/ finster/ kalt/ liegstu in Jhme nicht.
134. Die
Joh: Angeli vierdtes Buch
127. Die Wohnung GOttes.
GOtt wohnet in ſich ſelbſt/ ſein Weſen iſt ſein Hauß:
Drumb gehet Er auch nie auß ſeiner GOttheit auß.
128. An den Weltliebenden.
Die Seele weil ſie iſt gemacht zur Ewigkeit/
Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieſer Zeit:
Drumb wunder ich mich ſehr/ daß du die Welt ſo liebſt/
Und aufs zergaͤngliche dich ſetzeſt und begiebſt.
129. GOtt redt am wenigſten.
Niemandt redt weniger als GOtt ohn Zeit und ort:
Er ſpricht von Ewigkeit nur bloß Ein Eintzigs Wort.
130 Von der Eitelkeit.
Wend ab dein Angeſicht vom glaſt der Eitelkeit:
Jemehr man jhn beſchaut/ jemehr wird man verleitt.
Jedoch kehrs wider hin: denn wer jhn nicht betracht/
Der iſt ſchon halb von jhm gefaͤllt und umbgebracht.
131. Von der Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit iſt weg! wohin? ſie iſt inn Himmel/
Warum̄? ſie traute ſich nicht mehr bey dem Getuͤm̄el.
Was kont’ jhr dan̄ geſchehn? ſie waͤre von der Welt
Schon laͤngſt an jhren Ehrn geſchwaͤchet und gefaͤllt.
132. Verluſt und Gewinn.
Der Tod iſt mein Gewinn/ Verluſt das lange Leben:
Und dennoch dank ich GOtt daß er mir diß gegeben.
Jch wachs’ und nehme zu/ ſo lang ich hier noch bin:
Darumb iſt auch gar wol das Leben mein Gewin.
133. Der Menſch iſt eine Kohle.
Menſch du biſt eine Kohl/ GOtt iſt dein Feur un̄ Licht:
Du biſt ſchwartz/ finſter/ kalt/ liegſtu in Jhme nicht.
134. Die
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[149[150]/0156] Joh: Angeli vierdtes Buch 127. Die Wohnung GOttes. GOtt wohnet in ſich ſelbſt/ ſein Weſen iſt ſein Hauß: Drumb gehet Er auch nie auß ſeiner GOttheit auß. 128. An den Weltliebenden. Die Seele weil ſie iſt gemacht zur Ewigkeit/ Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieſer Zeit: Drumb wunder ich mich ſehr/ daß du die Welt ſo liebſt/ Und aufs zergaͤngliche dich ſetzeſt und begiebſt. 129. GOtt redt am wenigſten. Niemandt redt weniger als GOtt ohn Zeit und ort: Er ſpricht von Ewigkeit nur bloß Ein Eintzigs Wort. 130 Von der Eitelkeit. Wend ab dein Angeſicht vom glaſt der Eitelkeit: Jemehr man jhn beſchaut/ jemehr wird man verleitt. Jedoch kehrs wider hin: denn wer jhn nicht betracht/ Der iſt ſchon halb von jhm gefaͤllt und umbgebracht. 131. Von der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit iſt weg! wohin? ſie iſt inn Himmel/ Warum̄? ſie traute ſich nicht mehr bey dem Getuͤm̄el. Was kont’ jhr dan̄ geſchehn? ſie waͤre von der Welt Schon laͤngſt an jhren Ehrn geſchwaͤchet und gefaͤllt. 132. Verluſt und Gewinn. Der Tod iſt mein Gewinn/ Verluſt das lange Leben: Und dennoch dank ich GOtt daß er mir diß gegeben. Jch wachs’ und nehme zu/ ſo lang ich hier noch bin: Darumb iſt auch gar wol das Leben mein Gewin. 133. Der Menſch iſt eine Kohle. Menſch du biſt eine Kohl/ GOtt iſt dein Feur un̄ Licht: Du biſt ſchwartz/ finſter/ kalt/ liegſtu in Jhme nicht. 134. Die

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 149[150]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/156>, abgerufen am 28.04.2024.