Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Andertes Buch. 60. Vom lieben. Mensch wilst-und liebstu nichts/ so wilst und Liebstu wol: Wer gleich liebt was er wil/ liebt doch nicht was er sol. 61. Wer sich verläst/ findt GOtt. Wer sich verlohren hat/ und von sich selbst entbunden/ Der hat GOtt seinen Trost/ und seinen Heyland funden. 62. Jn beiden muß man seyn. Mein GOtt wie kalt bin ich! Ach laß mich doch er- warmen Jn deiner Menschheit Schoß/ und deiner GOttheit armen! 63. Der taube hört daß Wort. Freund glaub es oder nicht: ich hör' in jedem nu/ Wann ich bin taub und Stumm dem Ewgen Worte zu. 64. Ein Seufftzer saget alles. Wenn meine Seel erseufftzt/ * und Ach und O schreyt hin: So ruffet sie in sich jhr End und Anbegin. * a & o 65. Die Ewigkeit wird nicht gemässen. Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren/ Tagen/ Stunden: Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunet gefunden! 66. Eins hilfft dem andren fort. Mein Heyland der ist Gott/ und ich der andren dinge: Jm fall sie sich in mich/ und ich in Jhn mich schwinge. 67. Die Abgeschiedenheit. Weil Abgeschiedenheit sich niemand macht gemein: So muß sie ohne sucht und eine Jungfrau sein. 68. Mit
Andertes Buch. 60. Vom lieben. Menſch wilſt-uñ liebſtu nichts/ ſo wilſt uñ Liebſtu wol: Wer gleich liebt was er wil/ liebt doch nicht was er ſol. 61. Wer ſich verlaͤſt/ findt GOtt. Wer ſich verlohren hat/ und von ſich ſelbſt entbunden/ Der hat GOtt ſeinen Troſt/ und ſeinen Heyland funden. 62. Jn beiden muß man ſeyn. Mein GOtt wie kalt bin ich! Ach laß mich doch er- warmen Jn deiner Menſchheit Schoß/ und deiner GOttheit armen! 63. Der taube hoͤrt daß Wort. Freund glaub es oder nicht: ich hoͤr’ in jedem nu/ Wann ich bin taub und Stumm dem Ewgen Worte zu. 64. Ein Seufftzer ſaget alles. Wenn meine Seel erſeufftzt/ * und Ach und O ſchreyt hin: So ruffet ſie in ſich jhr End und Anbegin. * α & ω 65. Die Ewigkeit wird nicht gemaͤſſen. Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren/ Tagen/ Stunden: Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunet gefunden! 66. Eins hilfft dem andren fort. Mein Heyland der iſt Gott/ uñ ich der andren dinge: Jm fall ſie ſich in mich/ und ich in Jhn mich ſchwinge. 67. Die Abgeſchiedenheit. Weil Abgeſchiedenheit ſich niemand macht gemein: So muß ſie ohne ſucht und eine Jungfrau ſein. 68. Mit
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Andertes Buch.
60. Vom lieben.
Menſch wilſt-uñ liebſtu nichts/ ſo wilſt uñ Liebſtu wol:
Wer gleich liebt was er wil/ liebt doch nicht was er ſol.
61. Wer ſich verlaͤſt/ findt GOtt.
Wer ſich verlohren hat/ und von ſich ſelbſt entbunden/
Der hat GOtt ſeinen Troſt/ und ſeinen Heyland
funden.
62. Jn beiden muß man ſeyn.
Mein GOtt wie kalt bin ich! Ach laß mich doch er-
warmen
Jn deiner Menſchheit Schoß/ und deiner GOttheit
armen!
63. Der taube hoͤrt daß Wort.
Freund glaub es oder nicht: ich hoͤr’ in jedem nu/
Wann ich bin taub und Stumm dem Ewgen
Worte zu.
64. Ein Seufftzer ſaget alles.
Wenn meine Seel erſeufftzt/
*
und Ach und O ſchreyt
hin:
So ruffet ſie in ſich jhr End und Anbegin.
* α & ω
65. Die Ewigkeit wird nicht gemaͤſſen.
Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren/ Tagen/
Stunden:
Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunet gefunden!
66. Eins hilfft dem andren fort.
Mein Heyland der iſt Gott/ uñ ich der andren dinge:
Jm fall ſie ſich in mich/ und ich in Jhn mich ſchwinge.
67. Die Abgeſchiedenheit.
Weil Abgeſchiedenheit ſich niemand macht gemein:
So muß ſie ohne ſucht und eine Jungfrau ſein.
68. Mit
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 65[63]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/69>, abgerufen am 06.07.2024. |