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Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

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Erstes Buch.
65. Armut ist Göttlich.
Gott ist daß ärmste ding/ Er steht gantz bloß und frey:
Drumb sag ich recht und wol/ daß armut Göttlich sey.
66. Mein Hertz ist GOttes Herd.
Wo GOtt ein Fewer ist/ so ist mein Hertz der Herd/
Auf welchem Er daß Holtz der Eittelkeit verzehrt.
67. Daß Kind schreyt nach der Mutter.
Wie ein entmilchtes Kind nach seiner Mutter weint:
So schreyt die Seel nach GOtt/ die Jhn alleine
meint.
68. Ein Abgrund rufft dem andern.
Der Abgrund meines Geists/ rufft jmmer mit Geschrey/
Den Abgrund GOttes an? Sag welcher tieffer sey.
69. Milch mit Wein stärket fein.
Die Menschheit ist die Milch/ die GOttheit ist der
Wein.
Trink Milch mit Wein vermischt/ wiltu gestärket sein.
70. Die Liebe:
Die Lieb' ist vnser GOtt/ es lebet als durch Liebe:
Wie seelig wär' ein Mensch der stäts in jhr verbliebe!
71. Man muß daß Wesen sein.
Lieb' üben hat vil Müh: wir sollen nicht allein
Nur Lieben: sondern selbst/ wie GOtt die Liebe seyn.
72. Wie sicht man GOtt?
Gott wohnt in einem Liecht/ zu dem die bahn gebricht:
Wer es nicht selber wird/ der siht jhn Ewig nicht.
73. Der Mensch war GOttes Leben.
Eh ich noch etwas ward/ da war ich GOttes Leben:*
Drumm hat er auch für mich sich gantz und gar gegeben.
* Joh. 1. Quod factum est in ipso, vita erat.
74. Man
B 4
Erſtes Buch.
65. Armut iſt Goͤttlich.
Gott iſt daß aͤrmſte ding/ Er ſteht gantz bloß uñ frey:
Drumb ſag ich recht und wol/ daß armut Goͤttlich ſey.
66. Mein Hertz iſt GOttes Herd.
Wo GOtt ein Fewer iſt/ ſo iſt mein Hertz der Herd/
Auf welchem Er daß Holtz der Eittelkeit verzehrt.
67. Daß Kind ſchreyt nach der Mutter.
Wie ein entmilchtes Kind nach ſeiner Mutter weint:
So ſchreyt die Seel nach GOtt/ die Jhn alleine
meint.
68. Ein Abgrund rufft dem andern.
Der Abgrund meines Geiſts/ rufft jm̃er mit Geſchrey/
Den Abgrund GOttes an? Sag welcher tieffer ſey.
69. Milch mit Wein ſtaͤrket fein.
Die Menſchheit iſt die Milch/ die GOttheit iſt der
Wein.
Trink Milch mit Wein veꝛmiſcht/ wiltu geſtaͤrket ſein.
70. Die Liebe:
Die Lieb’ iſt vnſer GOtt/ es lebet als durch Liebe:
Wie ſeelig waͤr’ ein Menſch der ſtaͤts in jhr verbliebe!
71. Man muß daß Weſen ſein.
Lieb’ uͤben hat vil Muͤh: wir ſollen nicht allein
Nur Lieben: ſondern ſelbſt/ wie GOtt die Liebe ſeyn.
72. Wie ſicht man GOtt?
Gott wohnt in einem Liecht/ zu dem die bahn gebricht:
Wer es nicht ſelber wird/ der ſiht jhn Ewig nicht.
73. Der Menſch war GOttes Leben.
Eh ich noch etwas ward/ da war ich GOttes Leben:*
Drum̃ hat er auch fuͤr mich ſich gantz und gar gegeben.
* Joh. 1. Quod factum eſt in ipſo, vita erat.
74. Man
B 4
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[31[29]/0035] Erſtes Buch. 65. Armut iſt Goͤttlich. Gott iſt daß aͤrmſte ding/ Er ſteht gantz bloß uñ frey: Drumb ſag ich recht und wol/ daß armut Goͤttlich ſey. 66. Mein Hertz iſt GOttes Herd. Wo GOtt ein Fewer iſt/ ſo iſt mein Hertz der Herd/ Auf welchem Er daß Holtz der Eittelkeit verzehrt. 67. Daß Kind ſchreyt nach der Mutter. Wie ein entmilchtes Kind nach ſeiner Mutter weint: So ſchreyt die Seel nach GOtt/ die Jhn alleine meint. 68. Ein Abgrund rufft dem andern. Der Abgrund meines Geiſts/ rufft jm̃er mit Geſchrey/ Den Abgrund GOttes an? Sag welcher tieffer ſey. 69. Milch mit Wein ſtaͤrket fein. Die Menſchheit iſt die Milch/ die GOttheit iſt der Wein. Trink Milch mit Wein veꝛmiſcht/ wiltu geſtaͤrket ſein. 70. Die Liebe: Die Lieb’ iſt vnſer GOtt/ es lebet als durch Liebe: Wie ſeelig waͤr’ ein Menſch der ſtaͤts in jhr verbliebe! 71. Man muß daß Weſen ſein. Lieb’ uͤben hat vil Muͤh: wir ſollen nicht allein Nur Lieben: ſondern ſelbſt/ wie GOtt die Liebe ſeyn. 72. Wie ſicht man GOtt? Gott wohnt in einem Liecht/ zu dem die bahn gebricht: Wer es nicht ſelber wird/ der ſiht jhn Ewig nicht. 73. Der Menſch war GOttes Leben. Eh ich noch etwas ward/ da war ich GOttes Leben: * Drum̃ hat er auch fuͤr mich ſich gantz und gar gegeben. * Joh. 1. Quod factum eſt in ipſo, vita erat. 74. Man B 4

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 31[29]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/35>, abgerufen am 21.11.2024.