Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Johannis Angeli 36. Kein Todt ist ohn ein Leben. Jch sag es stirbet nichts: nur daß ein ander Leben/ Auch selbst daß Peinliche/ wird durch den Tod gegeben. 37. Die Unruh kombt von dir. Nichts ist daß dich bewegt/ du seibet bist daß Rad/ Das auß sich selbsten laufft/ und keine Ruhe hat. 38. Gleichschätzung machet Ruh. Wann du die Dinge nimbst ohn allen unterscheid: So bleibstu still und gleich/ in Lieb vnd auch in Leyd. 39. Die Unvollkommne gelassenheit. Wer in der Hölle nicht kan ohne Hölle leben/ Der hat sich noch nicht gantz dem Höchsten übergeben. 40. GOtt ist daß was Er wil. GOtt ist ein Wunderding: Er ist daß was Er wil/ Und wil daß was Er ist ohn alle maß und Ziehl. 41. GOtt weiß jhm selbst kein Ende. GOtt ist unendlich Hoch/ (Mensch glaube daß be- hände)/ Er selbst findt Ewiglich nicht seiner GOttheit Ende. 42. Wie gründt sich GOtt? GOtt gründt sich ohne grund/ und meßt sich ohne maß! Bistu ein Geist mit jhm/ Mensch so verstehstu daß. 43. Man liebt auch ohn erkennen. Jch Lieb ein eintzig Ding/ und weiß nicht was es ist: Und weil ich es nicht weiß/ drumb hab ich es erkist. 44. Daß etwas muß man lassen. Mensch so [d]u Etwas liebst/ so liebstu nichts fürwahr: GOtt ist nicht diß und daß/ drumb laß daß Etwas gar. 45. Daß Vermögende Unvermögen. Wer nichts begehrt/ nichts hat/ nichts weiß/ nichts liebt/ nichts wil. Der hat/ der weiß/ begehrt/ und liebt noch jmmer vil 46. Daß.
Johannis Angeli 36. Kein Todt iſt ohn ein Leben. Jch ſag es ſtirbet nichts: nur daß ein ander Leben/ Auch ſelbſt daß Peinliche/ wird durch den Tod gegebẽ. 37. Die Unruh kombt von dir. Nichts iſt daß dich bewegt/ du ſeibet biſt daß Rad/ Das auß ſich ſelbſten laufft/ und keine Ruhe hat. 38. Gleichſchaͤtzung machet Ruh. Wann du die Dinge nimbſt ohn allen unterſcheid: So bleibſtu ſtill und gleich/ in Lieb vnd auch in Leyd. 39. Die Unvollkom̃ne gelaſſenheit. Wer in der Hoͤlle nicht kan ohne Hoͤlle leben/ Der hat ſich noch nicht gantz dem Hoͤchſten uͤbergeben. 40. GOtt iſt daß was Er wil. GOtt iſt ein Wunderding: Er iſt daß was Er wil/ Und wil daß was Er iſt ohn alle maß und Ziehl. 41. GOtt weiß jhm ſelbſt kein Ende. GOtt iſt unendlich Hoch/ (Menſch glaube daß be- haͤnde)/ Er ſelbſt findt Ewiglich nicht ſeiner GOttheit Ende. 42. Wie gruͤndt ſich GOtt? GOtt gruͤndt ſich ohne grund/ und meßt ſich ohne maß! Biſtu ein Geiſt mit jhm/ Menſch ſo verſtehſtu daß. 43. Man liebt auch ohn erkennen. Jch Lieb ein eintzig Ding/ und weiß nicht was es iſt: Und weil ich es nicht weiß/ drumb hab ich es erkiſt. 44. Daß etwas muß man laſſen. Menſch ſo [d]u Etwas liebſt/ ſo liebſtu nichts fuͤrwahr: GOtt iſt nicht diß uñ daß/ drumb laß daß Etwas gar. 45. Daß Vermoͤgende Unvermoͤgen. Wer nichts begehrt/ nichts hat/ nichts weiß/ nichtſ liebt/ nichts wil. Der hat/ der weiß/ begehrt/ und liebt noch jmmer vil 46. Daß.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0032" n="28[26]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Johannis Angeli</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">36. Kein Todt iſt ohn ein Leben.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Jch ſag es ſtirbet nichts: nur daß ein ander Leben/</l><lb/> <l>Auch ſelbſt daß Peinliche/ wird durch den Tod gegebẽ.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">37. Die Unruh kombt von dir.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Nichts iſt daß dich bewegt/ du ſeibet biſt daß Rad/</l><lb/> <l>Das auß ſich ſelbſten laufft/ und keine Ruhe hat.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">38. Gleichſchaͤtzung machet Ruh.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Wann du die Dinge nimbſt ohn allen unterſcheid:</l><lb/> <l>So bleibſtu ſtill und gleich/ in Lieb vnd auch in Leyd.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">39. Die Unvollkom̃ne gelaſſenheit.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Wer in der Hoͤlle nicht kan ohne Hoͤlle leben/</l><lb/> <l>Der hat ſich noch nicht gantz dem Hoͤchſten uͤbergeben.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">40. GOtt iſt daß was Er wil.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>GOtt iſt ein Wunderding: Er iſt daß was Er wil/</l><lb/> <l>Und wil daß was Er iſt ohn alle maß und Ziehl.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">41. GOtt weiß jhm ſelbſt kein Ende.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>GOtt iſt unendlich Hoch/ (Menſch glaube daß be-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">haͤnde)/</hi> </l><lb/> <l>Er ſelbſt findt Ewiglich nicht ſeiner GOttheit Ende.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">42. Wie gruͤndt ſich GOtt?</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>GOtt gruͤndt ſich ohne grund/ und meßt ſich ohne maß!</l><lb/> <l>Biſtu ein Geiſt mit jhm/ Menſch ſo verſtehſtu daß.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">43. Man liebt auch ohn erkennen.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Jch Lieb ein eintzig Ding/ und weiß nicht was es iſt:</l><lb/> <l>Und weil ich es nicht weiß/ drumb hab ich es erkiſt.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">44. Daß etwas muß man laſſen.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Menſch ſo <supplied>d</supplied>u Etwas liebſt/ ſo liebſtu nichts fuͤrwahr:</l><lb/> <l>GOtt iſt nicht diß uñ daß/ drumb laß daß Etwas gar.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">45. Daß Vermoͤgende Unvermoͤgen.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Wer nichts begehrt/ nichts hat/ nichts weiß/ nichtſ</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">liebt/ nichts wil.</hi> </l><lb/> <l>Der hat/ der weiß/ begehrt/ und liebt noch jmmer vil</l> </lg> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">46. Daß.</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [28[26]/0032]
Johannis Angeli
36. Kein Todt iſt ohn ein Leben.
Jch ſag es ſtirbet nichts: nur daß ein ander Leben/
Auch ſelbſt daß Peinliche/ wird durch den Tod gegebẽ.
37. Die Unruh kombt von dir.
Nichts iſt daß dich bewegt/ du ſeibet biſt daß Rad/
Das auß ſich ſelbſten laufft/ und keine Ruhe hat.
38. Gleichſchaͤtzung machet Ruh.
Wann du die Dinge nimbſt ohn allen unterſcheid:
So bleibſtu ſtill und gleich/ in Lieb vnd auch in Leyd.
39. Die Unvollkom̃ne gelaſſenheit.
Wer in der Hoͤlle nicht kan ohne Hoͤlle leben/
Der hat ſich noch nicht gantz dem Hoͤchſten uͤbergeben.
40. GOtt iſt daß was Er wil.
GOtt iſt ein Wunderding: Er iſt daß was Er wil/
Und wil daß was Er iſt ohn alle maß und Ziehl.
41. GOtt weiß jhm ſelbſt kein Ende.
GOtt iſt unendlich Hoch/ (Menſch glaube daß be-
haͤnde)/
Er ſelbſt findt Ewiglich nicht ſeiner GOttheit Ende.
42. Wie gruͤndt ſich GOtt?
GOtt gruͤndt ſich ohne grund/ und meßt ſich ohne maß!
Biſtu ein Geiſt mit jhm/ Menſch ſo verſtehſtu daß.
43. Man liebt auch ohn erkennen.
Jch Lieb ein eintzig Ding/ und weiß nicht was es iſt:
Und weil ich es nicht weiß/ drumb hab ich es erkiſt.
44. Daß etwas muß man laſſen.
Menſch ſo du Etwas liebſt/ ſo liebſtu nichts fuͤrwahr:
GOtt iſt nicht diß uñ daß/ drumb laß daß Etwas gar.
45. Daß Vermoͤgende Unvermoͤgen.
Wer nichts begehrt/ nichts hat/ nichts weiß/ nichtſ
liebt/ nichts wil.
Der hat/ der weiß/ begehrt/ und liebt noch jmmer vil
46. Daß.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk erschien 1675 in einer zweiten, um ei… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |