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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe
ich auch einmal etwas über todte rede. Jn diesen Ge-
genden ist es voller an den sogenannten Tschudischen Grä-
bern, wie an irgend einem andern von mir gesehenen
Orte. Einige derselben zeichnen sich besonders durch
ihre Höhe und starken Pfeiler aus. Jch hatte große
Lust den Jnhalt dieser Gräber zu sehen, fragte daher die
Kirgisen um ihre Erlaubniß dazu. Sie antworteten
mir, daß zwar nach ihren Gesetzen dergleichen nicht er-
laubt wäre, indessen, da diese Gräber von ganz verlo-
schenen Völkern herrührten und nicht von ihrer Nation
seyen, so wollten sie dann auch mir keine Hindernisse in
den Weg legen. Ja sie bezeigten selbst Neugler zu se-
hen was wohl diese Gräber enthalten möchten. Also
ohne weitern Zeitverlust machten wir uns, acht an der
Zahl, an ein nahe gelegenes, ansehnliches Grab. Zwey
Tage kostete uns diese Arbeit: Erstlich hatten wir eine
große Menge Steine aus einander zu werfen; dann folgte
eine Fuß hohe Lage schwarzer Dammerde, unter dieser
war bis auf den Boden des Grabes nichts wie klarer
Granit und Quarzgrieß, mit vieler Mica foliacea, wo-
von die hiesige ganze Gegend voll ist. Das Gewölbe
des Grabes war aus großen unbehauenen Granitplatten
zusammengesetzt, aber zusammengefallen. Nachdem
diese und eine Menge Sandes weggeräumt war, gerie-
then wir dann endlich auf das morsche Gerippe eines 6
jährigen Pferdes. Dieses Alter bestimmten die Kirgi-
sen aus den noch gut erhaltenen Zähnen. Seine Lage
war von Süden gegen Norden; weder Sattel noch sonst
einiges Lederzeug war zu finden. Endlich, nach sorgfäl-

tig

Sievers Briefe
ich auch einmal etwas uͤber todte rede. Jn dieſen Ge-
genden iſt es voller an den ſogenannten Tſchudiſchen Graͤ-
bern, wie an irgend einem andern von mir geſehenen
Orte. Einige derſelben zeichnen ſich beſonders durch
ihre Hoͤhe und ſtarken Pfeiler aus. Jch hatte große
Luſt den Jnhalt dieſer Graͤber zu ſehen, fragte daher die
Kirgiſen um ihre Erlaubniß dazu. Sie antworteten
mir, daß zwar nach ihren Geſetzen dergleichen nicht er-
laubt waͤre, indeſſen, da dieſe Graͤber von ganz verlo-
ſchenen Voͤlkern herruͤhrten und nicht von ihrer Nation
ſeyen, ſo wollten ſie dann auch mir keine Hinderniſſe in
den Weg legen. Ja ſie bezeigten ſelbſt Neugler zu ſe-
hen was wohl dieſe Graͤber enthalten moͤchten. Alſo
ohne weitern Zeitverluſt machten wir uns, acht an der
Zahl, an ein nahe gelegenes, anſehnliches Grab. Zwey
Tage koſtete uns dieſe Arbeit: Erſtlich hatten wir eine
große Menge Steine aus einander zu werfen; dann folgte
eine Fuß hohe Lage ſchwarzer Dammerde, unter dieſer
war bis auf den Boden des Grabes nichts wie klarer
Granit und Quarzgrieß, mit vieler Mica foliacea, wo-
von die hieſige ganze Gegend voll iſt. Das Gewoͤlbe
des Grabes war aus großen unbehauenen Granitplatten
zuſammengeſetzt, aber zuſammengefallen. Nachdem
dieſe und eine Menge Sandes weggeraͤumt war, gerie-
then wir dann endlich auf das morſche Gerippe eines 6
jaͤhrigen Pferdes. Dieſes Alter beſtimmten die Kirgi-
ſen aus den noch gut erhaltenen Zaͤhnen. Seine Lage
war von Suͤden gegen Norden; weder Sattel noch ſonſt
einiges Lederzeug war zu finden. Endlich, nach ſorgfaͤl-

tig
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[196/0204] Sievers Briefe ich auch einmal etwas uͤber todte rede. Jn dieſen Ge- genden iſt es voller an den ſogenannten Tſchudiſchen Graͤ- bern, wie an irgend einem andern von mir geſehenen Orte. Einige derſelben zeichnen ſich beſonders durch ihre Hoͤhe und ſtarken Pfeiler aus. Jch hatte große Luſt den Jnhalt dieſer Graͤber zu ſehen, fragte daher die Kirgiſen um ihre Erlaubniß dazu. Sie antworteten mir, daß zwar nach ihren Geſetzen dergleichen nicht er- laubt waͤre, indeſſen, da dieſe Graͤber von ganz verlo- ſchenen Voͤlkern herruͤhrten und nicht von ihrer Nation ſeyen, ſo wollten ſie dann auch mir keine Hinderniſſe in den Weg legen. Ja ſie bezeigten ſelbſt Neugler zu ſe- hen was wohl dieſe Graͤber enthalten moͤchten. Alſo ohne weitern Zeitverluſt machten wir uns, acht an der Zahl, an ein nahe gelegenes, anſehnliches Grab. Zwey Tage koſtete uns dieſe Arbeit: Erſtlich hatten wir eine große Menge Steine aus einander zu werfen; dann folgte eine Fuß hohe Lage ſchwarzer Dammerde, unter dieſer war bis auf den Boden des Grabes nichts wie klarer Granit und Quarzgrieß, mit vieler Mica foliacea, wo- von die hieſige ganze Gegend voll iſt. Das Gewoͤlbe des Grabes war aus großen unbehauenen Granitplatten zuſammengeſetzt, aber zuſammengefallen. Nachdem dieſe und eine Menge Sandes weggeraͤumt war, gerie- then wir dann endlich auf das morſche Gerippe eines 6 jaͤhrigen Pferdes. Dieſes Alter beſtimmten die Kirgi- ſen aus den noch gut erhaltenen Zaͤhnen. Seine Lage war von Suͤden gegen Norden; weder Sattel noch ſonſt einiges Lederzeug war zu finden. Endlich, nach ſorgfaͤl- tig

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/204>, abgerufen am 23.11.2024.