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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe
standen mit ihren Jurten um einen etwa eine Werst lang
seyenden See mit süßem Wasser, dem Ballack-Tschi-
leck.
Die Eltern dieser Familie waren bereits vor et-
wa 6 Jahren in einem hohen Alter gestorben. Jch fand
hier alle mögliche gute Aufnahme.

Den 26sten Jul. Geschlafen hatte ich, wie ein Je-
der leicht gedenken kann, ganz vortrefflich. Beym Er-
wachen schaute ich umher und sah, daß ich in einem ganz
sonderbaren Thale mich befand. Um es näher zu un-
tersuchen, endigte ich das Frühstück sehr bald und lief
davon. Das sehr hohe Thal mag etwa 5 Werst in der
Länge und 3 in der Breite haben, es ist in NWesten
und Norden von einer Mauer gleichsam begränzt, die
aus ungeheuren röthlichen Granitblöcken hin und wieder
ganz senkrecht abgeschnitten, an andern Orten wiederum
aus aufgethürmten runden Blöcken besteht. Der größte
Theil des Bodens des Thales ist gleichsam mit 2, 4 bis
10 Faden langen Tafeln von eben der Steinart ausge-
pflastert, zwischen welchen sich hin und wieder noch ein-
zelne Aggregate von Granitblöcken oder Tafeln erheben.
Gegen Norden ist [von] der abhängigen Seite her ein 15
Faden langer, von der Natur gemachter 5 Faden brei-
ter Gang, dessen Wände steil auf gehen, und etwa 4
Faden hoch sind; in diesem Gange fließt ein kleiner kla-
rer Quell. Der Theil des Thales, wo der vorgenannte
See ist und die Jurten stehen, hat etwas Weide, und
besteht gänzlich aus zerriebenem Granitgrieß.

Zur Fütterung des Viehes müssen die Kirgisen das-
selbe 5 Werst weiter treiben, wo es an Weide nicht

fehlt.

Sievers Briefe
ſtanden mit ihren Jurten um einen etwa eine Werſt lang
ſeyenden See mit ſuͤßem Waſſer, dem Ballack-Tſchi-
leck.
Die Eltern dieſer Familie waren bereits vor et-
wa 6 Jahren in einem hohen Alter geſtorben. Jch fand
hier alle moͤgliche gute Aufnahme.

Den 26ſten Jul. Geſchlafen hatte ich, wie ein Je-
der leicht gedenken kann, ganz vortrefflich. Beym Er-
wachen ſchaute ich umher und ſah, daß ich in einem ganz
ſonderbaren Thale mich befand. Um es naͤher zu un-
terſuchen, endigte ich das Fruͤhſtuͤck ſehr bald und lief
davon. Das ſehr hohe Thal mag etwa 5 Werſt in der
Laͤnge und 3 in der Breite haben, es iſt in NWeſten
und Norden von einer Mauer gleichſam begraͤnzt, die
aus ungeheuren roͤthlichen Granitbloͤcken hin und wieder
ganz ſenkrecht abgeſchnitten, an andern Orten wiederum
aus aufgethuͤrmten runden Bloͤcken beſteht. Der groͤßte
Theil des Bodens des Thales iſt gleichſam mit 2, 4 bis
10 Faden langen Tafeln von eben der Steinart ausge-
pflaſtert, zwiſchen welchen ſich hin und wieder noch ein-
zelne Aggregate von Granitbloͤcken oder Tafeln erheben.
Gegen Norden iſt [von] der abhaͤngigen Seite her ein 15
Faden langer, von der Natur gemachter 5 Faden brei-
ter Gang, deſſen Waͤnde ſteil auf gehen, und etwa 4
Faden hoch ſind; in dieſem Gange fließt ein kleiner kla-
rer Quell. Der Theil des Thales, wo der vorgenannte
See iſt und die Jurten ſtehen, hat etwas Weide, und
beſteht gaͤnzlich aus zerriebenem Granitgrieß.

Zur Fuͤtterung des Viehes muͤſſen die Kirgiſen daſ-
ſelbe 5 Werſt weiter treiben, wo es an Weide nicht

fehlt.
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[192/0200] Sievers Briefe ſtanden mit ihren Jurten um einen etwa eine Werſt lang ſeyenden See mit ſuͤßem Waſſer, dem Ballack-Tſchi- leck. Die Eltern dieſer Familie waren bereits vor et- wa 6 Jahren in einem hohen Alter geſtorben. Jch fand hier alle moͤgliche gute Aufnahme. Den 26ſten Jul. Geſchlafen hatte ich, wie ein Je- der leicht gedenken kann, ganz vortrefflich. Beym Er- wachen ſchaute ich umher und ſah, daß ich in einem ganz ſonderbaren Thale mich befand. Um es naͤher zu un- terſuchen, endigte ich das Fruͤhſtuͤck ſehr bald und lief davon. Das ſehr hohe Thal mag etwa 5 Werſt in der Laͤnge und 3 in der Breite haben, es iſt in NWeſten und Norden von einer Mauer gleichſam begraͤnzt, die aus ungeheuren roͤthlichen Granitbloͤcken hin und wieder ganz ſenkrecht abgeſchnitten, an andern Orten wiederum aus aufgethuͤrmten runden Bloͤcken beſteht. Der groͤßte Theil des Bodens des Thales iſt gleichſam mit 2, 4 bis 10 Faden langen Tafeln von eben der Steinart ausge- pflaſtert, zwiſchen welchen ſich hin und wieder noch ein- zelne Aggregate von Granitbloͤcken oder Tafeln erheben. Gegen Norden iſt von der abhaͤngigen Seite her ein 15 Faden langer, von der Natur gemachter 5 Faden brei- ter Gang, deſſen Waͤnde ſteil auf gehen, und etwa 4 Faden hoch ſind; in dieſem Gange fließt ein kleiner kla- rer Quell. Der Theil des Thales, wo der vorgenannte See iſt und die Jurten ſtehen, hat etwas Weide, und beſteht gaͤnzlich aus zerriebenem Granitgrieß. Zur Fuͤtterung des Viehes muͤſſen die Kirgiſen daſ- ſelbe 5 Werſt weiter treiben, wo es an Weide nicht fehlt.

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/200>, abgerufen am 23.11.2024.