Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
schon gefüllt und auf dem Feuer. Längst den Ufern fin-
den sich reichlich verschiedene gemeine Weiden, Prunus
Padus, Betula alba, Populus tremula
und balsamifera;
weswegen wir hier nicht nöthig hatten Pferde- und Kuh-
mist zur Feuerung zu sammeln, welches doch gemeini-
glich der Fall zu seyn pflegte; aber auch hieran ist im
Sommer hier kein Mangel, denn die zahlreichen her-
umziehenden Heerden der Kirgisen versorgen hinlänglich
die Reisenden damit. An Steinarten bemerkte ich im
Ufer und im Flusse selbst folgende: röthliche Jaspisstücke
mit Quarzadern, zellöse Geschiebe mit Strahlgips und
Selenit, die vielleicht aus mergelartigen Erdschichten
hergespühlt seyn können; Jaspis-Geschiebe mit durch-
sezten weißen Quarzadern und mehrere gemeine Fluß-
Kiesel. Ein kleiner Regen und heftiger Wind kamen
mir bey meinen botanischen Beschäftigungen sehr zu
Statten; denn nun war ich frey von unwillkommnen
Gästen, ich meyne die Mücken und Moschki. Um 4 Uhr
Nachmittags verließen wir unsere Kirchhöfe und giengen
durch den nicht tiefen Dscharr-gurban, wo wir an der
entgegengesezten Seite auf einer Höhe wiederum 24
große und kleine kirgisische Grabhügel paßirten. Der
Fluß scheint mir beynahe bey den hiesigen Nomaden hei-
lig zu seyn, weil sie so gern ihre Todten und besonders
Vornehme auf seine Ufer einscharren. Wie ich denn unter
den so eben genannten Grabmählern einige recht große fand,
über welche man sogar nach rußischer Bauart Häuser-
chen gebauet, und selbige mit thoniger Erde überschmiert
hatte. Jn dem größten fand ich drey Gräber, wovon

beson-
H 4

aus Sibirien.
ſchon gefuͤllt und auf dem Feuer. Laͤngſt den Ufern fin-
den ſich reichlich verſchiedene gemeine Weiden, Prunus
Padus, Betula alba, Populus tremula
und balſamifera;
weswegen wir hier nicht noͤthig hatten Pferde- und Kuh-
miſt zur Feuerung zu ſammeln, welches doch gemeini-
glich der Fall zu ſeyn pflegte; aber auch hieran iſt im
Sommer hier kein Mangel, denn die zahlreichen her-
umziehenden Heerden der Kirgiſen verſorgen hinlaͤnglich
die Reiſenden damit. An Steinarten bemerkte ich im
Ufer und im Fluſſe ſelbſt folgende: roͤthliche Jaspisſtuͤcke
mit Quarzadern, zelloͤſe Geſchiebe mit Strahlgips und
Selenit, die vielleicht aus mergelartigen Erdſchichten
hergeſpuͤhlt ſeyn koͤnnen; Jaspis-Geſchiebe mit durch-
ſezten weißen Quarzadern und mehrere gemeine Fluß-
Kieſel. Ein kleiner Regen und heftiger Wind kamen
mir bey meinen botaniſchen Beſchaͤftigungen ſehr zu
Statten; denn nun war ich frey von unwillkommnen
Gaͤſten, ich meyne die Muͤcken und Moſchki. Um 4 Uhr
Nachmittags verließen wir unſere Kirchhoͤfe und giengen
durch den nicht tiefen Dſcharr-gurban, wo wir an der
entgegengeſezten Seite auf einer Hoͤhe wiederum 24
große und kleine kirgiſiſche Grabhuͤgel paßirten. Der
Fluß ſcheint mir beynahe bey den hieſigen Nomaden hei-
lig zu ſeyn, weil ſie ſo gern ihre Todten und beſonders
Vornehme auf ſeine Ufer einſcharren. Wie ich denn unter
den ſo eben genannten Grabmaͤhlern einige recht große fand,
uͤber welche man ſogar nach rußiſcher Bauart Haͤuſer-
chen gebauet, und ſelbige mit thoniger Erde uͤberſchmiert
hatte. Jn dem groͤßten fand ich drey Graͤber, wovon

beſon-
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0127" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chon gefu&#x0364;llt und auf dem Feuer. La&#x0364;ng&#x017F;t den Ufern fin-<lb/>
den &#x017F;ich reichlich ver&#x017F;chiedene gemeine Weiden, <hi rendition="#aq">Prunus<lb/>
Padus, Betula alba, Populus tremula</hi> und <hi rendition="#aq">bal&#x017F;amifera;</hi><lb/>
weswegen wir hier nicht no&#x0364;thig hatten Pferde- und Kuh-<lb/>
mi&#x017F;t zur Feuerung zu &#x017F;ammeln, welches doch gemeini-<lb/>
glich der Fall zu &#x017F;eyn pflegte; aber auch hieran i&#x017F;t im<lb/>
Sommer hier kein Mangel, denn die zahlreichen her-<lb/>
umziehenden Heerden der Kirgi&#x017F;en ver&#x017F;orgen hinla&#x0364;nglich<lb/>
die Rei&#x017F;enden damit. An Steinarten bemerkte ich im<lb/>
Ufer und im Flu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t folgende: ro&#x0364;thliche Jaspis&#x017F;tu&#x0364;cke<lb/>
mit Quarzadern, zello&#x0364;&#x017F;e Ge&#x017F;chiebe mit Strahlgips und<lb/>
Selenit, die vielleicht aus mergelartigen Erd&#x017F;chichten<lb/>
herge&#x017F;pu&#x0364;hlt &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen; Jaspis-Ge&#x017F;chiebe mit durch-<lb/>
&#x017F;ezten weißen Quarzadern und mehrere gemeine Fluß-<lb/>
Kie&#x017F;el. Ein kleiner Regen und heftiger Wind kamen<lb/>
mir bey meinen botani&#x017F;chen Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen &#x017F;ehr zu<lb/>
Statten; denn nun war ich frey von unwillkommnen<lb/>
Ga&#x0364;&#x017F;ten, ich meyne die Mu&#x0364;cken und Mo&#x017F;chki. Um 4 Uhr<lb/>
Nachmittags verließen wir un&#x017F;ere Kirchho&#x0364;fe und giengen<lb/>
durch den nicht tiefen D&#x017F;charr-gurban, wo wir an der<lb/>
entgegenge&#x017F;ezten Seite auf einer Ho&#x0364;he wiederum 24<lb/>
große und kleine kirgi&#x017F;i&#x017F;che Grabhu&#x0364;gel paßirten. Der<lb/>
Fluß &#x017F;cheint mir beynahe bey den hie&#x017F;igen Nomaden hei-<lb/>
lig zu &#x017F;eyn, weil &#x017F;ie &#x017F;o gern ihre Todten und be&#x017F;onders<lb/>
Vornehme auf &#x017F;eine Ufer ein&#x017F;charren. Wie ich denn unter<lb/>
den &#x017F;o eben genannten Grabma&#x0364;hlern einige recht große fand,<lb/>
u&#x0364;ber welche man &#x017F;ogar nach rußi&#x017F;cher Bauart Ha&#x0364;u&#x017F;er-<lb/>
chen gebauet, und &#x017F;elbige mit thoniger Erde u&#x0364;ber&#x017F;chmiert<lb/>
hatte. Jn dem gro&#x0364;ßten fand ich drey Gra&#x0364;ber, wovon<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;on-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0127] aus Sibirien. ſchon gefuͤllt und auf dem Feuer. Laͤngſt den Ufern fin- den ſich reichlich verſchiedene gemeine Weiden, Prunus Padus, Betula alba, Populus tremula und balſamifera; weswegen wir hier nicht noͤthig hatten Pferde- und Kuh- miſt zur Feuerung zu ſammeln, welches doch gemeini- glich der Fall zu ſeyn pflegte; aber auch hieran iſt im Sommer hier kein Mangel, denn die zahlreichen her- umziehenden Heerden der Kirgiſen verſorgen hinlaͤnglich die Reiſenden damit. An Steinarten bemerkte ich im Ufer und im Fluſſe ſelbſt folgende: roͤthliche Jaspisſtuͤcke mit Quarzadern, zelloͤſe Geſchiebe mit Strahlgips und Selenit, die vielleicht aus mergelartigen Erdſchichten hergeſpuͤhlt ſeyn koͤnnen; Jaspis-Geſchiebe mit durch- ſezten weißen Quarzadern und mehrere gemeine Fluß- Kieſel. Ein kleiner Regen und heftiger Wind kamen mir bey meinen botaniſchen Beſchaͤftigungen ſehr zu Statten; denn nun war ich frey von unwillkommnen Gaͤſten, ich meyne die Muͤcken und Moſchki. Um 4 Uhr Nachmittags verließen wir unſere Kirchhoͤfe und giengen durch den nicht tiefen Dſcharr-gurban, wo wir an der entgegengeſezten Seite auf einer Hoͤhe wiederum 24 große und kleine kirgiſiſche Grabhuͤgel paßirten. Der Fluß ſcheint mir beynahe bey den hieſigen Nomaden hei- lig zu ſeyn, weil ſie ſo gern ihre Todten und beſonders Vornehme auf ſeine Ufer einſcharren. Wie ich denn unter den ſo eben genannten Grabmaͤhlern einige recht große fand, uͤber welche man ſogar nach rußiſcher Bauart Haͤuſer- chen gebauet, und ſelbige mit thoniger Erde uͤberſchmiert hatte. Jn dem groͤßten fand ich drey Graͤber, wovon beſon- H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/127
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/127>, abgerufen am 23.11.2024.