Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

irdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie
bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elek-
tricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die, bei Ent-
ladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwan-
kungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken
Nordlichtern einigermassen beträchtlichen Ströme als veränder-
liche Elemente, welche den regelmässigen Dienst der benutzten
telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch
die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen,
so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweck-
mässige Construction der Apparate unschädlich machen. Die
unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung
durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse
aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben
ist nach bisherigen Erfahrungen fast als unbegrenzt zu betrachten,
während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Ver-
lauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden
und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach
und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen
übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen
nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich
vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen
unterirdischer Leitungen in regelmässiger Benutzung.

Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Er-
scheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung
zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung
dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin,
dass der isolirende Ueberzug der Drähte als colossale Leydener
Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtig-
keit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der
zwischen ihnen eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen
Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte
hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektro-
motorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional
ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt.
Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs- und Entladungs-
ströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese
Annahme finden alle, oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten,

irdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie
bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elek-
tricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die, bei Ent-
ladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwan-
kungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken
Nordlichtern einigermassen beträchtlichen Ströme als veränder-
liche Elemente, welche den regelmässigen Dienst der benutzten
telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch
die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen,
so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweck-
mässige Construction der Apparate unschädlich machen. Die
unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung
durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse
aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben
ist nach bisherigen Erfahrungen fast als unbegrenzt zu betrachten,
während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Ver-
lauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden
und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach
und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen
übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen
nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich
vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen
unterirdischer Leitungen in regelmässiger Benutzung.

Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Er-
scheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung
zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung
dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin,
dass der isolirende Ueberzug der Drähte als colossale Leydener
Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtig-
keit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der
zwischen ihnen eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen
Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte
hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektro-
motorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional
ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt.
Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs- und Entladungs-
ströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese
Annahme finden alle, oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="48"/>
irdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie<lb/>
bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elek-<lb/>
tricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die, bei Ent-<lb/>
ladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwan-<lb/>
kungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken<lb/>
Nordlichtern einigermassen beträchtlichen Ströme als veränder-<lb/>
liche Elemente, welche den regelmässigen Dienst der benutzten<lb/>
telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch<lb/>
die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen,<lb/>
so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweck-<lb/>
mässige Construction der Apparate unschädlich machen. Die<lb/>
unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung<lb/>
durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse<lb/>
aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben<lb/>
ist nach bisherigen Erfahrungen fast als unbegrenzt zu betrachten,<lb/>
während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Ver-<lb/>
lauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden<lb/>
und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach<lb/>
und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen<lb/>
übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen<lb/>
nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich<lb/>
vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen<lb/>
unterirdischer Leitungen in regelmässiger Benutzung.</p><lb/>
        <p>Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Er-<lb/>
scheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung<lb/>
zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung<lb/>
dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin,<lb/>
dass der isolirende Ueberzug der Drähte als colossale Leydener<lb/>
Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtig-<lb/>
keit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der<lb/>
zwischen ihnen eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen<lb/>
Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte<lb/>
hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektro-<lb/>
motorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional<lb/>
ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt.<lb/>
Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs- und Entladungs-<lb/>
ströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese<lb/>
Annahme finden alle, oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0066] irdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elek- tricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die, bei Ent- ladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwan- kungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken Nordlichtern einigermassen beträchtlichen Ströme als veränder- liche Elemente, welche den regelmässigen Dienst der benutzten telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen, so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweck- mässige Construction der Apparate unschädlich machen. Die unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben ist nach bisherigen Erfahrungen fast als unbegrenzt zu betrachten, während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Ver- lauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen unterirdischer Leitungen in regelmässiger Benutzung. Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Er- scheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin, dass der isolirende Ueberzug der Drähte als colossale Leydener Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtig- keit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der zwischen ihnen eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektro- motorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt. Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs- und Entladungs- ströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese Annahme finden alle, oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/66
Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/66>, abgerufen am 28.04.2024.