Zukunft die elektrische Beförderungskraft von wesentlicher Be- deutung sein.
Eine dritte Anwendung ist der Betrieb elektrischer Hoch- bahnen. Wir wissen ja, dass man in Amerika jetzt die elevated railroad oder Säulenbahn in grossen Städten vielfach baut; namentlich in New-York ist sie schon in bedeutenter Ausdeh- nung vorhanden. Als ich im Jahre 1867, während der Pariser Ausstellung, einem höheren Eisenbahn-Fachmann meinen Plan mittheilte, Eisenbahnen auf freistehenden eisernen Säulen durch die Strassen Berlins zu bauen und dieselben elektrisch zu be- treiben, da erschien derselbe ihm mit Recht als eine kaum reali- sirbare Idee. Aber jetzt, nachdem die Amerikaner sie factisch durchgeführt haben, seitdem dort sogar schwere Locomotiven und volle Züge oben über die Säulen hinweglaufen und doch noch kein Unglücksfall dabei vorgekommen ist, kann man schon mit grösserem Vertrauen darauf eingehen. Meinerseits halte ich es für eine Grossstadt für eine absolute Nothwendigkeit, ausser den Strassenflächen für die Wagen und Fussgänger noch eine zweite Communicationsetage für den schnellen Ver- kehr zu haben. Sie sehen, wie mit dem steigenden Verkehr sich unsere belebteren Strassen schon jetzt täg- lich mehr verstopfen, es ist oft kaum mehr durchzukommen und kein Constabler kann das ändern. Wie soll das werden nach 10, 20, 50 Jahren! Die Statistik über die Zunahme des Verkehrs berechtigt uns mit der vollsten Bestimmtheit zu sagen, dass die Strassenfläche demselben schon in der nächsten Zeit nicht mehr genügen kann. Eine Abhülfe muss gefunden werden, wenn das auf wachsenden Verkehr sich gründende grossstädtische Leben nicht verkümmern und die weitere Entwickelung der Reichshauptstadt nicht vollständig gehemmt werden soll. Es muss also nothwendig für Berlin ein neues Communicationsnetz für schnellen Personen- und Güterverkehr geschaffen werden, wel- ches den Strassenverkehr nicht hindert und durch ihn nicht ge- hindert wird. Dazu erhalten wir nun die Stadtbahn. Diese schliesst aber nur eine einzige mitten durch Berlin gehende Linie auf. Die in der Nähe derselben Wohnenden haben zwar den Vortheil nach zwei Richtungen hin fahren zu können; der Verkehr strebt aber nach allen Richtungen hin. Die Stadtbahn
Zukunft die elektrische Beförderungskraft von wesentlicher Be- deutung sein.
Eine dritte Anwendung ist der Betrieb elektrischer Hoch- bahnen. Wir wissen ja, dass man in Amerika jetzt die elevated railroad oder Säulenbahn in grossen Städten vielfach baut; namentlich in New-York ist sie schon in bedeutenter Ausdeh- nung vorhanden. Als ich im Jahre 1867, während der Pariser Ausstellung, einem höheren Eisenbahn-Fachmann meinen Plan mittheilte, Eisenbahnen auf freistehenden eisernen Säulen durch die Strassen Berlins zu bauen und dieselben elektrisch zu be- treiben, da erschien derselbe ihm mit Recht als eine kaum reali- sirbare Idee. Aber jetzt, nachdem die Amerikaner sie factisch durchgeführt haben, seitdem dort sogar schwere Locomotiven und volle Züge oben über die Säulen hinweglaufen und doch noch kein Unglücksfall dabei vorgekommen ist, kann man schon mit grösserem Vertrauen darauf eingehen. Meinerseits halte ich es für eine Grossstadt für eine absolute Nothwendigkeit, ausser den Strassenflächen für die Wagen und Fussgänger noch eine zweite Communicationsetage für den schnellen Ver- kehr zu haben. Sie sehen, wie mit dem steigenden Verkehr sich unsere belebteren Strassen schon jetzt täg- lich mehr verstopfen, es ist oft kaum mehr durchzukommen und kein Constabler kann das ändern. Wie soll das werden nach 10, 20, 50 Jahren! Die Statistik über die Zunahme des Verkehrs berechtigt uns mit der vollsten Bestimmtheit zu sagen, dass die Strassenfläche demselben schon in der nächsten Zeit nicht mehr genügen kann. Eine Abhülfe muss gefunden werden, wenn das auf wachsenden Verkehr sich gründende grossstädtische Leben nicht verkümmern und die weitere Entwickelung der Reichshauptstadt nicht vollständig gehemmt werden soll. Es muss also nothwendig für Berlin ein neues Communicationsnetz für schnellen Personen- und Güterverkehr geschaffen werden, wel- ches den Strassenverkehr nicht hindert und durch ihn nicht ge- hindert wird. Dazu erhalten wir nun die Stadtbahn. Diese schliesst aber nur eine einzige mitten durch Berlin gehende Linie auf. Die in der Nähe derselben Wohnenden haben zwar den Vortheil nach zwei Richtungen hin fahren zu können; der Verkehr strebt aber nach allen Richtungen hin. Die Stadtbahn
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Zukunft die elektrische Beförderungskraft von wesentlicher Be-
deutung sein.
Eine dritte Anwendung ist der Betrieb elektrischer Hoch-
bahnen. Wir wissen ja, dass man in Amerika jetzt die elevated
railroad oder Säulenbahn in grossen Städten vielfach baut;
namentlich in New-York ist sie schon in bedeutenter Ausdeh-
nung vorhanden. Als ich im Jahre 1867, während der Pariser
Ausstellung, einem höheren Eisenbahn-Fachmann meinen Plan
mittheilte, Eisenbahnen auf freistehenden eisernen Säulen durch
die Strassen Berlins zu bauen und dieselben elektrisch zu be-
treiben, da erschien derselbe ihm mit Recht als eine kaum reali-
sirbare Idee. Aber jetzt, nachdem die Amerikaner sie factisch
durchgeführt haben, seitdem dort sogar schwere Locomotiven
und volle Züge oben über die Säulen hinweglaufen und doch
noch kein Unglücksfall dabei vorgekommen ist, kann man schon
mit grösserem Vertrauen darauf eingehen. Meinerseits halte ich
es für eine Grossstadt für eine absolute Nothwendigkeit, ausser
den Strassenflächen für die Wagen und Fussgänger noch
eine zweite Communicationsetage für den schnellen Ver-
kehr zu haben. Sie sehen, wie mit dem steigenden
Verkehr sich unsere belebteren Strassen schon jetzt täg-
lich mehr verstopfen, es ist oft kaum mehr durchzukommen und
kein Constabler kann das ändern. Wie soll das werden
nach 10, 20, 50 Jahren! Die Statistik über die Zunahme des
Verkehrs berechtigt uns mit der vollsten Bestimmtheit zu sagen,
dass die Strassenfläche demselben schon in der nächsten Zeit
nicht mehr genügen kann. Eine Abhülfe muss gefunden werden,
wenn das auf wachsenden Verkehr sich gründende grossstädtische
Leben nicht verkümmern und die weitere Entwickelung der
Reichshauptstadt nicht vollständig gehemmt werden soll. Es
muss also nothwendig für Berlin ein neues Communicationsnetz für
schnellen Personen- und Güterverkehr geschaffen werden, wel-
ches den Strassenverkehr nicht hindert und durch ihn nicht ge-
hindert wird. Dazu erhalten wir nun die Stadtbahn. Diese
schliesst aber nur eine einzige mitten durch Berlin gehende
Linie auf. Die in der Nähe derselben Wohnenden haben zwar
den Vortheil nach zwei Richtungen hin fahren zu können; der
Verkehr strebt aber nach allen Richtungen hin. Die Stadtbahn
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/526>, abgerufen am 23.11.2024.
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