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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

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wurde durch diese von meinen Begleitern bestätigte Beobachtung
vollständig aufgeklärt. Nimmt man an, dass aus dem bis zu
grösserer Tiefe leeren oder mit losem Gerölle angefüllten Krater-
gange ein continuirlicher Strom brennbaren Gases hervorbricht,
so würde dieser, einmal entzündet, mit dem Sauerstoffe der at-
mosphärischen Luft als mächtige, wenn auch wenig leuchtende
Flamme verbrennen. Beim Beginn der vulcanischen Thätigkeit
wird aber der leere Krater mit atmosphärischer Luft gefüllt sein.
Tritt nun ein abermaliges Aufsteigen von Lava und damit ein
Emporströmen brennbaren Gases ein, so wird sich dieses leich-
tere und heisse Gas sehr schnell mit der darüber befindlichen,
kalten und schweren atmosphärischen Luft mischen und mit der-
selben ein explosives Gemenge bilden, welches dann durch mit-
gerissene glühende Lavatheile entzündet wird. Die Folge kann
eine mächtige Explosion sein, wie sie ja oft beim Beginn einer
Ausbruchsperiode beobachtet ist. Ist die Krateröffnung weit und
offen, so dass die atmosphärische Luft leichten Zugang zu dessen
Innerem hat, so wird häufig diese erste Explosion keine weiteren
im Gefolge haben, sondern es wird das nachströmende brennbare
Gas mit der continuirlich einfliessenden, schweren atmosphärischen
Luft ruhig in der Tiefe des Kraters verbrennen. Ist dagegen,
wie beim Vesuv der Fall war, die Krateröffnung eng, so dass
kein gleichzeitiges Aus- und Einströmen von Gasen und Luft
durch dieselbe stattfinden kann, so sind alle Bedingungen für
eine Reihe von Explosionen gegeben. Der durch die erste Ex-
plosion gebildete, stark erhitzte Wasserdampf wird zum grössten
Theile in grosser Geschwindigkeit aus der Oeffnung geworfen. Im
nächsten Momente wirken zwei Kräfte zusammen, um eine rela-
tive Leere im Krater zu erzeugen. Einmal wird der noch im
oberen Theile desselben befindliche Dampf seinen Weg in Folge
der Trägheit seiner Masse nach fortsetzen, wenn schon atmo-
sphärisches Gleichgewicht eingetreten ist, und dadurch im Krater
eine relative Leere erzeugen, und zweitens wird die in Folge
dessen nach der Explosion eintretende kalte Luft den noch zu-
rückgebliebenen Wasserdampf zum Theil condensiren und dadurch
ein weiteres Nachströmen von atmosphärischer Luft verursachen.
Diese einströmende Luft muss sich nun mit dem aus der Tiefe
regelmässig zuströmenden, brennbaren Gase um so schneller

wurde durch diese von meinen Begleitern bestätigte Beobachtung
vollständig aufgeklärt. Nimmt man an, dass aus dem bis zu
grösserer Tiefe leeren oder mit losem Gerölle angefüllten Krater-
gange ein continuirlicher Strom brennbaren Gases hervorbricht,
so würde dieser, einmal entzündet, mit dem Sauerstoffe der at-
mosphärischen Luft als mächtige, wenn auch wenig leuchtende
Flamme verbrennen. Beim Beginn der vulcanischen Thätigkeit
wird aber der leere Krater mit atmosphärischer Luft gefüllt sein.
Tritt nun ein abermaliges Aufsteigen von Lava und damit ein
Emporströmen brennbaren Gases ein, so wird sich dieses leich-
tere und heisse Gas sehr schnell mit der darüber befindlichen,
kalten und schweren atmosphärischen Luft mischen und mit der-
selben ein explosives Gemenge bilden, welches dann durch mit-
gerissene glühende Lavatheile entzündet wird. Die Folge kann
eine mächtige Explosion sein, wie sie ja oft beim Beginn einer
Ausbruchsperiode beobachtet ist. Ist die Krateröffnung weit und
offen, so dass die atmosphärische Luft leichten Zugang zu dessen
Innerem hat, so wird häufig diese erste Explosion keine weiteren
im Gefolge haben, sondern es wird das nachströmende brennbare
Gas mit der continuirlich einfliessenden, schweren atmosphärischen
Luft ruhig in der Tiefe des Kraters verbrennen. Ist dagegen,
wie beim Vesuv der Fall war, die Krateröffnung eng, so dass
kein gleichzeitiges Aus- und Einströmen von Gasen und Luft
durch dieselbe stattfinden kann, so sind alle Bedingungen für
eine Reihe von Explosionen gegeben. Der durch die erste Ex-
plosion gebildete, stark erhitzte Wasserdampf wird zum grössten
Theile in grosser Geschwindigkeit aus der Oeffnung geworfen. Im
nächsten Momente wirken zwei Kräfte zusammen, um eine rela-
tive Leere im Krater zu erzeugen. Einmal wird der noch im
oberen Theile desselben befindliche Dampf seinen Weg in Folge
der Trägheit seiner Masse nach fortsetzen, wenn schon atmo-
sphärisches Gleichgewicht eingetreten ist, und dadurch im Krater
eine relative Leere erzeugen, und zweitens wird die in Folge
dessen nach der Explosion eintretende kalte Luft den noch zu-
rückgebliebenen Wasserdampf zum Theil condensiren und dadurch
ein weiteres Nachströmen von atmosphärischer Luft verursachen.
Diese einströmende Luft muss sich nun mit dem aus der Tiefe
regelmässig zuströmenden, brennbaren Gase um so schneller

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[447/0469] wurde durch diese von meinen Begleitern bestätigte Beobachtung vollständig aufgeklärt. Nimmt man an, dass aus dem bis zu grösserer Tiefe leeren oder mit losem Gerölle angefüllten Krater- gange ein continuirlicher Strom brennbaren Gases hervorbricht, so würde dieser, einmal entzündet, mit dem Sauerstoffe der at- mosphärischen Luft als mächtige, wenn auch wenig leuchtende Flamme verbrennen. Beim Beginn der vulcanischen Thätigkeit wird aber der leere Krater mit atmosphärischer Luft gefüllt sein. Tritt nun ein abermaliges Aufsteigen von Lava und damit ein Emporströmen brennbaren Gases ein, so wird sich dieses leich- tere und heisse Gas sehr schnell mit der darüber befindlichen, kalten und schweren atmosphärischen Luft mischen und mit der- selben ein explosives Gemenge bilden, welches dann durch mit- gerissene glühende Lavatheile entzündet wird. Die Folge kann eine mächtige Explosion sein, wie sie ja oft beim Beginn einer Ausbruchsperiode beobachtet ist. Ist die Krateröffnung weit und offen, so dass die atmosphärische Luft leichten Zugang zu dessen Innerem hat, so wird häufig diese erste Explosion keine weiteren im Gefolge haben, sondern es wird das nachströmende brennbare Gas mit der continuirlich einfliessenden, schweren atmosphärischen Luft ruhig in der Tiefe des Kraters verbrennen. Ist dagegen, wie beim Vesuv der Fall war, die Krateröffnung eng, so dass kein gleichzeitiges Aus- und Einströmen von Gasen und Luft durch dieselbe stattfinden kann, so sind alle Bedingungen für eine Reihe von Explosionen gegeben. Der durch die erste Ex- plosion gebildete, stark erhitzte Wasserdampf wird zum grössten Theile in grosser Geschwindigkeit aus der Oeffnung geworfen. Im nächsten Momente wirken zwei Kräfte zusammen, um eine rela- tive Leere im Krater zu erzeugen. Einmal wird der noch im oberen Theile desselben befindliche Dampf seinen Weg in Folge der Trägheit seiner Masse nach fortsetzen, wenn schon atmo- sphärisches Gleichgewicht eingetreten ist, und dadurch im Krater eine relative Leere erzeugen, und zweitens wird die in Folge dessen nach der Explosion eintretende kalte Luft den noch zu- rückgebliebenen Wasserdampf zum Theil condensiren und dadurch ein weiteres Nachströmen von atmosphärischer Luft verursachen. Diese einströmende Luft muss sich nun mit dem aus der Tiefe regelmässig zuströmenden, brennbaren Gase um so schneller

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/469>, abgerufen am 22.11.2024.