Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

rückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eingehen
können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle,
Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Lei-
tungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann
beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer
Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B.
metallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente
Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede,
von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur
im reinen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des
Stromes oder vielleicht noch während seiner Dauer durch Wieder-
aufnahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte
man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen,
dass die Aetherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die
Stabilität der "latente Wärme haltigen" allotropen Molekular-
zustände aufheben und dadurch den activen oder metallischen
Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen.

An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes
auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen,
welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen,
sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung
zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie
reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel
besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren
frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische
Selenoberfläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der
metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Tem-
peratur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch
die dem Auge sichtbaren Strahlen des Spectrums und nicht
auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spectrums liegenden
chemischen und dunklen Wärmestrahlen ausgeübt wird, ist zwar
bisher nicht zu erklären. Vielleicht werden aber später ein-
gehendere Untersuchungen den Nachweis führen, dass jedem
Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Aetherwellen ent-
spricht, welche bei ihm das Maximum der chemischen Licht-
wirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität
der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten
durch Aetherschwingungen mittlerer, die der zusammengesetzten

rückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eingehen
können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle,
Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Lei-
tungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann
beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer
Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B.
metallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente
Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede,
von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur
im reinen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des
Stromes oder vielleicht noch während seiner Dauer durch Wieder-
aufnahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte
man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen,
dass die Aetherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die
Stabilität der „latente Wärme haltigen“ allotropen Molekular-
zustände aufheben und dadurch den activen oder metallischen
Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen.

An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes
auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen,
welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen,
sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung
zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie
reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel
besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren
frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische
Selenoberfläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der
metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Tem-
peratur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch
die dem Auge sichtbaren Strahlen des Spectrums und nicht
auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spectrums liegenden
chemischen und dunklen Wärmestrahlen ausgeübt wird, ist zwar
bisher nicht zu erklären. Vielleicht werden aber später ein-
gehendere Untersuchungen den Nachweis führen, dass jedem
Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Aetherwellen ent-
spricht, welche bei ihm das Maximum der chemischen Licht-
wirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität
der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten
durch Aetherschwingungen mittlerer, die der zusammengesetzten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0442" n="420"/>
rückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eingehen<lb/>
können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle,<lb/>
Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Lei-<lb/>
tungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann<lb/>
beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer<lb/>
Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B.<lb/>
metallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente<lb/>
Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede,<lb/>
von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur<lb/>
im reinen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des<lb/>
Stromes oder vielleicht noch während seiner Dauer durch Wieder-<lb/>
aufnahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte<lb/>
man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen,<lb/>
dass die Aetherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die<lb/>
Stabilität der &#x201E;latente Wärme haltigen&#x201C; allotropen Molekular-<lb/>
zustände aufheben und dadurch den activen oder metallischen<lb/>
Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen.</p><lb/>
        <p>An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes<lb/>
auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen,<lb/>
welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen,<lb/>
sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung<lb/>
zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie<lb/>
reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel<lb/>
besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren<lb/>
frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische<lb/>
Selenoberfläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der<lb/>
metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Tem-<lb/>
peratur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch<lb/>
die dem Auge sichtbaren Strahlen des Spectrums und nicht<lb/>
auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spectrums liegenden<lb/>
chemischen und dunklen Wärmestrahlen ausgeübt wird, ist zwar<lb/>
bisher nicht zu erklären. Vielleicht werden aber später ein-<lb/>
gehendere Untersuchungen den Nachweis führen, dass jedem<lb/>
Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Aetherwellen ent-<lb/>
spricht, welche bei ihm das Maximum der chemischen Licht-<lb/>
wirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität<lb/>
der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten<lb/>
durch Aetherschwingungen mittlerer, die der zusammengesetzten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0442] rückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eingehen können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle, Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Lei- tungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B. metallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede, von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur im reinen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des Stromes oder vielleicht noch während seiner Dauer durch Wieder- aufnahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen, dass die Aetherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die Stabilität der „latente Wärme haltigen“ allotropen Molekular- zustände aufheben und dadurch den activen oder metallischen Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen. An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen, welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen, sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische Selenoberfläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Tem- peratur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch die dem Auge sichtbaren Strahlen des Spectrums und nicht auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spectrums liegenden chemischen und dunklen Wärmestrahlen ausgeübt wird, ist zwar bisher nicht zu erklären. Vielleicht werden aber später ein- gehendere Untersuchungen den Nachweis führen, dass jedem Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Aetherwellen ent- spricht, welche bei ihm das Maximum der chemischen Licht- wirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten durch Aetherschwingungen mittlerer, die der zusammengesetzten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/442
Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/442>, abgerufen am 18.05.2024.