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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

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Ich bediente mich des Ausdrucks, sie sei mir unverständ-
lich geblieben, nur deshalb, weil ich glaubte, Hr. Edlund habe
den in derselben begangenen Fehler nur übersehen, und es sei
genügend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Da er aber die
Richtigkeit seiner Rechnung wiederholt aufrecht erhält und be-
hauptet, die meinige beweise nur seine Voraussetzung, so kann
ich ein näheres Eingehen auf die vorliegende, sehr einfache
physikalische Frage nicht ferner vermeiden.

Der Strom einer unconstanten Kette theilt sich in zwei
Zweige, von denen der eine die Leitung, der andere einen Zweig-
draht durchläuft. Dieser Zweigdraht hat in dem einen der beiden
betrachteten Fälle gleichen Widerstand wie die Leitung, im
anderen einen bedeutend geringeren. Die Kette ist im zweiten
Falle um so viel verstärkt, dass der anfängliche Linienstrom
eben so gross ist wie im ersten Falle. Hr. Edlund will nun
durch seine Rechnung beweisen, dass die Schwächung des Linien-
stroms durch die Polarisation der Kette in beiden Fällen ganz
gleich sei, obgleich die Polarisation proportional dem Strome der
Kette, mithin im zweiten Falle weit grösser sei wie im ersteren.
Er sagt in seinen "Bemerkungen" Bd. VIII, S. 636:

"Ist der Widerstand der Nebenschliessung dem der ganzen
Linie gleich, so geht die Hälfte des Stromes zur nächsten Station
über. Wir können mithin den ganzen Strom mit 2 und jeden
seiner beiden Theile mit 1 bezeichnen. Wird die Polarisation
der Kette mit 2p bezeichnet, so wird dadurch in dem nach der
entfernten Station gehenden Strome eine Schwächung erzeugt,
die gleich p ist" etc.

In diesem "gleich p" liegt der Irrthum der Rechnung. Die
Schwächung ist nicht gleich p, sondern proportional 2p. Ist also
im zweiten Falle die Polarisation gleich 2np, wie Hr. Edlund
annimmt, so verhalten sich die Stromschwächungen in beiden
Fällen wie 2p : 2np, mithin wie 1 : n oder wie die Stromstärken
der Kette.

Da diese, von mir in meinen "Bemerkungen" schon ausge-
führte Rechnung Hrn. Edlund nicht von der Unrichtigkeit der
seinigen überzeugt hat, so will ich das gesuchte Verhältniss der
Stromschwächungen noch in einer allgemeineren Form entwickeln.

Es sei s und s' die anfängliche und endliche Stromstärke

Ich bediente mich des Ausdrucks, sie sei mir unverständ-
lich geblieben, nur deshalb, weil ich glaubte, Hr. Edlund habe
den in derselben begangenen Fehler nur übersehen, und es sei
genügend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Da er aber die
Richtigkeit seiner Rechnung wiederholt aufrecht erhält und be-
hauptet, die meinige beweise nur seine Voraussetzung, so kann
ich ein näheres Eingehen auf die vorliegende, sehr einfache
physikalische Frage nicht ferner vermeiden.

Der Strom einer unconstanten Kette theilt sich in zwei
Zweige, von denen der eine die Leitung, der andere einen Zweig-
draht durchläuft. Dieser Zweigdraht hat in dem einen der beiden
betrachteten Fälle gleichen Widerstand wie die Leitung, im
anderen einen bedeutend geringeren. Die Kette ist im zweiten
Falle um so viel verstärkt, dass der anfängliche Linienstrom
eben so gross ist wie im ersten Falle. Hr. Edlund will nun
durch seine Rechnung beweisen, dass die Schwächung des Linien-
stroms durch die Polarisation der Kette in beiden Fällen ganz
gleich sei, obgleich die Polarisation proportional dem Strome der
Kette, mithin im zweiten Falle weit grösser sei wie im ersteren.
Er sagt in seinen „Bemerkungen“ Bd. VIII, S. 636:

„Ist der Widerstand der Nebenschliessung dem der ganzen
Linie gleich, so geht die Hälfte des Stromes zur nächsten Station
über. Wir können mithin den ganzen Strom mit 2 und jeden
seiner beiden Theile mit 1 bezeichnen. Wird die Polarisation
der Kette mit 2p bezeichnet, so wird dadurch in dem nach der
entfernten Station gehenden Strome eine Schwächung erzeugt,
die gleich p ist“ etc.

In diesem „gleich p“ liegt der Irrthum der Rechnung. Die
Schwächung ist nicht gleich p, sondern proportional 2p. Ist also
im zweiten Falle die Polarisation gleich 2np, wie Hr. Edlund
annimmt, so verhalten sich die Stromschwächungen in beiden
Fällen wie 2p : 2np, mithin wie 1 : n oder wie die Stromstärken
der Kette.

Da diese, von mir in meinen „Bemerkungen“ schon ausge-
führte Rechnung Hrn. Edlund nicht von der Unrichtigkeit der
seinigen überzeugt hat, so will ich das gesuchte Verhältniss der
Stromschwächungen noch in einer allgemeineren Form entwickeln.

Es sei s und s' die anfängliche und endliche Stromstärke

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[139/0157] Ich bediente mich des Ausdrucks, sie sei mir unverständ- lich geblieben, nur deshalb, weil ich glaubte, Hr. Edlund habe den in derselben begangenen Fehler nur übersehen, und es sei genügend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Da er aber die Richtigkeit seiner Rechnung wiederholt aufrecht erhält und be- hauptet, die meinige beweise nur seine Voraussetzung, so kann ich ein näheres Eingehen auf die vorliegende, sehr einfache physikalische Frage nicht ferner vermeiden. Der Strom einer unconstanten Kette theilt sich in zwei Zweige, von denen der eine die Leitung, der andere einen Zweig- draht durchläuft. Dieser Zweigdraht hat in dem einen der beiden betrachteten Fälle gleichen Widerstand wie die Leitung, im anderen einen bedeutend geringeren. Die Kette ist im zweiten Falle um so viel verstärkt, dass der anfängliche Linienstrom eben so gross ist wie im ersten Falle. Hr. Edlund will nun durch seine Rechnung beweisen, dass die Schwächung des Linien- stroms durch die Polarisation der Kette in beiden Fällen ganz gleich sei, obgleich die Polarisation proportional dem Strome der Kette, mithin im zweiten Falle weit grösser sei wie im ersteren. Er sagt in seinen „Bemerkungen“ Bd. VIII, S. 636: „Ist der Widerstand der Nebenschliessung dem der ganzen Linie gleich, so geht die Hälfte des Stromes zur nächsten Station über. Wir können mithin den ganzen Strom mit 2 und jeden seiner beiden Theile mit 1 bezeichnen. Wird die Polarisation der Kette mit 2p bezeichnet, so wird dadurch in dem nach der entfernten Station gehenden Strome eine Schwächung erzeugt, die gleich p ist“ etc. In diesem „gleich p“ liegt der Irrthum der Rechnung. Die Schwächung ist nicht gleich p, sondern proportional 2p. Ist also im zweiten Falle die Polarisation gleich 2np, wie Hr. Edlund annimmt, so verhalten sich die Stromschwächungen in beiden Fällen wie 2p : 2np, mithin wie 1 : n oder wie die Stromstärken der Kette. Da diese, von mir in meinen „Bemerkungen“ schon ausge- führte Rechnung Hrn. Edlund nicht von der Unrichtigkeit der seinigen überzeugt hat, so will ich das gesuchte Verhältniss der Stromschwächungen noch in einer allgemeineren Form entwickeln. Es sei s und s' die anfängliche und endliche Stromstärke

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/157>, abgerufen am 01.05.2024.