Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

Bild:
<< vorherige Seite
Das II. Capitel
Geburt die Schlösser nicht können gefühlet werden. So ist es
auch weder dir noch mir zu wissen nöhtig/ weil wir dabey keinen
Grund oder Nachricht haben können. Müßten sie sich auch von
sammen geben; so richtet sich doch der innere Mutter-Mund
nach den Schlössern/ und weiset uns den Grund/ wie eines bey
dem andern sich ergiebt/ darnach wir Wehe-Mütter uns richten
können und müssen/ wie ich dir schon gnugsahme Nachricht davon
gegeben habe. Warumb ich aber nicht glaube/ daß sich die Schlös-
ser auseinander geben können/ ist diß meine Ursache: Ich bin zu
sehr viel schweren Geburten/ so wol bey Adelichen/ als bey andern/
zu Hülffe geholet worden/ da Sie in harter und schwerer Geburt
drey und mehr Tage gearbeitet/ und die Weh-Mütter ihrer nicht
geschonet/ ja Sie so unvernünfftig tractiret haben/ daß sie den
Kindern mit Gewalt die Armen außgerissen/ auch wol die Beine/
welche ich in den Stuben gefunden/ weil Sie sie in der Angst von
sich geworffen/ und haben doch weiter nicht gekont. Wie ich der-
gleichen Oerter/ wo es geschehen/ nahmhafft machen könte/ wenn
es erfordert würde. Ja ich habe auch gefunden/ daß sie des Kin-
des Rippen vom Brustbein loß gerissen/ und sich damit in die Fin-
ger geschnitten. Sie haben mit Gewalt an denen loßgebrochenen
Rippen mit Tüchern gezogen/ und doch nicht helffen können/ in-
dem ihnen von der Wendung nichts bewust gewesen. Dieses und
mehrers ist mir unter Handen kommen/ dennoch hat mir der lie-
be GOtt allezeit die Kinder helffen von den Müttern bringen/ daß
Sie mir mit Freuden dafür gedancket haben. Es sind unter-
schiedene/ und zwar die meisten Mütter mit dem Leben davon kom-
men/ etliche aber auch/ die zu lange ohne rechte Hülfe haben lei-
den müssen/ sind nach gestorben. Wenn es nun möglich wäre/
daß sich die Knörpel zwischen den harten Beinen ziehen und von-
sammen geben müßten/ wie viel ungesunde Menschen würden bey
dergleichen schweren Geburten von unbescheidenen Wehe-Müt-
tern gemacht werden? Aber ich habe mein Tage keinen Bruch o-
der
Das II. Capitel
Geburt die Schloͤſſer nicht koͤnnen gefuͤhlet werden. So iſt es
auch weder dir noch mir zu wiſſen noͤhtig/ weil wir dabey keinen
Grund oder Nachricht haben koͤnnen. Muͤßten ſie ſich auch von
ſammen geben; ſo richtet ſich doch der innere Mutter-Mund
nach den Schloͤſſern/ und weiſet uns den Grund/ wie eines bey
dem andern ſich ergiebt/ darnach wir Wehe-Muͤtter uns richten
koͤnnen und muͤſſen/ wie ich dir ſchon gnugſahme Nachricht davon
gegeben habe. Warumb ich aber nicht glaube/ daß ſich die Schloͤſ-
ſer auseinander geben koͤnnen/ iſt diß meine Urſache: Ich bin zu
ſehr viel ſchweren Geburten/ ſo wol bey Adelichen/ als bey andern/
zu Huͤlffe geholet worden/ da Sie in harter und ſchwerer Geburt
drey und mehr Tage gearbeitet/ und die Weh-Muͤtter ihrer nicht
geſchonet/ ja Sie ſo unvernuͤnfftig tractiret haben/ daß ſie den
Kindern mit Gewalt die Armen außgeriſſen/ auch wol die Beine/
welche ich in den Stuben gefunden/ weil Sie ſie in der Angſt von
ſich geworffen/ und haben doch weiter nicht gekont. Wie ich der-
gleichen Oerter/ wo es geſchehen/ nahmhafft machen koͤnte/ wenn
es erfordert wuͤrde. Ja ich habe auch gefunden/ daß ſie des Kin-
des Rippen vom Bruſtbein loß geriſſen/ und ſich damit in die Fin-
ger geſchnitten. Sie haben mit Gewalt an denen loßgebrochenen
Rippen mit Tuͤchern gezogen/ und doch nicht helffen koͤnnen/ in-
dem ihnen von der Wendung nichts bewuſt geweſen. Dieſes und
mehrers iſt mir unter Handen kommen/ dennoch hat mir der lie-
be GOtt allezeit die Kinder helffen von den Muͤttern bringen/ daß
Sie mir mit Freuden dafuͤr gedancket haben. Es ſind unter-
ſchiedene/ und zwar die meiſten Muͤtter mit dem Leben davon kom-
men/ etliche aber auch/ die zu lange ohne rechte Huͤlfe haben lei-
den muͤſſen/ ſind nach geſtorben. Wenn es nun moͤglich waͤre/
daß ſich die Knoͤrpel zwiſchen den harten Beinen ziehen und von-
ſammen geben muͤßten/ wie viel ungeſunde Menſchen wuͤrden bey
dergleichen ſchweren Geburten von unbeſcheidenen Wehe-Muͤt-
tern gemacht werden? Aber ich habe mein Tage keinen Bruch o-
der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#just">
            <p><pb facs="#f0061" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Das</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Capitel</hi></fw><lb/>
Geburt die Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er nicht ko&#x0364;nnen gefu&#x0364;hlet werden. So i&#x017F;t es<lb/>
auch weder dir noch mir zu wi&#x017F;&#x017F;en no&#x0364;htig/ weil wir dabey keinen<lb/>
Grund oder Nachricht haben ko&#x0364;nnen. Mu&#x0364;ßten &#x017F;ie &#x017F;ich auch von<lb/>
&#x017F;ammen geben; &#x017F;o richtet &#x017F;ich doch der innere Mutter-Mund<lb/>
nach den Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern/ und wei&#x017F;et uns den Grund/ wie eines bey<lb/>
dem andern &#x017F;ich ergiebt/ darnach wir Wehe-Mu&#x0364;tter uns richten<lb/>
ko&#x0364;nnen und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ wie ich dir &#x017F;chon gnug&#x017F;ahme Nachricht davon<lb/>
gegeben habe. Warumb ich aber nicht glaube/ daß &#x017F;ich die Schlo&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er auseinander geben ko&#x0364;nnen/ i&#x017F;t diß meine Ur&#x017F;ache: Ich bin zu<lb/>
&#x017F;ehr viel &#x017F;chweren Geburten/ &#x017F;o wol bey Adelichen/ als bey andern/<lb/>
zu Hu&#x0364;lffe geholet worden/ da Sie in harter und &#x017F;chwerer Geburt<lb/>
drey und mehr Tage gearbeitet/ und die Weh-Mu&#x0364;tter ihrer nicht<lb/>
ge&#x017F;chonet/ ja Sie &#x017F;o unvernu&#x0364;nfftig <hi rendition="#aq">tracti</hi>ret haben/ daß &#x017F;ie den<lb/>
Kindern mit Gewalt die Armen außgeri&#x017F;&#x017F;en/ auch wol die Beine/<lb/>
welche ich in den Stuben gefunden/ weil Sie &#x017F;ie in der Ang&#x017F;t von<lb/>
&#x017F;ich geworffen/ und haben doch weiter nicht gekont. Wie ich der-<lb/>
gleichen Oerter/ wo es ge&#x017F;chehen/ nahmhafft machen ko&#x0364;nte/ wenn<lb/>
es erfordert wu&#x0364;rde. Ja ich habe auch gefunden/ daß &#x017F;ie des Kin-<lb/>
des Rippen vom Bru&#x017F;tbein loß geri&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;ich damit in die Fin-<lb/>
ger ge&#x017F;chnitten. Sie haben mit Gewalt an denen loßgebrochenen<lb/>
Rippen mit Tu&#x0364;chern gezogen/ und doch nicht helffen ko&#x0364;nnen/ in-<lb/>
dem ihnen von der Wendung nichts bewu&#x017F;t gewe&#x017F;en. Die&#x017F;es und<lb/>
mehrers i&#x017F;t mir unter Handen kommen/ dennoch hat mir der lie-<lb/>
be GOtt allezeit die Kinder helffen von den Mu&#x0364;ttern bringen/ daß<lb/>
Sie mir mit Freuden dafu&#x0364;r gedancket haben. Es &#x017F;ind unter-<lb/>
&#x017F;chiedene/ und zwar die mei&#x017F;ten Mu&#x0364;tter mit dem Leben davon kom-<lb/>
men/ etliche aber auch/ die zu lange ohne rechte Hu&#x0364;lfe haben lei-<lb/>
den mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ind nach ge&#x017F;torben. Wenn es nun mo&#x0364;glich wa&#x0364;re/<lb/>
daß &#x017F;ich die Kno&#x0364;rpel zwi&#x017F;chen den harten Beinen ziehen und von-<lb/>
&#x017F;ammen geben mu&#x0364;ßten/ wie viel unge&#x017F;unde Men&#x017F;chen wu&#x0364;rden bey<lb/>
dergleichen &#x017F;chweren Geburten von unbe&#x017F;cheidenen Wehe-Mu&#x0364;t-<lb/>
tern gemacht werden? Aber ich habe mein Tage keinen Bruch o-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0061] Das II. Capitel Geburt die Schloͤſſer nicht koͤnnen gefuͤhlet werden. So iſt es auch weder dir noch mir zu wiſſen noͤhtig/ weil wir dabey keinen Grund oder Nachricht haben koͤnnen. Muͤßten ſie ſich auch von ſammen geben; ſo richtet ſich doch der innere Mutter-Mund nach den Schloͤſſern/ und weiſet uns den Grund/ wie eines bey dem andern ſich ergiebt/ darnach wir Wehe-Muͤtter uns richten koͤnnen und muͤſſen/ wie ich dir ſchon gnugſahme Nachricht davon gegeben habe. Warumb ich aber nicht glaube/ daß ſich die Schloͤſ- ſer auseinander geben koͤnnen/ iſt diß meine Urſache: Ich bin zu ſehr viel ſchweren Geburten/ ſo wol bey Adelichen/ als bey andern/ zu Huͤlffe geholet worden/ da Sie in harter und ſchwerer Geburt drey und mehr Tage gearbeitet/ und die Weh-Muͤtter ihrer nicht geſchonet/ ja Sie ſo unvernuͤnfftig tractiret haben/ daß ſie den Kindern mit Gewalt die Armen außgeriſſen/ auch wol die Beine/ welche ich in den Stuben gefunden/ weil Sie ſie in der Angſt von ſich geworffen/ und haben doch weiter nicht gekont. Wie ich der- gleichen Oerter/ wo es geſchehen/ nahmhafft machen koͤnte/ wenn es erfordert wuͤrde. Ja ich habe auch gefunden/ daß ſie des Kin- des Rippen vom Bruſtbein loß geriſſen/ und ſich damit in die Fin- ger geſchnitten. Sie haben mit Gewalt an denen loßgebrochenen Rippen mit Tuͤchern gezogen/ und doch nicht helffen koͤnnen/ in- dem ihnen von der Wendung nichts bewuſt geweſen. Dieſes und mehrers iſt mir unter Handen kommen/ dennoch hat mir der lie- be GOtt allezeit die Kinder helffen von den Muͤttern bringen/ daß Sie mir mit Freuden dafuͤr gedancket haben. Es ſind unter- ſchiedene/ und zwar die meiſten Muͤtter mit dem Leben davon kom- men/ etliche aber auch/ die zu lange ohne rechte Huͤlfe haben lei- den muͤſſen/ ſind nach geſtorben. Wenn es nun moͤglich waͤre/ daß ſich die Knoͤrpel zwiſchen den harten Beinen ziehen und von- ſammen geben muͤßten/ wie viel ungeſunde Menſchen wuͤrden bey dergleichen ſchweren Geburten von unbeſcheidenen Wehe-Muͤt- tern gemacht werden? Aber ich habe mein Tage keinen Bruch o- der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/61
Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/61>, abgerufen am 25.11.2024.