Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

an den geneigten Leser.
schliessen von einem Medico: daß er nicht könne in ge-
fährlichen Kranckheiten gute Artzney und Rath geben;
darum weil er selbst an dergleichen nie kranck gewesen/
als wann er nicht durch unverdroßenen Fleiß/ lang-
wierige Erfahrung an vielen Krancken/ und vielfälti-
ge Ubung durch Gottes Gnade und Segen/ (ob er
nie gleich Schwind-Wassersucht/ Fieber/ oder andere
Kranckheiten ausgestanden/) glücklich curiren könte.
Wie offt weiß ein Medicus einem patienten seine Zufäl-
le gantz deutlich zu beschreiben/ die er doch nicht ge-
fühlet; sondern/ entweder aus der Wissenschafft/ oder
von andern fleißig angemercket hat. Ist es denn nicht
eben so möglich; daß eine Heb-Amme/ ob sie gleich kein
Kind gebohren/
doch durch fleißiges Nachfragen/
Handgriff und Nachsinnen/ nicht allein so wohl/ sondern
besser; als die Kinder zur Welt gebracht/ ur-
theilen und rathen könne.
Wie ungereimt wür-
de man schließen/ von einem Chirurgo: er könte keine
Wunde heilen/ keinen Bein- oder Arm-Bruch zu recht
bringen/ kein erstorbenes Glied ablösen/ weil er davon
keine Erfahrung an seinem eigen Leibe gehabt: da er
doch zu diesem geschicket/ wann er gnungsam Wissen-
schafft hat von dem Schaden/ und verstehet die Mittel/
sonderlich/ durch vielfältige Erfahrung in dergleichen
Schäden den rechten Grund gefasset.

Was dann in dergleichen Fälle der Augenschein und die
Erfahrung täglich giebet/ (daß auch Medici, die wenig ge-

kran-
):( 3

an den geneigten Leſer.
ſchlieſſen von einem Medico: daß er nicht koͤnne in ge-
faͤhrlichen Kranckheiten gute Artzney und Rath geben;
darum weil er ſelbſt an dergleichen nie kranck geweſen/
als wann er nicht durch unverdroßenen Fleiß/ lang-
wierige Erfahrung an vielen Krancken/ und vielfaͤlti-
ge Ubung durch Gottes Gnade und Segen/ (ob er
nie gleich Schwind-Waſſerſucht/ Fieber/ oder andere
Kranckheiten ausgeſtanden/) gluͤcklich curiren koͤnte.
Wie offt weiß ein Medicus einem patienten ſeine Zufaͤl-
le gantz deutlich zu beſchreiben/ die er doch nicht ge-
fuͤhlet; ſondern/ entweder aus der Wiſſenſchafft/ oder
von andern fleißig angemercket hat. Iſt es denn nicht
eben ſo möglich; daß eine Heb-Am̃e/ ob ſie gleich kein
Kind gebohren/
doch durch fleißiges Nachfragen/
Handgriff und Nachſiñen/ nicht allein ſo wohl/ ſondern
beſſer; als die Kinder zur Welt gebracht/ ur-
theilen und rathen koͤnne.
Wie ungereimt wuͤr-
de man ſchließen/ von einem Chirurgo: er koͤnte keine
Wunde heilen/ keinen Bein- oder Arm-Bruch zu recht
bringen/ kein erſtorbenes Glied abloͤſen/ weil er davon
keine Erfahrung an ſeinem eigen Leibe gehabt: da er
doch zu dieſem geſchicket/ wann er gnungſam Wiſſen-
ſchafft hat von dem Schaden/ und verſtehet die Mittel/
ſonderlich/ durch vielfaͤltige Erfahrung in dergleichen
Schaͤden den rechten Grund gefaſſet.

Was dann in deꝛgleichen Faͤlle deꝛ Augenſchein und die
Erfahrung taͤglich giebet/ (daß auch Medici, die wenig ge-

kran-
):( 3
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">an den geneigten Le&#x017F;er.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en von einem <hi rendition="#aq">Medico:</hi> daß er nicht ko&#x0364;nne in ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlichen Kranckheiten gute Artzney und Rath geben;<lb/>
darum weil er &#x017F;elb&#x017F;t an dergleichen nie kranck gewe&#x017F;en/<lb/>
als wann er nicht durch unverdroßenen Fleiß/ lang-<lb/>
wierige Erfahrung an vielen Krancken/ und vielfa&#x0364;lti-<lb/>
ge Ubung durch Gottes Gnade und Segen/ (ob er<lb/>
nie gleich Schwind-Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht/ Fieber/ oder andere<lb/>
Kranckheiten ausge&#x017F;tanden/) glu&#x0364;cklich <hi rendition="#aq">curir</hi>en ko&#x0364;nte.<lb/>
Wie offt weiß ein <hi rendition="#aq">Medicus</hi> einem <hi rendition="#aq">patient</hi>en &#x017F;eine Zufa&#x0364;l-<lb/>
le gantz deutlich zu be&#x017F;chreiben/ die er doch nicht ge-<lb/>
fu&#x0364;hlet; &#x017F;ondern/ entweder aus der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft/ oder<lb/>
von andern fleißig angemercket hat. I&#x017F;t es denn nicht<lb/>
eben &#x017F;o möglich; daß <hi rendition="#fr">eine Heb-Am&#x0303;e/ ob &#x017F;ie gleich kein<lb/>
Kind gebohren/</hi> doch durch fleißiges Nachfragen/<lb/>
Handgriff und Nach&#x017F;in&#x0303;en/ nicht allein &#x017F;o wohl/ &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#fr">be&#x017F;&#x017F;er; als die Kinder zur Welt gebracht/ ur-<lb/>
theilen und rathen ko&#x0364;nne.</hi> Wie ungereimt wu&#x0364;r-<lb/>
de man &#x017F;chließen/ von einem <hi rendition="#aq">Chirurgo:</hi> er ko&#x0364;nte keine<lb/>
Wunde heilen/ keinen Bein- oder Arm-Bruch zu recht<lb/>
bringen/ kein er&#x017F;torbenes Glied ablo&#x0364;&#x017F;en/ weil er davon<lb/>
keine Erfahrung an &#x017F;einem eigen Leibe gehabt: da er<lb/>
doch zu die&#x017F;em ge&#x017F;chicket/ wann er gnung&#x017F;am Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft hat von dem Schaden/ und ver&#x017F;tehet die Mittel/<lb/>
&#x017F;onderlich/ durch vielfa&#x0364;ltige Erfahrung in dergleichen<lb/>
Scha&#x0364;den den rechten Grund gefa&#x017F;&#x017F;et.</p><lb/>
          <p>Was dann in de&#xA75B;gleichen Fa&#x0364;lle de&#xA75B; Augen&#x017F;chein und die<lb/>
Erfahrung ta&#x0364;glich giebet/ (daß auch <hi rendition="#aq">Medici,</hi> die wenig ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">):( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">kran-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0017] an den geneigten Leſer. ſchlieſſen von einem Medico: daß er nicht koͤnne in ge- faͤhrlichen Kranckheiten gute Artzney und Rath geben; darum weil er ſelbſt an dergleichen nie kranck geweſen/ als wann er nicht durch unverdroßenen Fleiß/ lang- wierige Erfahrung an vielen Krancken/ und vielfaͤlti- ge Ubung durch Gottes Gnade und Segen/ (ob er nie gleich Schwind-Waſſerſucht/ Fieber/ oder andere Kranckheiten ausgeſtanden/) gluͤcklich curiren koͤnte. Wie offt weiß ein Medicus einem patienten ſeine Zufaͤl- le gantz deutlich zu beſchreiben/ die er doch nicht ge- fuͤhlet; ſondern/ entweder aus der Wiſſenſchafft/ oder von andern fleißig angemercket hat. Iſt es denn nicht eben ſo möglich; daß eine Heb-Am̃e/ ob ſie gleich kein Kind gebohren/ doch durch fleißiges Nachfragen/ Handgriff und Nachſiñen/ nicht allein ſo wohl/ ſondern beſſer; als die Kinder zur Welt gebracht/ ur- theilen und rathen koͤnne. Wie ungereimt wuͤr- de man ſchließen/ von einem Chirurgo: er koͤnte keine Wunde heilen/ keinen Bein- oder Arm-Bruch zu recht bringen/ kein erſtorbenes Glied abloͤſen/ weil er davon keine Erfahrung an ſeinem eigen Leibe gehabt: da er doch zu dieſem geſchicket/ wann er gnungſam Wiſſen- ſchafft hat von dem Schaden/ und verſtehet die Mittel/ ſonderlich/ durch vielfaͤltige Erfahrung in dergleichen Schaͤden den rechten Grund gefaſſet. Was dann in deꝛgleichen Faͤlle deꝛ Augenſchein und die Erfahrung taͤglich giebet/ (daß auch Medici, die wenig ge- kran- ):( 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/17
Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/17>, abgerufen am 19.04.2024.