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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Petromyzon.
Es ist nur zu bedauern, dass Herr Professor August Müller, von welchem die
Metamorphose des Petromyzon Planeri zuerst erkannt worden ist, noch immer
nicht seine speciellen Untersuchungen darüber der Wissenschaft durch den
Druck übergeben hat, denn die kurzen Notizen1), die wir ihm über diese Ent-
deckung zu verdanken haben, reichen nicht aus, um diejenigen, welche diese
Metamorphose bezweifeln wollen, von der Richtigkeit der gemachten Ent-
deckung zu überführen. Ich muss gestehen, dass ich mich selbst anfangs zu
denjenigen zählen musste, welchen die Behauptung, dass der Ammocoetes
branchialis
nur der Larvenzustand von Petromyzon Planeri sei, so auffallend
erschien, dass man dabei die Empfindung eines gewissen Misstrauens nicht
unterdrücken konnte. Erst nachdem vor zwei Jahren bei meinem Besuche in
Berlin Herr A. Müller mich mit Hülfe seiner Präparate und äusserst instructi-
ven Zeichnungen die allmähliche Verwandlung des augenlosen Ammocoetes
branchialis
in den grossäugigen Petromyzon Planeri verfolgen liess, sind in mir
alle Zweifel über diese so höchst merkwürdige Verwandlungsgeschichte ver-
schwunden.

Die Formen der verschiedenen Lampreten-Arten stehen sich sehr nahe;
Hauptunterschiede der fertig gebildeten Arten bieten die Zähne des Saug-
mundes sowie die Umrisse der Flossen. Die Zähne der Lampreten bestehen
aus weichen Wülsten von verschiedener Gestalt, auf welchen mehrere Epi-
thelium-Schichten aufliegen. Von diesen ist die äusserste Schicht die här-
teste und gelbbraun gefärbt und stellt eine hornige Zahnscheide dar, welche
leicht abfällt, aber durch die darunter versteckte Epithelium-Schicht in kür-
zester Zeit wieder ersetzt wird2). Die Lippen des Saugmundes legen sich
gern seitlich aneinander, so dass sich der dadurch geschlossene Mund wie
eine Längsspalte ausnimmt. Die Augen besitzen bei allen Arten nach vollen-
deter Metamorphose eine mässige Grösse und stehen weiter vom Vorderrande
des Saugmundes entfernt als von dem rechten Athemloche; auch liegen die
Augen bei den fertig ausgebildeten Lampreten-Individuen gehörig zu Tage,
indem sie nur von einer sehr dünnen und vollkommen durchsichtigen Schicht
der allgemeinen Hautbedeckung überzogen sind. Zwischen beiden Augen ist
auf dem Scheitel des Kopfes das unpaarige Nasenloch angebracht, hinter wel-
chem bei allen Lampreten-Arten ein eigenthümlicher weisser Fleck ange-
bracht ist, der gegen den übrigen stets dunkel gefärbten Rücken dieser Fische
sehr auffällt. Die sieben Kiemenlöcher sind jederseits weitläufig auseinander
gestellt, ohne durch eine Längsfurche untereinander verbunden zu sein. Sie

1) S. dessen vorläufigen Bericht über die Entwicklung der Neunaugen, in J. Müller's
Archiv. 1856. pag. 325.
2) Eine nähere Beschreibung dieser Hornzähne lieferte Born in seinen Bemerkungen
über den Zahnbau der Fische, vergl. Heusinger's Zeitschrift für die organische Physik.
Bd. I. 1827. pag. 183. u. 194. Taf. VI. Fig. 5 u. 9.

Gattung: Petromyzon.
Es ist nur zu bedauern, dass Herr Professor August Müller, von welchem die
Metamorphose des Petromyzon Planeri zuerst erkannt worden ist, noch immer
nicht seine speciellen Untersuchungen darüber der Wissenschaft durch den
Druck übergeben hat, denn die kurzen Notizen1), die wir ihm über diese Ent-
deckung zu verdanken haben, reichen nicht aus, um diejenigen, welche diese
Metamorphose bezweifeln wollen, von der Richtigkeit der gemachten Ent-
deckung zu überführen. Ich muss gestehen, dass ich mich selbst anfangs zu
denjenigen zählen musste, welchen die Behauptung, dass der Ammocoetes
branchialis
nur der Larvenzustand von Petromyzon Planeri sei, so auffallend
erschien, dass man dabei die Empfindung eines gewissen Misstrauens nicht
unterdrücken konnte. Erst nachdem vor zwei Jahren bei meinem Besuche in
Berlin Herr A. Müller mich mit Hülfe seiner Präparate und äusserst instructi-
ven Zeichnungen die allmähliche Verwandlung des augenlosen Ammocoetes
branchialis
in den grossäugigen Petromyzon Planeri verfolgen liess, sind in mir
alle Zweifel über diese so höchst merkwürdige Verwandlungsgeschichte ver-
schwunden.

Die Formen der verschiedenen Lampreten-Arten stehen sich sehr nahe;
Hauptunterschiede der fertig gebildeten Arten bieten die Zähne des Saug-
mundes sowie die Umrisse der Flossen. Die Zähne der Lampreten bestehen
aus weichen Wülsten von verschiedener Gestalt, auf welchen mehrere Epi-
thelium-Schichten aufliegen. Von diesen ist die äusserste Schicht die här-
teste und gelbbraun gefärbt und stellt eine hornige Zahnscheide dar, welche
leicht abfällt, aber durch die darunter versteckte Epithelium-Schicht in kür-
zester Zeit wieder ersetzt wird2). Die Lippen des Saugmundes legen sich
gern seitlich aneinander, so dass sich der dadurch geschlossene Mund wie
eine Längsspalte ausnimmt. Die Augen besitzen bei allen Arten nach vollen-
deter Metamorphose eine mässige Grösse und stehen weiter vom Vorderrande
des Saugmundes entfernt als von dem rechten Athemloche; auch liegen die
Augen bei den fertig ausgebildeten Lampreten-Individuen gehörig zu Tage,
indem sie nur von einer sehr dünnen und vollkommen durchsichtigen Schicht
der allgemeinen Hautbedeckung überzogen sind. Zwischen beiden Augen ist
auf dem Scheitel des Kopfes das unpaarige Nasenloch angebracht, hinter wel-
chem bei allen Lampreten-Arten ein eigenthümlicher weisser Fleck ange-
bracht ist, der gegen den übrigen stets dunkel gefärbten Rücken dieser Fische
sehr auffällt. Die sieben Kiemenlöcher sind jederseits weitläufig auseinander
gestellt, ohne durch eine Längsfurche untereinander verbunden zu sein. Sie

1) S. dessen vorläufigen Bericht über die Entwicklung der Neunaugen, in J. Müller’s
Archiv. 1856. pag. 325.
2) Eine nähere Beschreibung dieser Hornzähne lieferte Born in seinen Bemerkungen
über den Zahnbau der Fische, vergl. Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik.
Bd. I. 1827. pag. 183. u. 194. Taf. VI. Fig. 5 u. 9.
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[367/0380] Gattung: Petromyzon. Es ist nur zu bedauern, dass Herr Professor August Müller, von welchem die Metamorphose des Petromyzon Planeri zuerst erkannt worden ist, noch immer nicht seine speciellen Untersuchungen darüber der Wissenschaft durch den Druck übergeben hat, denn die kurzen Notizen 1), die wir ihm über diese Ent- deckung zu verdanken haben, reichen nicht aus, um diejenigen, welche diese Metamorphose bezweifeln wollen, von der Richtigkeit der gemachten Ent- deckung zu überführen. Ich muss gestehen, dass ich mich selbst anfangs zu denjenigen zählen musste, welchen die Behauptung, dass der Ammocoetes branchialis nur der Larvenzustand von Petromyzon Planeri sei, so auffallend erschien, dass man dabei die Empfindung eines gewissen Misstrauens nicht unterdrücken konnte. Erst nachdem vor zwei Jahren bei meinem Besuche in Berlin Herr A. Müller mich mit Hülfe seiner Präparate und äusserst instructi- ven Zeichnungen die allmähliche Verwandlung des augenlosen Ammocoetes branchialis in den grossäugigen Petromyzon Planeri verfolgen liess, sind in mir alle Zweifel über diese so höchst merkwürdige Verwandlungsgeschichte ver- schwunden. Die Formen der verschiedenen Lampreten-Arten stehen sich sehr nahe; Hauptunterschiede der fertig gebildeten Arten bieten die Zähne des Saug- mundes sowie die Umrisse der Flossen. Die Zähne der Lampreten bestehen aus weichen Wülsten von verschiedener Gestalt, auf welchen mehrere Epi- thelium-Schichten aufliegen. Von diesen ist die äusserste Schicht die här- teste und gelbbraun gefärbt und stellt eine hornige Zahnscheide dar, welche leicht abfällt, aber durch die darunter versteckte Epithelium-Schicht in kür- zester Zeit wieder ersetzt wird 2). Die Lippen des Saugmundes legen sich gern seitlich aneinander, so dass sich der dadurch geschlossene Mund wie eine Längsspalte ausnimmt. Die Augen besitzen bei allen Arten nach vollen- deter Metamorphose eine mässige Grösse und stehen weiter vom Vorderrande des Saugmundes entfernt als von dem rechten Athemloche; auch liegen die Augen bei den fertig ausgebildeten Lampreten-Individuen gehörig zu Tage, indem sie nur von einer sehr dünnen und vollkommen durchsichtigen Schicht der allgemeinen Hautbedeckung überzogen sind. Zwischen beiden Augen ist auf dem Scheitel des Kopfes das unpaarige Nasenloch angebracht, hinter wel- chem bei allen Lampreten-Arten ein eigenthümlicher weisser Fleck ange- bracht ist, der gegen den übrigen stets dunkel gefärbten Rücken dieser Fische sehr auffällt. Die sieben Kiemenlöcher sind jederseits weitläufig auseinander gestellt, ohne durch eine Längsfurche untereinander verbunden zu sein. Sie 1) S. dessen vorläufigen Bericht über die Entwicklung der Neunaugen, in J. Müller’s Archiv. 1856. pag. 325. 2) Eine nähere Beschreibung dieser Hornzähne lieferte Born in seinen Bemerkungen über den Zahnbau der Fische, vergl. Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik. Bd. I. 1827. pag. 183. u. 194. Taf. VI. Fig. 5 u. 9.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/380>, abgerufen am 21.11.2024.