vordersten Zahne bei geschlossenen Kiefern weit von den Vomerzähnen zu- rücksteht. Der Leib des grossen oder Seestintes, der mir bis zu einer Länge von 93/4 Zoll in die Hände gekommen ist, zeigt sich etwas höher und mehr comprimirt, das schwarze Pigment ist in der Haut desselben sparsamer und in kleineren Flecken vorhanden, seine Zähne erreichen eine kräftigere Ent- wicklung und seine Zunge ragt weiter hervor, so dass bei geschlossenen Kie- fern der vorderste Zahn der Zunge zwischen den Vomerzähnen oder sogar vor denselben den Gaumen berührt.
Der Stint lebt immer in sehr grossen Gesellschaften beisammen, theils in der Nord- und Ostsee, theils in den Haffen und denjenigen grösseren Seen, welche sich von Masuren durch Preussen, Pommern, Brandenburg und Mek- lenburg bis nach Holstein bald in geringerer bald in grösserer Unterbrechung ausbreiten. Sie halten sich ausser der Brunstzeit in der Tiefe der genannten Gewässer verborgen, kommen aber im März und April aus ihrer Verborgen- heit hervor, und suchen in dichten, zahllosen Schaaren beisammen vom Meere aus die Mündungen der Ströme und von den Seen aus die mit diesen zusam- menhängenden Flüsse auf, um in deren Strömungen an sandigen Stellen ihren Laich abzusetzen. Bei diesen Wanderungen werden diese Fische massenhaft und gewöhnlich des Nachts unter Feuerschein gefangen, da sie der niederen Volksclasse eine wohlfeile und beliebte Speise gewähren, welche indessen noch viel gesuchter wäre, wenn diese Thiere nicht einen so höchst unange- nehmen Geruch verbreiteten, der in manchen Gegenden Norddeutschlands längst sprichwörtlich geworden ist. In den Haffgegenden werden diese Stinte zuweilen in so grossen Mengen gefangen, dass sie sogar als Viehfutter verwen- det werden müssen. Am Kurischen Haff werden diese Fische in neuester Zeit auch zur Anfertigung von Guano verwendet.
Ich habe leider bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt, frische brünstige Stinte zu untersuchen, glaube aber aus der Beschaffenheit einiger unvollkommener Weingeist-Exemplare dieser Fische die Vermuthung aussprechen zu können, dass höchst wahrscheinlich auch bei diesen Salmoneern während der Laich- zeit gewisse Hautwucherungen zur Entwicklung kommen.
Familie: Salmonoidei.
vordersten Zahne bei geschlossenen Kiefern weit von den Vomerzähnen zu- rücksteht. Der Leib des grossen oder Seestintes, der mir bis zu einer Länge von 9¾ Zoll in die Hände gekommen ist, zeigt sich etwas höher und mehr comprimirt, das schwarze Pigment ist in der Haut desselben sparsamer und in kleineren Flecken vorhanden, seine Zähne erreichen eine kräftigere Ent- wicklung und seine Zunge ragt weiter hervor, so dass bei geschlossenen Kie- fern der vorderste Zahn der Zunge zwischen den Vomerzähnen oder sogar vor denselben den Gaumen berührt.
Der Stint lebt immer in sehr grossen Gesellschaften beisammen, theils in der Nord- und Ostsee, theils in den Haffen und denjenigen grösseren Seen, welche sich von Masuren durch Preussen, Pommern, Brandenburg und Mek- lenburg bis nach Holstein bald in geringerer bald in grösserer Unterbrechung ausbreiten. Sie halten sich ausser der Brunstzeit in der Tiefe der genannten Gewässer verborgen, kommen aber im März und April aus ihrer Verborgen- heit hervor, und suchen in dichten, zahllosen Schaaren beisammen vom Meere aus die Mündungen der Ströme und von den Seen aus die mit diesen zusam- menhängenden Flüsse auf, um in deren Strömungen an sandigen Stellen ihren Laich abzusetzen. Bei diesen Wanderungen werden diese Fische massenhaft und gewöhnlich des Nachts unter Feuerschein gefangen, da sie der niederen Volksclasse eine wohlfeile und beliebte Speise gewähren, welche indessen noch viel gesuchter wäre, wenn diese Thiere nicht einen so höchst unange- nehmen Geruch verbreiteten, der in manchen Gegenden Norddeutschlands längst sprichwörtlich geworden ist. In den Haffgegenden werden diese Stinte zuweilen in so grossen Mengen gefangen, dass sie sogar als Viehfutter verwen- det werden müssen. Am Kurischen Haff werden diese Fische in neuester Zeit auch zur Anfertigung von Guano verwendet.
Ich habe leider bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt, frische brünstige Stinte zu untersuchen, glaube aber aus der Beschaffenheit einiger unvollkommener Weingeist-Exemplare dieser Fische die Vermuthung aussprechen zu können, dass höchst wahrscheinlich auch bei diesen Salmoneern während der Laich- zeit gewisse Hautwucherungen zur Entwicklung kommen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0287"n="274"/><fwplace="top"type="header">Familie: Salmonoidei.</fw><lb/>
vordersten Zahne bei geschlossenen Kiefern weit von den Vomerzähnen zu-<lb/>
rücksteht. Der Leib des grossen oder Seestintes, der mir bis zu einer Länge<lb/>
von 9¾ Zoll in die Hände gekommen ist, zeigt sich etwas höher und mehr<lb/>
comprimirt, das schwarze Pigment ist in der Haut desselben sparsamer und<lb/>
in kleineren Flecken vorhanden, seine Zähne erreichen eine kräftigere Ent-<lb/>
wicklung und seine Zunge ragt weiter hervor, so dass bei geschlossenen Kie-<lb/>
fern der vorderste Zahn der Zunge zwischen den Vomerzähnen oder sogar vor<lb/>
denselben den Gaumen berührt.</p><lb/><p>Der Stint lebt immer in sehr grossen Gesellschaften beisammen, theils in<lb/>
der Nord- und Ostsee, theils in den Haffen und denjenigen grösseren Seen,<lb/>
welche sich von Masuren durch Preussen, Pommern, Brandenburg und Mek-<lb/>
lenburg bis nach Holstein bald in geringerer bald in grösserer Unterbrechung<lb/>
ausbreiten. Sie halten sich ausser der Brunstzeit in der Tiefe der genannten<lb/>
Gewässer verborgen, kommen aber im März und April aus ihrer Verborgen-<lb/>
heit hervor, und suchen in dichten, zahllosen Schaaren beisammen vom Meere<lb/>
aus die Mündungen der Ströme und von den Seen aus die mit diesen zusam-<lb/>
menhängenden Flüsse auf, um in deren Strömungen an sandigen Stellen ihren<lb/>
Laich abzusetzen. Bei diesen Wanderungen werden diese Fische massenhaft<lb/>
und gewöhnlich des Nachts unter Feuerschein gefangen, da sie der niederen<lb/>
Volksclasse eine wohlfeile und beliebte Speise gewähren, welche indessen<lb/>
noch viel gesuchter wäre, wenn diese Thiere nicht einen so höchst unange-<lb/>
nehmen Geruch verbreiteten, der in manchen Gegenden Norddeutschlands<lb/>
längst sprichwörtlich geworden ist. In den Haffgegenden werden diese Stinte<lb/>
zuweilen in so grossen Mengen gefangen, dass sie sogar als Viehfutter verwen-<lb/>
det werden müssen. Am Kurischen Haff werden diese Fische in neuester Zeit<lb/>
auch zur Anfertigung von Guano verwendet.</p><lb/><p>Ich habe leider bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt, frische brünstige Stinte<lb/>
zu untersuchen, glaube aber aus der Beschaffenheit einiger unvollkommener<lb/>
Weingeist-Exemplare dieser Fische die Vermuthung aussprechen zu können,<lb/>
dass höchst wahrscheinlich auch bei diesen <hirendition="#i">Salmoneern</hi> während der Laich-<lb/>
zeit gewisse Hautwucherungen zur Entwicklung kommen.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[274/0287]
Familie: Salmonoidei.
vordersten Zahne bei geschlossenen Kiefern weit von den Vomerzähnen zu-
rücksteht. Der Leib des grossen oder Seestintes, der mir bis zu einer Länge
von 9¾ Zoll in die Hände gekommen ist, zeigt sich etwas höher und mehr
comprimirt, das schwarze Pigment ist in der Haut desselben sparsamer und
in kleineren Flecken vorhanden, seine Zähne erreichen eine kräftigere Ent-
wicklung und seine Zunge ragt weiter hervor, so dass bei geschlossenen Kie-
fern der vorderste Zahn der Zunge zwischen den Vomerzähnen oder sogar vor
denselben den Gaumen berührt.
Der Stint lebt immer in sehr grossen Gesellschaften beisammen, theils in
der Nord- und Ostsee, theils in den Haffen und denjenigen grösseren Seen,
welche sich von Masuren durch Preussen, Pommern, Brandenburg und Mek-
lenburg bis nach Holstein bald in geringerer bald in grösserer Unterbrechung
ausbreiten. Sie halten sich ausser der Brunstzeit in der Tiefe der genannten
Gewässer verborgen, kommen aber im März und April aus ihrer Verborgen-
heit hervor, und suchen in dichten, zahllosen Schaaren beisammen vom Meere
aus die Mündungen der Ströme und von den Seen aus die mit diesen zusam-
menhängenden Flüsse auf, um in deren Strömungen an sandigen Stellen ihren
Laich abzusetzen. Bei diesen Wanderungen werden diese Fische massenhaft
und gewöhnlich des Nachts unter Feuerschein gefangen, da sie der niederen
Volksclasse eine wohlfeile und beliebte Speise gewähren, welche indessen
noch viel gesuchter wäre, wenn diese Thiere nicht einen so höchst unange-
nehmen Geruch verbreiteten, der in manchen Gegenden Norddeutschlands
längst sprichwörtlich geworden ist. In den Haffgegenden werden diese Stinte
zuweilen in so grossen Mengen gefangen, dass sie sogar als Viehfutter verwen-
det werden müssen. Am Kurischen Haff werden diese Fische in neuester Zeit
auch zur Anfertigung von Guano verwendet.
Ich habe leider bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt, frische brünstige Stinte
zu untersuchen, glaube aber aus der Beschaffenheit einiger unvollkommener
Weingeist-Exemplare dieser Fische die Vermuthung aussprechen zu können,
dass höchst wahrscheinlich auch bei diesen Salmoneern während der Laich-
zeit gewisse Hautwucherungen zur Entwicklung kommen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/287>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.