Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Familie: Cyprinoidei.
ren Ichthyologen beschrieben und dann wieder ganz vergessen worden zu
sein; es geht dies aus Gesner's kurzer Beschreibung und dürftiger Abbildung
des Ryserle oder Ryssling hervor1), der nach seiner Angabe bei Zürich
in der Sihl angetroffen wird. Dieser Ryserle der Sihl ist in der That ein Te-
lestes
. was Heckel2) an Exemplaren dieses Fisches nachgewiesen hat, die
derselbe aus der Sihl erhalten hatte. Heckel hielt anfangs (Nr. 11 f: pag. 386
und 388) diesen Ryserle als Tel. Rysela von Tel. Agassizii getrennt, erst spä-
ter vereinigte er sie miteinander (Nr. 13: pag. 206), womit ich vollkommen
einverstanden bin, da ich Gelegenheit hatte, mich in Zürich an mehreren In-
dividuen des Ryserle aus der Sihl von der Identität dieses Telestes mit Tel.
Agassizii
zu überzeugen. Der Ryserle blieb übrigens bis auf die neueste Zeit
unbeachtet, nur Hartmann (Nr. 38 b: pag. 200) beschrieb denselben in sei-
ner helvetischen Ichthyologie ziemlich kenntlich, begieng aber den Fehler,
den Ryserle mit Bloch's räthselhaftem Cyprinus aphya (Spierling Bl.) zu ver-
einigen, wodurch sich der Ryserle, noch dazu unter dem ganz fremden Na-
men "Spierling" nicht dauernd geltend machen konnte, obgleich Hartmann auf
eine weitere Verbreitung des Ryserle in der Schweiz hingewiesen hatte.
Hartmann hat nämlich zu diesem Ryserle der Sihl den von Cysat beschriebe-
nen "Aertzele" der Reuss citirt, in welchem Fisch ich nach der Beschrei-
bung Cysat's (Nr. 35: pag. 93) den Tel. Agassizii deutlich erkenne. Indem
Agassiz (Nr. 7: pag. 38 und Nr. 8: pag. 80) den Ryserle des Gesner irriger-
weise mit seinem Chondrostoma Rysela zusammenwarf, machte er nicht bloss,
wie schon Heckel (Nr. 11 f: pag. 377) bemerkte, seine neue Chondrostoma-
Art unkenntlich, sondern er trug auch dazu bei, dass der Strömer oder Ry-
serle von den Ichthyologen wieder vergessen wurde.

Dem Strömer oder Tel. Agassizii Bayerns ergieng es nicht viel besser
als dem Ryserle der Schweiz, denn bald, nachdem ihn Willughby3) bei sei-
nem Aufenthalte in Augsburg an das Licht gezogen hatte, ist derselbe durch
Vermischung und Verwechslung mit anderen Fisch-Arten ebenfalls wieder
aus den Fisch-Systemen verschwunden. Niemand wird in der Beschreibung,
welche Willughby von "Grislagine Augustae dictus" gegeben hat, den Tel.
Agassizii
verkennen, von dem Willughby unter anderen sagt: "supra lineas
citrinas ductus hinc inde niger ab oculis ad caudam continuus". Noch heute
führt der Strömer in Augsburg den Volksnamen "Grieslaugele", den Wil-
lughby
in unrichtiger Auffassung zu Grislagine umgeschaffen hat. Diesen ver-
stümmelten Namen Grislagine übertrug Artedi4) auf den schwedischen Fisch

1) S. dessen Histor. animal. lib. IV. pag. 479 oder dessen Fischbuch. pag. 162. a.
2) S. dessen Fische Syriens. Nachtrag zur Charakteristik und Classification der Cy-
prinen
-Gattungen. pag. 186 (288).
3) S. dessen Historia piscium. pag. 263.
4) S. Nr. 1: Synonymia nominum piscium. pag. 5. nr. 4.

Familie: Cyprinoidei.
ren Ichthyologen beschrieben und dann wieder ganz vergessen worden zu
sein; es geht dies aus Gesner’s kurzer Beschreibung und dürftiger Abbildung
des Ryserle oder Ryssling hervor1), der nach seiner Angabe bei Zürich
in der Sihl angetroffen wird. Dieser Ryserle der Sihl ist in der That ein Te-
lestes
. was Heckel2) an Exemplaren dieses Fisches nachgewiesen hat, die
derselbe aus der Sihl erhalten hatte. Heckel hielt anfangs (Nr. 11 f: pag. 386
und 388) diesen Ryserle als Tel. Rysela von Tel. Agassizii getrennt, erst spä-
ter vereinigte er sie miteinander (Nr. 13: pag. 206), womit ich vollkommen
einverstanden bin, da ich Gelegenheit hatte, mich in Zürich an mehreren In-
dividuen des Ryserle aus der Sihl von der Identität dieses Telestes mit Tel.
Agassizii
zu überzeugen. Der Ryserle blieb übrigens bis auf die neueste Zeit
unbeachtet, nur Hartmann (Nr. 38 b: pag. 200) beschrieb denselben in sei-
ner helvetischen Ichthyologie ziemlich kenntlich, begieng aber den Fehler,
den Ryserle mit Bloch’s räthselhaftem Cyprinus aphya (Spierling Bl.) zu ver-
einigen, wodurch sich der Ryserle, noch dazu unter dem ganz fremden Na-
men »Spierling« nicht dauernd geltend machen konnte, obgleich Hartmann auf
eine weitere Verbreitung des Ryserle in der Schweiz hingewiesen hatte.
Hartmann hat nämlich zu diesem Ryserle der Sihl den von Cysat beschriebe-
nen »Aertzele« der Reuss citirt, in welchem Fisch ich nach der Beschrei-
bung Cysat’s (Nr. 35: pag. 93) den Tel. Agassizii deutlich erkenne. Indem
Agassiz (Nr. 7: pag. 38 und Nr. 8: pag. 80) den Ryserle des Gesner irriger-
weise mit seinem Chondrostoma Rysela zusammenwarf, machte er nicht bloss,
wie schon Heckel (Nr. 11 f: pag. 377) bemerkte, seine neue Chondrostoma-
Art unkenntlich, sondern er trug auch dazu bei, dass der Strömer oder Ry-
serle von den Ichthyologen wieder vergessen wurde.

Dem Strömer oder Tel. Agassizii Bayerns ergieng es nicht viel besser
als dem Ryserle der Schweiz, denn bald, nachdem ihn Willughby3) bei sei-
nem Aufenthalte in Augsburg an das Licht gezogen hatte, ist derselbe durch
Vermischung und Verwechslung mit anderen Fisch-Arten ebenfalls wieder
aus den Fisch-Systemen verschwunden. Niemand wird in der Beschreibung,
welche Willughby von »Grislagine Augustae dictus« gegeben hat, den Tel.
Agassizii
verkennen, von dem Willughby unter anderen sagt: »supra lineas
citrinas ductus hinc inde niger ab oculis ad caudam continuus«. Noch heute
führt der Strömer in Augsburg den Volksnamen »Grieslaugele«, den Wil-
lughby
in unrichtiger Auffassung zu Grislagine umgeschaffen hat. Diesen ver-
stümmelten Namen Grislagine übertrug Artedi4) auf den schwedischen Fisch

1) S. dessen Histor. animal. lib. IV. pag. 479 oder dessen Fischbuch. pag. 162. a.
2) S. dessen Fische Syriens. Nachtrag zur Charakteristik und Classification der Cy-
prinen
-Gattungen. pag. 186 (288).
3) S. dessen Historia piscium. pag. 263.
4) S. Nr. 1: Synonymia nominum piscium. pag. 5. nr. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0231" n="218"/><fw place="top" type="header">Familie: Cyprinoidei.</fw><lb/>
ren Ichthyologen beschrieben und dann wieder ganz vergessen worden zu<lb/>
sein; es geht dies aus <hi rendition="#k">Gesner</hi>&#x2019;s kurzer Beschreibung und dürftiger Abbildung<lb/>
des <hi rendition="#g">Ryserle</hi> oder <hi rendition="#g">Ryssling</hi> hervor<note place="foot" n="1)">S. dessen Histor. animal. lib. IV. pag. 479 oder dessen Fischbuch. pag. 162. a.</note>, der nach seiner Angabe bei Zürich<lb/>
in der Sihl angetroffen wird. Dieser Ryserle der Sihl ist in der That ein <hi rendition="#i">Te-<lb/>
lestes</hi>. was <hi rendition="#k">Heckel</hi><note place="foot" n="2)">S. dessen Fische Syriens. Nachtrag zur Charakteristik und Classification der <hi rendition="#i">Cy-<lb/>
prinen</hi>-Gattungen. pag. 186 (288).</note> an Exemplaren dieses Fisches nachgewiesen hat, die<lb/>
derselbe aus der Sihl erhalten hatte. <hi rendition="#k">Heckel</hi> hielt anfangs (Nr. 11 f: pag. 386<lb/>
und 388) diesen Ryserle als <hi rendition="#i">Tel. Rysela</hi> von <hi rendition="#i">Tel. Agassizii</hi> getrennt, erst spä-<lb/>
ter vereinigte er sie miteinander (Nr. 13: pag. 206), womit ich vollkommen<lb/>
einverstanden bin, da ich Gelegenheit hatte, mich in Zürich an mehreren In-<lb/>
dividuen des Ryserle aus der Sihl von der Identität dieses <hi rendition="#i">Telestes</hi> mit <hi rendition="#i">Tel.<lb/>
Agassizii</hi> zu überzeugen. Der Ryserle blieb übrigens bis auf die neueste Zeit<lb/>
unbeachtet, nur <hi rendition="#k">Hartmann</hi> (Nr. 38 b: pag. 200) beschrieb denselben in sei-<lb/>
ner helvetischen Ichthyologie ziemlich kenntlich, begieng aber den Fehler,<lb/>
den Ryserle mit <hi rendition="#k">Bloch</hi>&#x2019;s räthselhaftem <hi rendition="#i">Cyprinus aphya</hi> (Spierling <hi rendition="#k">Bl</hi>.) zu ver-<lb/>
einigen, wodurch sich der Ryserle, noch dazu unter dem ganz fremden Na-<lb/>
men »Spierling« nicht dauernd geltend machen konnte, obgleich <hi rendition="#k">Hartmann</hi> auf<lb/>
eine weitere Verbreitung des Ryserle in der Schweiz hingewiesen hatte.<lb/><hi rendition="#k">Hartmann</hi> hat nämlich zu diesem Ryserle der Sihl den von <hi rendition="#k">Cysat</hi> beschriebe-<lb/>
nen »<hi rendition="#g">Aertzele</hi>« der Reuss citirt, in welchem Fisch ich nach der Beschrei-<lb/>
bung <hi rendition="#k">Cysat</hi>&#x2019;s (Nr. 35: pag. 93) den <hi rendition="#i">Tel. Agassizii</hi> deutlich erkenne. Indem<lb/><hi rendition="#k">Agassiz</hi> (Nr. 7: pag. 38 und Nr. 8: pag. 80) den Ryserle des <hi rendition="#k">Gesner</hi> irriger-<lb/>
weise mit seinem <hi rendition="#i">Chondrostoma Rysela</hi> zusammenwarf, machte er nicht bloss,<lb/>
wie schon <hi rendition="#k">Heckel</hi> (Nr. 11 f: pag. 377) bemerkte, seine neue <hi rendition="#i">Chondrostoma</hi>-<lb/>
Art unkenntlich, sondern er trug auch dazu bei, dass der Strömer oder Ry-<lb/>
serle von den Ichthyologen wieder vergessen wurde.</p><lb/>
                <p>Dem Strömer oder <hi rendition="#i">Tel. Agassizii</hi> Bayerns ergieng es nicht viel besser<lb/>
als dem Ryserle der Schweiz, denn bald, nachdem ihn <hi rendition="#k">Willughby</hi><note place="foot" n="3)">S. dessen Historia piscium. pag. 263.</note> bei sei-<lb/>
nem Aufenthalte in Augsburg an das Licht gezogen hatte, ist derselbe durch<lb/>
Vermischung und Verwechslung mit anderen Fisch-Arten ebenfalls wieder<lb/>
aus den Fisch-Systemen verschwunden. Niemand wird in der Beschreibung,<lb/>
welche <hi rendition="#k">Willughby</hi> von »Grislagine Augustae dictus« gegeben hat, den <hi rendition="#i">Tel.<lb/>
Agassizii</hi> verkennen, von dem <hi rendition="#k">Willughby</hi> unter anderen sagt: »supra lineas<lb/>
citrinas ductus hinc inde niger ab oculis ad caudam continuus«. Noch heute<lb/>
führt der Strömer in Augsburg den Volksnamen »<hi rendition="#g">Grieslaugele</hi>«, den <hi rendition="#k">Wil-<lb/>
lughby</hi> in unrichtiger Auffassung zu <hi rendition="#i">Grislagine</hi> umgeschaffen hat. Diesen ver-<lb/>
stümmelten Namen <hi rendition="#i">Grislagine</hi> übertrug <hi rendition="#k">Artedi</hi><note place="foot" n="4)">S. Nr. 1: Synonymia nominum piscium. pag. 5. nr. 4.</note> auf den schwedischen Fisch<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0231] Familie: Cyprinoidei. ren Ichthyologen beschrieben und dann wieder ganz vergessen worden zu sein; es geht dies aus Gesner’s kurzer Beschreibung und dürftiger Abbildung des Ryserle oder Ryssling hervor 1), der nach seiner Angabe bei Zürich in der Sihl angetroffen wird. Dieser Ryserle der Sihl ist in der That ein Te- lestes. was Heckel 2) an Exemplaren dieses Fisches nachgewiesen hat, die derselbe aus der Sihl erhalten hatte. Heckel hielt anfangs (Nr. 11 f: pag. 386 und 388) diesen Ryserle als Tel. Rysela von Tel. Agassizii getrennt, erst spä- ter vereinigte er sie miteinander (Nr. 13: pag. 206), womit ich vollkommen einverstanden bin, da ich Gelegenheit hatte, mich in Zürich an mehreren In- dividuen des Ryserle aus der Sihl von der Identität dieses Telestes mit Tel. Agassizii zu überzeugen. Der Ryserle blieb übrigens bis auf die neueste Zeit unbeachtet, nur Hartmann (Nr. 38 b: pag. 200) beschrieb denselben in sei- ner helvetischen Ichthyologie ziemlich kenntlich, begieng aber den Fehler, den Ryserle mit Bloch’s räthselhaftem Cyprinus aphya (Spierling Bl.) zu ver- einigen, wodurch sich der Ryserle, noch dazu unter dem ganz fremden Na- men »Spierling« nicht dauernd geltend machen konnte, obgleich Hartmann auf eine weitere Verbreitung des Ryserle in der Schweiz hingewiesen hatte. Hartmann hat nämlich zu diesem Ryserle der Sihl den von Cysat beschriebe- nen »Aertzele« der Reuss citirt, in welchem Fisch ich nach der Beschrei- bung Cysat’s (Nr. 35: pag. 93) den Tel. Agassizii deutlich erkenne. Indem Agassiz (Nr. 7: pag. 38 und Nr. 8: pag. 80) den Ryserle des Gesner irriger- weise mit seinem Chondrostoma Rysela zusammenwarf, machte er nicht bloss, wie schon Heckel (Nr. 11 f: pag. 377) bemerkte, seine neue Chondrostoma- Art unkenntlich, sondern er trug auch dazu bei, dass der Strömer oder Ry- serle von den Ichthyologen wieder vergessen wurde. Dem Strömer oder Tel. Agassizii Bayerns ergieng es nicht viel besser als dem Ryserle der Schweiz, denn bald, nachdem ihn Willughby 3) bei sei- nem Aufenthalte in Augsburg an das Licht gezogen hatte, ist derselbe durch Vermischung und Verwechslung mit anderen Fisch-Arten ebenfalls wieder aus den Fisch-Systemen verschwunden. Niemand wird in der Beschreibung, welche Willughby von »Grislagine Augustae dictus« gegeben hat, den Tel. Agassizii verkennen, von dem Willughby unter anderen sagt: »supra lineas citrinas ductus hinc inde niger ab oculis ad caudam continuus«. Noch heute führt der Strömer in Augsburg den Volksnamen »Grieslaugele«, den Wil- lughby in unrichtiger Auffassung zu Grislagine umgeschaffen hat. Diesen ver- stümmelten Namen Grislagine übertrug Artedi 4) auf den schwedischen Fisch 1) S. dessen Histor. animal. lib. IV. pag. 479 oder dessen Fischbuch. pag. 162. a. 2) S. dessen Fische Syriens. Nachtrag zur Charakteristik und Classification der Cy- prinen-Gattungen. pag. 186 (288). 3) S. dessen Historia piscium. pag. 263. 4) S. Nr. 1: Synonymia nominum piscium. pag. 5. nr. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/231
Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/231>, abgerufen am 22.11.2024.