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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Abramis.
gleicht, so geht aus diesem Vergleich hervor, dass derselbe nur die
schwarzen Pigmentflecke und nicht die weisslichen Epithelial-Verdickungen
gesehen hat.

Der Seerüssling hat mit der Russnase in dem Donau-Flussgebiet die
gleiche Verbreitung und wird vielfach mit diesem verwandten Fische
verwechselt, kömmt aber auch in einigen oberbayrischen und östreichi-
schen Seen vor, in denen die Russnase fehlt; so wird der Seerüssling all-
jährlich in sehr grossen Mengen aus dem Starenberger See unter dem
Namen "Seerüssling" oder "Halbrenke" hieher zu Markte gebracht, ebenso
wird dieser Fisch nicht selten im Ammersee, Staffelsee und Chiemsee, so-
wie im Atter- und Traunsee gefangen. Derselbe kömmt meistens mit einer
Länge von 7 bis 10 Zoll auf den hiesigen Markt, doch habe ich auch schon
einzelne Individuen von 13 Zoll Länge erhalten. Wäre vielleicht A. melanops
nur eine Jugendform von A. Vimba, so muss es auffallen, dass niemals
A. Vimba im ausgewachsenen Zustande auf dem hiesigen Fischmarkte ange-
troffen wird. Diese Zweifel, welche über die Artberechtigung des A. melanops
immer wieder von Zeit zu Zeit in mir aufstiegen, erhielten neue Nahrung
durch die ichthyologischen Erfahrungen, welche ich auf einer vor zwei Jahren
im Herbste durch Norddeutschland unternommenen Reise gesammelt habe.
Ich fand nämlich auf den Fischmärkten von Naumburg, Magdeburg, Stettin,
Danzig und Elbing viele 7 bis 10 Zoll lange Abramiden, welche von den
Fischern als Zärthen bezeichnet wurden, die sich aber von dem hiesigen See-
rüssling. in nichts unterschieden; es fehlte ihnen durchaus jener für A. Vimba
so charakteristische conische und langgestreckte Rüssel, an dessen Stelle nur
eine kurze, stumpf und gleichmässig abgerundete Schnauze zu bemerken war.
Nur mit der grössten Aufmerksamkeit liessen sich einzelne wenige Individuen
herausfinden, welche eine etwas längere und schmächtigere Schnauze be-
sassen und gleichsam eine Uebergangsform von dem kurznasigen A. melanops
zu dem langnasigen A. Vimba darstellten. Eine Sendung mehrerer Zärthen,
welche mir aus Bremen zugekommen war, enthielt ebenfalls eine vollständige
Reihenfolge von Uebergängen des kurznasigen A. melanops in die langnasige
Form des A. Vimba. Aus diesen Beobachtungen geht zunächst hervor, dass
das Vorkommen des A. melanops in Mitteleuropa nicht mehr auf das Donau-
Gebiet allein beschränkt ist, sondern sich auch auf das Gebiet der Weser,
Elbe, Oder und Weichsel ausdehnt. Als weiteres Resultat dieser Beobach-
tungen drängt sich mir die Frage auf, ob nicht A. melanops als eine nicht
wandernde Varietät des A. Vimba zu betrachten sei, welche sich dem Ein-
flusse des Meerwassers entzogen haben könnte.



v. Siebold, Fische. 9

Gattung: Abramis.
gleicht, so geht aus diesem Vergleich hervor, dass derselbe nur die
schwarzen Pigmentflecke und nicht die weisslichen Epithelial-Verdickungen
gesehen hat.

Der Seerüssling hat mit der Russnase in dem Donau-Flussgebiet die
gleiche Verbreitung und wird vielfach mit diesem verwandten Fische
verwechselt, kömmt aber auch in einigen oberbayrischen und östreichi-
schen Seen vor, in denen die Russnase fehlt; so wird der Seerüssling all-
jährlich in sehr grossen Mengen aus dem Starenberger See unter dem
Namen »Seerüssling« oder »Halbrenke« hieher zu Markte gebracht, ebenso
wird dieser Fisch nicht selten im Ammersee, Staffelsee und Chiemsee, so-
wie im Atter- und Traunsee gefangen. Derselbe kömmt meistens mit einer
Länge von 7 bis 10 Zoll auf den hiesigen Markt, doch habe ich auch schon
einzelne Individuen von 13 Zoll Länge erhalten. Wäre vielleicht A. melanops
nur eine Jugendform von A. Vimba, so muss es auffallen, dass niemals
A. Vimba im ausgewachsenen Zustande auf dem hiesigen Fischmarkte ange-
troffen wird. Diese Zweifel, welche über die Artberechtigung des A. melanops
immer wieder von Zeit zu Zeit in mir aufstiegen, erhielten neue Nahrung
durch die ichthyologischen Erfahrungen, welche ich auf einer vor zwei Jahren
im Herbste durch Norddeutschland unternommenen Reise gesammelt habe.
Ich fand nämlich auf den Fischmärkten von Naumburg, Magdeburg, Stettin,
Danzig und Elbing viele 7 bis 10 Zoll lange Abramiden, welche von den
Fischern als Zärthen bezeichnet wurden, die sich aber von dem hiesigen See-
rüssling. in nichts unterschieden; es fehlte ihnen durchaus jener für A. Vimba
so charakteristische conische und langgestreckte Rüssel, an dessen Stelle nur
eine kurze, stumpf und gleichmässig abgerundete Schnauze zu bemerken war.
Nur mit der grössten Aufmerksamkeit liessen sich einzelne wenige Individuen
herausfinden, welche eine etwas längere und schmächtigere Schnauze be-
sassen und gleichsam eine Uebergangsform von dem kurznasigen A. melanops
zu dem langnasigen A. Vimba darstellten. Eine Sendung mehrerer Zärthen,
welche mir aus Bremen zugekommen war, enthielt ebenfalls eine vollständige
Reihenfolge von Uebergängen des kurznasigen A. melanops in die langnasige
Form des A. Vimba. Aus diesen Beobachtungen geht zunächst hervor, dass
das Vorkommen des A. melanops in Mitteleuropa nicht mehr auf das Donau-
Gebiet allein beschränkt ist, sondern sich auch auf das Gebiet der Weser,
Elbe, Oder und Weichsel ausdehnt. Als weiteres Resultat dieser Beobach-
tungen drängt sich mir die Frage auf, ob nicht A. melanops als eine nicht
wandernde Varietät des A. Vimba zu betrachten sei, welche sich dem Ein-
flusse des Meerwassers entzogen haben könnte.



v. Siebold, Fische. 9
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[129/0142] Gattung: Abramis. gleicht, so geht aus diesem Vergleich hervor, dass derselbe nur die schwarzen Pigmentflecke und nicht die weisslichen Epithelial-Verdickungen gesehen hat. Der Seerüssling hat mit der Russnase in dem Donau-Flussgebiet die gleiche Verbreitung und wird vielfach mit diesem verwandten Fische verwechselt, kömmt aber auch in einigen oberbayrischen und östreichi- schen Seen vor, in denen die Russnase fehlt; so wird der Seerüssling all- jährlich in sehr grossen Mengen aus dem Starenberger See unter dem Namen »Seerüssling« oder »Halbrenke« hieher zu Markte gebracht, ebenso wird dieser Fisch nicht selten im Ammersee, Staffelsee und Chiemsee, so- wie im Atter- und Traunsee gefangen. Derselbe kömmt meistens mit einer Länge von 7 bis 10 Zoll auf den hiesigen Markt, doch habe ich auch schon einzelne Individuen von 13 Zoll Länge erhalten. Wäre vielleicht A. melanops nur eine Jugendform von A. Vimba, so muss es auffallen, dass niemals A. Vimba im ausgewachsenen Zustande auf dem hiesigen Fischmarkte ange- troffen wird. Diese Zweifel, welche über die Artberechtigung des A. melanops immer wieder von Zeit zu Zeit in mir aufstiegen, erhielten neue Nahrung durch die ichthyologischen Erfahrungen, welche ich auf einer vor zwei Jahren im Herbste durch Norddeutschland unternommenen Reise gesammelt habe. Ich fand nämlich auf den Fischmärkten von Naumburg, Magdeburg, Stettin, Danzig und Elbing viele 7 bis 10 Zoll lange Abramiden, welche von den Fischern als Zärthen bezeichnet wurden, die sich aber von dem hiesigen See- rüssling. in nichts unterschieden; es fehlte ihnen durchaus jener für A. Vimba so charakteristische conische und langgestreckte Rüssel, an dessen Stelle nur eine kurze, stumpf und gleichmässig abgerundete Schnauze zu bemerken war. Nur mit der grössten Aufmerksamkeit liessen sich einzelne wenige Individuen herausfinden, welche eine etwas längere und schmächtigere Schnauze be- sassen und gleichsam eine Uebergangsform von dem kurznasigen A. melanops zu dem langnasigen A. Vimba darstellten. Eine Sendung mehrerer Zärthen, welche mir aus Bremen zugekommen war, enthielt ebenfalls eine vollständige Reihenfolge von Uebergängen des kurznasigen A. melanops in die langnasige Form des A. Vimba. Aus diesen Beobachtungen geht zunächst hervor, dass das Vorkommen des A. melanops in Mitteleuropa nicht mehr auf das Donau- Gebiet allein beschränkt ist, sondern sich auch auf das Gebiet der Weser, Elbe, Oder und Weichsel ausdehnt. Als weiteres Resultat dieser Beobach- tungen drängt sich mir die Frage auf, ob nicht A. melanops als eine nicht wandernde Varietät des A. Vimba zu betrachten sei, welche sich dem Ein- flusse des Meerwassers entzogen haben könnte. v. Siebold, Fische. 9

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/142>, abgerufen am 21.11.2024.