unterbringen könne. Nach diesem Schlusse sind die Krankheiten ein grosses Gut für die Menschheit, weil sich Aerzte, Chirurgen und Apotheker davon nähren. Ein eigener Ideengang, den freylich Leute nehmen können, die ohne Gemeinsinn gern viel Geld sicher unterbringen wollen. Das Resultat ist aber ohne vie¬ les Nachdenken, dass durch die Staatsschulden die Aermern gezwungen sind, ausser der alten Last, noch den Reichen Interessen zu bezahlen, sie mögen wollen oder nicht. "Bey Steuerkataster, auf allgemeine Gerechtigkeit gegründet, wäre es anders. Aber jetzt haben die Reichen die Steuerscheine und die Armen zahlen die Steuern. Man kann diese Logik nur bey einem Kasten voll Steuerobligationen bündig finden. Wo hätte der Staat die Verbindlichkeit den Reichen auf Kosten der Armen ihre Kapitale zu verzinsen? Und das ist doch das Facit jeder Staatsschuld. Jede Staatsschuld ist eine Krücke, und Krücken sind nur für Lahme. Die Sache ist zu wichtig, sie hier weiter zu erörtern. Ich weise Dich vorzüglich auf Humes Buch als das beste, was mir über diesen Gegenstand bekannt ist.
Sonderbar war es, dass man in dem letzten Jahre des Krieges bey der höchsten Krise Wien zum Waffen¬ platz machen wollte; das Schlimmste, was die Regie¬ rung für ihre Sache thun konnte. Wenn damahls die Franzosen den Frieden nicht eben so nöthig hatten wie die Deutschen, oder wenn Bonaparte andere Absich¬ ten hatte, als er nachher zeigte, so war das Unglück für die Oestreichischen Staaten entsetzlich. Was konnte man von den Vorspiegelungen erwarten? Es war be¬
unterbringen könne. Nach diesem Schlusse sind die Krankheiten ein groſses Gut für die Menschheit, weil sich Aerzte, Chirurgen und Apotheker davon nähren. Ein eigener Ideengang, den freylich Leute nehmen können, die ohne Gemeinsinn gern viel Geld sicher unterbringen wollen. Das Resultat ist aber ohne vie¬ les Nachdenken, daſs durch die Staatsschulden die Aermern gezwungen sind, auſser der alten Last, noch den Reichen Interessen zu bezahlen, sie mögen wollen oder nicht. „Bey Steuerkataster, auf allgemeine Gerechtigkeit gegründet, wäre es anders. Aber jetzt haben die Reichen die Steuerscheine und die Armen zahlen die Steuern. Man kann diese Logik nur bey einem Kasten voll Steuerobligationen bündig finden. Wo hätte der Staat die Verbindlichkeit den Reichen auf Kosten der Armen ihre Kapitale zu verzinsen? Und das ist doch das Facit jeder Staatsschuld. Jede Staatsschuld ist eine Krücke, und Krücken sind nur für Lahme. Die Sache ist zu wichtig, sie hier weiter zu erörtern. Ich weise Dich vorzüglich auf Humes Buch als das beste, was mir über diesen Gegenstand bekannt ist.
Sonderbar war es, daſs man in dem letzten Jahre des Krieges bey der höchsten Krise Wien zum Waffen¬ platz machen wollte; das Schlimmste, was die Regie¬ rung für ihre Sache thun konnte. Wenn damahls die Franzosen den Frieden nicht eben so nöthig hatten wie die Deutschen, oder wenn Bonaparte andere Absich¬ ten hatte, als er nachher zeigte, so war das Unglück für die Oestreichischen Staaten entsetzlich. Was konnte man von den Vorspiegelungen erwarten? Es war be¬
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unterbringen könne. Nach diesem Schlusse sind die
Krankheiten ein groſses Gut für die Menschheit, weil
sich Aerzte, Chirurgen und Apotheker davon nähren.
Ein eigener Ideengang, den freylich Leute nehmen
können, die ohne Gemeinsinn gern viel Geld sicher
unterbringen wollen. Das Resultat ist aber ohne vie¬
les Nachdenken, daſs durch die Staatsschulden die
Aermern gezwungen sind, auſser der alten Last, noch
den Reichen Interessen zu bezahlen, sie mögen wollen
oder nicht. „Bey Steuerkataster, auf allgemeine
Gerechtigkeit gegründet, wäre es anders. Aber jetzt
haben die Reichen die Steuerscheine und die Armen
zahlen die Steuern. Man kann diese Logik nur bey
einem Kasten voll Steuerobligationen bündig finden.
Wo hätte der Staat die Verbindlichkeit den Reichen
auf Kosten der Armen ihre Kapitale zu verzinsen?
Und das ist doch das Facit jeder Staatsschuld. Jede
Staatsschuld ist eine Krücke, und Krücken sind nur
für Lahme. Die Sache ist zu wichtig, sie hier weiter
zu erörtern. Ich weise Dich vorzüglich auf Humes
Buch als das beste, was mir über diesen Gegenstand
bekannt ist.
Sonderbar war es, daſs man in dem letzten Jahre
des Krieges bey der höchsten Krise Wien zum Waffen¬
platz machen wollte; das Schlimmste, was die Regie¬
rung für ihre Sache thun konnte. Wenn damahls die
Franzosen den Frieden nicht eben so nöthig hatten wie
die Deutschen, oder wenn Bonaparte andere Absich¬
ten hatte, als er nachher zeigte, so war das Unglück
für die Oestreichischen Staaten entsetzlich. Was konnte
man von den Vorspiegelungen erwarten? Es war be¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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