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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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nam beschäftiget. Eine so reitzende Verschlingung
schwebte selten der Seele eines Dichters vor: nimm
nun noch die Vollendung und Zartheit der Figuren
und das Pathos des Augenblicks dazu. Es ist eine der
schönsten Kompostionen aus der Seele eines Künslers,
den der Genius der hohen und schönen Humanität
belebte. Ich würde nieder knien und anbeten, wenn
ich die Römer nicht besser kennte. Du weisst aber
schon hierüber meine etwas ketzerische Denkungsart.
Als Philantrop betrachtet möchte ich lieber in Russ¬
land leben, an der Kette der dortigen Knechtschaft,
als unter dem Palladium der römischen Freyheit. Be¬
schuldige mich nicht zu schnell eines Paradoxons.
Wehe den neuen Galliern, wenn sie die altrömische
Freyheit ihrer Nation oder gar ihren Nachbarn auf¬
dringen oder, wie Klopstock spricht, aufjochen wollen!
Aber wo gerathe ich hin?

Fügers neuestes Werk, an dem er jetzt, wie ich
höre, für den Herzog Albert von Sachsen-Teschen,
arbeitet, ist ein Jupiter, der dem Phidias erscheint,
um ihn zu seinem Bilde vom Olympus zu begeistern.
Da es in die Höhe kommen soll, ist die Anlage etwas
kolossalisch. Der Gedanke ist kühn, sehr kühn: aber
Füger ist vielleicht gemacht solche Gedanken auszu¬
führen. Mit einer liebenswürdigen Offenheit gesteht
der grosse Künstler, dass er einige seiner herrlichsten
Kompositionen aus Vater Wielands Aristipp genommen
hat. Nun wünschte ich auch David einige Stunden so
nahe zu seyn, wie ich es Füger war; und ich hoffe es
soll mir gelingen.

Während der vierzehn Tage, die ich hier hause¬

nam beschäftiget. Eine so reitzende Verschlingung
schwebte selten der Seele eines Dichters vor: nimm
nun noch die Vollendung und Zartheit der Figuren
und das Pathos des Augenblicks dazu. Es ist eine der
schönsten Kompostionen aus der Seele eines Künslers,
den der Genius der hohen und schönen Humanität
belebte. Ich würde nieder knien und anbeten, wenn
ich die Römer nicht besser kennte. Du weiſst aber
schon hierüber meine etwas ketzerische Denkungsart.
Als Philantrop betrachtet möchte ich lieber in Ruſs¬
land leben, an der Kette der dortigen Knechtschaft,
als unter dem Palladium der römischen Freyheit. Be¬
schuldige mich nicht zu schnell eines Paradoxons.
Wehe den neuen Galliern, wenn sie die altrömische
Freyheit ihrer Nation oder gar ihren Nachbarn auf¬
dringen oder, wie Klopstock spricht, aufjochen wollen!
Aber wo gerathe ich hin?

Fügers neuestes Werk, an dem er jetzt, wie ich
höre, für den Herzog Albert von Sachsen-Teschen,
arbeitet, ist ein Jupiter, der dem Phidias erscheint,
um ihn zu seinem Bilde vom Olympus zu begeistern.
Da es in die Höhe kommen soll, ist die Anlage etwas
kolossalisch. Der Gedanke ist kühn, sehr kühn: aber
Füger ist vielleicht gemacht solche Gedanken auszu¬
führen. Mit einer liebenswürdigen Offenheit gesteht
der groſse Künstler, daſs er einige seiner herrlichsten
Kompositionen aus Vater Wielands Aristipp genommen
hat. Nun wünschte ich auch David einige Stunden so
nahe zu seyn, wie ich es Füger war; und ich hoffe es
soll mir gelingen.

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[31/0057] nam beschäftiget. Eine so reitzende Verschlingung schwebte selten der Seele eines Dichters vor: nimm nun noch die Vollendung und Zartheit der Figuren und das Pathos des Augenblicks dazu. Es ist eine der schönsten Kompostionen aus der Seele eines Künslers, den der Genius der hohen und schönen Humanität belebte. Ich würde nieder knien und anbeten, wenn ich die Römer nicht besser kennte. Du weiſst aber schon hierüber meine etwas ketzerische Denkungsart. Als Philantrop betrachtet möchte ich lieber in Ruſs¬ land leben, an der Kette der dortigen Knechtschaft, als unter dem Palladium der römischen Freyheit. Be¬ schuldige mich nicht zu schnell eines Paradoxons. Wehe den neuen Galliern, wenn sie die altrömische Freyheit ihrer Nation oder gar ihren Nachbarn auf¬ dringen oder, wie Klopstock spricht, aufjochen wollen! Aber wo gerathe ich hin? Fügers neuestes Werk, an dem er jetzt, wie ich höre, für den Herzog Albert von Sachsen-Teschen, arbeitet, ist ein Jupiter, der dem Phidias erscheint, um ihn zu seinem Bilde vom Olympus zu begeistern. Da es in die Höhe kommen soll, ist die Anlage etwas kolossalisch. Der Gedanke ist kühn, sehr kühn: aber Füger ist vielleicht gemacht solche Gedanken auszu¬ führen. Mit einer liebenswürdigen Offenheit gesteht der groſse Künstler, daſs er einige seiner herrlichsten Kompositionen aus Vater Wielands Aristipp genommen hat. Nun wünschte ich auch David einige Stunden so nahe zu seyn, wie ich es Füger war; und ich hoffe es soll mir gelingen. Während der vierzehn Tage, die ich hier hause¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/57>, abgerufen am 22.11.2024.