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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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hätte anvertrauen wollen, um sie an einem bezeichne¬
ten Ort zu bringen, wo ich sie sicher wieder gefunden
haben würde. Ich habe in diesem Ländchen weni¬
ger Bekanntschaft als sonst irgend wo: Du kannst al¬
so glauben, dass ich nicht aus Gefälligkeit rede. So
oft ich darin war, habe ich immer die reinste Hoch¬
achtung und Verehrung gegen den Herzog gefasst
Um einen Fürsten zu sehen braucht man nicht eben
seine Schlösser zu besuchen, oder gar die Gnade zu
geniessen ihm vorgestellt zu werden. Oft sieht man
da am wenigsten von ihm. Seine Städte und Dörfer und
Wege und Brücken geben die beste Bekanntschaft;
vorausgesetzt er ist kein junger Mann, der die Regie¬
rung erst antrat. In diesem Falle könnte ihm viel
Gutes und Schlimmes unverdienter Weise angerechnet
werden. Wo das Bier schlecht und theuer und das
Brot theuer und schlecht ist, wo ich die Dörfer ver¬
fallen und elend und doch die Visitatoren nach dem
Sacke lugen sehe, da gehe ich so schnell als möglich
meines Weges. Nicht das Predigen der Humanität
sondern das Thun hat Werth. Desto schlimmer, wenn
man viel spricht und wenig thut.

Schon in Paris hatte ich gehört die Preussen wä¬
ren in Erfurt, und wunderte mich jetzt, da ich sie
noch nicht hier fand. Diese Saumseligkeit ist sonst
ihre Sache nicht, wenn etwas zu besetzen ist. Fast
sollte man glauben, die langsame Bedächtlichkeit habe
einen pathologisch moralischen Grund. Hier erinnerte
mich ein heimlicher Aerger, dass ich ein Sachse bin.
Ich hielt mir lange Betrachtungen über die Grossmuth

hätte anvertrauen wollen, um sie an einem bezeichne¬
ten Ort zu bringen, wo ich sie sicher wieder gefunden
haben würde. Ich habe in diesem Ländchen weni¬
ger Bekanntschaft als sonst irgend wo: Du kannst al¬
so glauben, daſs ich nicht aus Gefälligkeit rede. So
oft ich darin war, habe ich immer die reinste Hoch¬
achtung und Verehrung gegen den Herzog gefaſst
Um einen Fürsten zu sehen braucht man nicht eben
seine Schlösser zu besuchen, oder gar die Gnade zu
genieſsen ihm vorgestellt zu werden. Oft sieht man
da am wenigsten von ihm. Seine Städte und Dörfer und
Wege und Brücken geben die beste Bekanntschaft;
vorausgesetzt er ist kein junger Mann, der die Regie¬
rung erst antrat. In diesem Falle könnte ihm viel
Gutes und Schlimmes unverdienter Weise angerechnet
werden. Wo das Bier schlecht und theuer und das
Brot theuer und schlecht ist, wo ich die Dörfer ver¬
fallen und elend und doch die Visitatoren nach dem
Sacke lugen sehe, da gehe ich so schnell als möglich
meines Weges. Nicht das Predigen der Humanität
sondern das Thun hat Werth. Desto schlimmer, wenn
man viel spricht und wenig thut.

Schon in Paris hatte ich gehört die Preuſsen wä¬
ren in Erfurt, und wunderte mich jetzt, da ich sie
noch nicht hier fand. Diese Saumseligkeit ist sonst
ihre Sache nicht, wenn etwas zu besetzen ist. Fast
sollte man glauben, die langsame Bedächtlichkeit habe
einen pathologisch moralischen Grund. Hier erinnerte
mich ein heimlicher Aerger, daſs ich ein Sachse bin.
Ich hielt mir lange Betrachtungen über die Groſsmuth

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[487 /0515] hätte anvertrauen wollen, um sie an einem bezeichne¬ ten Ort zu bringen, wo ich sie sicher wieder gefunden haben würde. Ich habe in diesem Ländchen weni¬ ger Bekanntschaft als sonst irgend wo: Du kannst al¬ so glauben, daſs ich nicht aus Gefälligkeit rede. So oft ich darin war, habe ich immer die reinste Hoch¬ achtung und Verehrung gegen den Herzog gefaſst Um einen Fürsten zu sehen braucht man nicht eben seine Schlösser zu besuchen, oder gar die Gnade zu genieſsen ihm vorgestellt zu werden. Oft sieht man da am wenigsten von ihm. Seine Städte und Dörfer und Wege und Brücken geben die beste Bekanntschaft; vorausgesetzt er ist kein junger Mann, der die Regie¬ rung erst antrat. In diesem Falle könnte ihm viel Gutes und Schlimmes unverdienter Weise angerechnet werden. Wo das Bier schlecht und theuer und das Brot theuer und schlecht ist, wo ich die Dörfer ver¬ fallen und elend und doch die Visitatoren nach dem Sacke lugen sehe, da gehe ich so schnell als möglich meines Weges. Nicht das Predigen der Humanität sondern das Thun hat Werth. Desto schlimmer, wenn man viel spricht und wenig thut. Schon in Paris hatte ich gehört die Preuſsen wä¬ ren in Erfurt, und wunderte mich jetzt, da ich sie noch nicht hier fand. Diese Saumseligkeit ist sonst ihre Sache nicht, wenn etwas zu besetzen ist. Fast sollte man glauben, die langsame Bedächtlichkeit habe einen pathologisch moralischen Grund. Hier erinnerte mich ein heimlicher Aerger, daſs ich ein Sachse bin. Ich hielt mir lange Betrachtungen über die Groſsmuth

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 487 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/515>, abgerufen am 24.11.2024.