die Gesellschaft der Honoratioren speiste in meinem Wirthshause, und ich hatte das Vergnügen die Musik so gut zu hören, als man sie wahrscheinlich in der Gegend und aus Fulda hatte auftreiben können. Wenn auch zuweilen eine Kakophonie mit unter läuft, thut nichts; sie können das Gute noch nicht ganz verder¬ ben, eben so wenig als man es in der Welt durch Verkehrtheit und Unvernunft ganz ausrotten kann.
In Vach hatten mich ehemals die Handlanger des alten Landgrafen in Beschlag genommen und nach Ziegenhain und Kassel und von da nach Amerika ge¬ liefert. Jetzt sollen dergleichen Gewaltthätigkeiten ab¬ gestellt seyn. Doch möchte ich den fürstlichen Be¬ kehrungen nicht zu viel trauen; sie sind nicht siche¬ rer als die Demagogischen. Es wäre unbegreiflich, wie der Landgraf seit langer Zeit so unerhört will¬ kührlich, zum Verderben des Landes und einzig zum Vortheil seiner Kasse, mit seinen Leuten geschaltet und förmlich den Seelenverkäufer gemacht hat, wenn es nicht durch einen Blick ins Innere erklärt würde. Die Landstände wurden selten gefragt, und konnten dann fast keine Stimme haben. Der Adel ist nicht reich und abhängig vom Hofe. Die Minister und Ge¬ nerale hatten ihren Vortheil dem Herrn zu Willen zu leben. Jeder hatte vom Hofe irgend etwas, oder hoffte etwas, oder fürchtete etwas, für sich oder seine Verwandten. Die grossen Offiziere gewan¬ nen Geld und Ehre, die kleinen Unterstützung und Beförderung. Die Uebrigen litten den Schlag. Das Volk selbst ist bis zum Uebermass treu und brav.
die Gesellschaft der Honoratioren speiste in meinem Wirthshause, und ich hatte das Vergnügen die Musik so gut zu hören, als man sie wahrscheinlich in der Gegend und aus Fulda hatte auftreiben können. Wenn auch zuweilen eine Kakophonie mit unter läuft, thut nichts; sie können das Gute noch nicht ganz verder¬ ben, eben so wenig als man es in der Welt durch Verkehrtheit und Unvernunft ganz ausrotten kann.
In Vach hatten mich ehemals die Handlanger des alten Landgrafen in Beschlag genommen und nach Ziegenhain und Kassel und von da nach Amerika ge¬ liefert. Jetzt sollen dergleichen Gewaltthätigkeiten ab¬ gestellt seyn. Doch möchte ich den fürstlichen Be¬ kehrungen nicht zu viel trauen; sie sind nicht siche¬ rer als die Demagogischen. Es wäre unbegreiflich, wie der Landgraf seit langer Zeit so unerhört will¬ kührlich, zum Verderben des Landes und einzig zum Vortheil seiner Kasse, mit seinen Leuten geschaltet und förmlich den Seelenverkäufer gemacht hat, wenn es nicht durch einen Blick ins Innere erklärt würde. Die Landstände wurden selten gefragt, und konnten dann fast keine Stimme haben. Der Adel ist nicht reich und abhängig vom Hofe. Die Minister und Ge¬ nerale hatten ihren Vortheil dem Herrn zu Willen zu leben. Jeder hatte vom Hofe irgend etwas, oder hoffte etwas, oder fürchtete etwas, für sich oder seine Verwandten. Die groſsen Offiziere gewan¬ nen Geld und Ehre, die kleinen Unterstützung und Beförderung. Die Uebrigen litten den Schlag. Das Volk selbst ist bis zum Uebermaſs treu und brav.
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[484 /0512]
die Gesellschaft der Honoratioren speiste in meinem
Wirthshause, und ich hatte das Vergnügen die Musik
so gut zu hören, als man sie wahrscheinlich in der
Gegend und aus Fulda hatte auftreiben können. Wenn
auch zuweilen eine Kakophonie mit unter läuft, thut
nichts; sie können das Gute noch nicht ganz verder¬
ben, eben so wenig als man es in der Welt durch
Verkehrtheit und Unvernunft ganz ausrotten kann.
In Vach hatten mich ehemals die Handlanger des
alten Landgrafen in Beschlag genommen und nach
Ziegenhain und Kassel und von da nach Amerika ge¬
liefert. Jetzt sollen dergleichen Gewaltthätigkeiten ab¬
gestellt seyn. Doch möchte ich den fürstlichen Be¬
kehrungen nicht zu viel trauen; sie sind nicht siche¬
rer als die Demagogischen. Es wäre unbegreiflich,
wie der Landgraf seit langer Zeit so unerhört will¬
kührlich, zum Verderben des Landes und einzig zum
Vortheil seiner Kasse, mit seinen Leuten geschaltet
und förmlich den Seelenverkäufer gemacht hat, wenn
es nicht durch einen Blick ins Innere erklärt würde.
Die Landstände wurden selten gefragt, und konnten
dann fast keine Stimme haben. Der Adel ist nicht
reich und abhängig vom Hofe. Die Minister und Ge¬
nerale hatten ihren Vortheil dem Herrn zu Willen zu
leben. Jeder hatte vom Hofe irgend etwas, oder
hoffte etwas, oder fürchtete etwas, für sich oder
seine Verwandten. Die groſsen Offiziere gewan¬
nen Geld und Ehre, die kleinen Unterstützung und
Beförderung. Die Uebrigen litten den Schlag. Das
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 484 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/512>, abgerufen am 24.11.2024.
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