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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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seine Zwecke gehören. Wenns Noth thut, wird sich
schon alles geben. Dass die Katholicität in Frankreich
noch vielen Anhang, theils aus Ueberzeugung, theils
aus Gemächlichkeit, theils aus Politik hat, beweist das
Konkordat sehr deutlich. Man hat wirklich den Katho¬
licismus zur Staatsreligion, das heisst zur herrschenden
gemacht, und ich stehe nicht dafür, wenn es so fort
geht, dass man in hundert Jahren das Bekehrungsge¬
schäft nicht wieder mit Dragonern treibt. Ich wurde
durch die Rolle, die Bonaparte dabey spielte, gar nicht
überrascht; es war seine Konsequenz: er war bey der
Osterceremonie der nehmliche, welcher er in Aegypten
war, wo er sein Manifest anfing: Im Namen des ein¬
zigen Gottes, der keinen Sohn hat! Er dachte, mundus
vult
-- ergo --; aber das Sprichwort ist wahr;
und es wäre zu wünschen gewesen, dass er nicht so
gedacht hätte. Il est un peu singe, mais il est comme
il faut;
sagte der geistliche Herr im Postwagen. Er
ist dadurch von seiner Grösse herab gestiegen. Man
sagt, er habe sogar die Fahnen weihen wollen, sey
aber durch das Gemurmel der alten Grenadiere davon
abgehalten worden, die doch anfingen die Dose etwas
zu stark zu finden. Ein Mann, der in Berlin und Pe¬
tersburg entschieden republikanische Massregeln nimmt,
gilt dort mit Grund für widerrechtlich und die Regie¬
rung verfährt gegen ihn nach den Gesetzen; das Ge¬
gentheil muss aus dem nehmlichen Grunde seit zehn
Jahren in Frankreich gelten: man müsste denn in der
Berechnung etwas höher gehen; welches aber sodann
jedem Revolutionär in utramque partem zu Statten
kommen würde.

seine Zwecke gehören. Wenns Noth thut, wird sich
schon alles geben. Daſs die Katholicität in Frankreich
noch vielen Anhang, theils aus Ueberzeugung, theils
aus Gemächlichkeit, theils aus Politik hat, beweist das
Konkordat sehr deutlich. Man hat wirklich den Katho¬
licismus zur Staatsreligion, das heiſst zur herrschenden
gemacht, und ich stehe nicht dafür, wenn es so fort
geht, daſs man in hundert Jahren das Bekehrungsge¬
schäft nicht wieder mit Dragonern treibt. Ich wurde
durch die Rolle, die Bonaparte dabey spielte, gar nicht
überrascht; es war seine Konsequenz: er war bey der
Osterceremonie der nehmliche, welcher er in Aegypten
war, wo er sein Manifest anfing: Im Namen des ein¬
zigen Gottes, der keinen Sohn hat! Er dachte, mundus
vult
ergo —; aber das Sprichwort ist wahr;
und es wäre zu wünschen gewesen, daſs er nicht so
gedacht hätte. Il est un peu singe, mais il est comme
il faut;
sagte der geistliche Herr im Postwagen. Er
ist dadurch von seiner Gröſse herab gestiegen. Man
sagt, er habe sogar die Fahnen weihen wollen, sey
aber durch das Gemurmel der alten Grenadiere davon
abgehalten worden, die doch anfingen die Dose etwas
zu stark zu finden. Ein Mann, der in Berlin und Pe¬
tersburg entschieden republikanische Maſsregeln nimmt,
gilt dort mit Grund für widerrechtlich und die Regie¬
rung verfährt gegen ihn nach den Gesetzen; das Ge¬
gentheil muſs aus dem nehmlichen Grunde seit zehn
Jahren in Frankreich gelten: man müſste denn in der
Berechnung etwas höher gehen; welches aber sodann
jedem Revolutionär in utramque partem zu Statten
kommen würde.

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[462 /0490] seine Zwecke gehören. Wenns Noth thut, wird sich schon alles geben. Daſs die Katholicität in Frankreich noch vielen Anhang, theils aus Ueberzeugung, theils aus Gemächlichkeit, theils aus Politik hat, beweist das Konkordat sehr deutlich. Man hat wirklich den Katho¬ licismus zur Staatsreligion, das heiſst zur herrschenden gemacht, und ich stehe nicht dafür, wenn es so fort geht, daſs man in hundert Jahren das Bekehrungsge¬ schäft nicht wieder mit Dragonern treibt. Ich wurde durch die Rolle, die Bonaparte dabey spielte, gar nicht überrascht; es war seine Konsequenz: er war bey der Osterceremonie der nehmliche, welcher er in Aegypten war, wo er sein Manifest anfing: Im Namen des ein¬ zigen Gottes, der keinen Sohn hat! Er dachte, mundus vult — ergo —; aber das Sprichwort ist wahr; und es wäre zu wünschen gewesen, daſs er nicht so gedacht hätte. Il est un peu singe, mais il est comme il faut; sagte der geistliche Herr im Postwagen. Er ist dadurch von seiner Gröſse herab gestiegen. Man sagt, er habe sogar die Fahnen weihen wollen, sey aber durch das Gemurmel der alten Grenadiere davon abgehalten worden, die doch anfingen die Dose etwas zu stark zu finden. Ein Mann, der in Berlin und Pe¬ tersburg entschieden republikanische Maſsregeln nimmt, gilt dort mit Grund für widerrechtlich und die Regie¬ rung verfährt gegen ihn nach den Gesetzen; das Ge¬ gentheil muſs aus dem nehmlichen Grunde seit zehn Jahren in Frankreich gelten: man müſste denn in der Berechnung etwas höher gehen; welches aber sodann jedem Revolutionär in utramque partem zu Statten kommen würde.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 462 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/490>, abgerufen am 29.03.2024.