ächt französischen Gutherzigkeit, setzte sich zu mir in die Gartenlaube und hielt mir bey Gelegenheit der Be¬ zahlung einen langen Unterricht über den Geldkurs, und gab mir Warnungen, damit ich als Fremder mit der Münze nicht betrogen würde; welches indessen zur Ehre der Nation nur sehr selten geschehen ist. In Ita¬ lien war der Fall häufiger, und auch in der Schweiz.
Die Gesellschaft in der Diligence war besser als der einsylbige Kourier von Dijon. Ein alter General von der alten Regierung, ein fremder Edelmann aus der Schweiz, ein Landpfarrer der zugleich Mediciner war, ein Kaufmann ehmals Adjutant des General Le¬ courbe, ein Gelehrter von Auxerres, der vorzüglich in der Oekonomie stark zu seyn schien und einige ande¬ re Unbekannte machten eine sehr bunte Konversation. Ich sass zwischen dem Geistlichen und dem Gelehrten im Fond, und vor mir der General auf dem Mittel¬ sitze. Der General hatte ehemals in Domingo kom¬ mandiert, wäre fast bey seiner Rückkehr in Brest guillottiniert worden, und nur die Intervention vieler angesehener Kaufleute hatte ihn gerettet, die seiner po¬ litischen Orthodoxie in der damaligen Zeit das beste Zeugniss gaben. Der Geistliche war ausgewandert ge¬ wesen und hatte als Arzt einige Zeit auf der Gränze gelebt, war aber mit vieler Klugheit zu rechter Zeit zurückgekommen und hatte seitdem nach dem Winde laviert. Jetzt zeigte er nun wieder mehr seinen ei¬ gentlichen Geist. Er war ein Mann von vielen Kennt¬ nissen und vielem Scharfsinn und vieler Verbindung mit dem ehemaligen Grossen; also allerdings kein Platt¬ kopf, sondern ein Spitzkopf.
ächt französischen Gutherzigkeit, setzte sich zu mir in die Gartenlaube und hielt mir bey Gelegenheit der Be¬ zahlung einen langen Unterricht über den Geldkurs, und gab mir Warnungen, damit ich als Fremder mit der Münze nicht betrogen würde; welches indessen zur Ehre der Nation nur sehr selten geschehen ist. In Ita¬ lien war der Fall häufiger, und auch in der Schweiz.
Die Gesellschaft in der Diligence war besser als der einsylbige Kourier von Dijon. Ein alter General von der alten Regierung, ein fremder Edelmann aus der Schweiz, ein Landpfarrer der zugleich Mediciner war, ein Kaufmann ehmals Adjutant des General Le¬ courbe, ein Gelehrter von Auxerres, der vorzüglich in der Oekonomie stark zu seyn schien und einige ande¬ re Unbekannte machten eine sehr bunte Konversation. Ich saſs zwischen dem Geistlichen und dem Gelehrten im Fond, und vor mir der General auf dem Mittel¬ sitze. Der General hatte ehemals in Domingo kom¬ mandiert, wäre fast bey seiner Rückkehr in Brest guillottiniert worden, und nur die Intervention vieler angesehener Kaufleute hatte ihn gerettet, die seiner po¬ litischen Orthodoxie in der damaligen Zeit das beste Zeugniſs gaben. Der Geistliche war ausgewandert ge¬ wesen und hatte als Arzt einige Zeit auf der Gränze gelebt, war aber mit vieler Klugheit zu rechter Zeit zurückgekommen und hatte seitdem nach dem Winde laviert. Jetzt zeigte er nun wieder mehr seinen ei¬ gentlichen Geist. Er war ein Mann von vielen Kennt¬ nissen und vielem Scharfsinn und vieler Verbindung mit dem ehemaligen Groſsen; also allerdings kein Platt¬ kopf, sondern ein Spitzkopf.
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ächt französischen Gutherzigkeit, setzte sich zu mir in
die Gartenlaube und hielt mir bey Gelegenheit der Be¬
zahlung einen langen Unterricht über den Geldkurs,
und gab mir Warnungen, damit ich als Fremder mit
der Münze nicht betrogen würde; welches indessen zur
Ehre der Nation nur sehr selten geschehen ist. In Ita¬
lien war der Fall häufiger, und auch in der Schweiz.
Die Gesellschaft in der Diligence war besser als
der einsylbige Kourier von Dijon. Ein alter General
von der alten Regierung, ein fremder Edelmann aus
der Schweiz, ein Landpfarrer der zugleich Mediciner
war, ein Kaufmann ehmals Adjutant des General Le¬
courbe, ein Gelehrter von Auxerres, der vorzüglich in
der Oekonomie stark zu seyn schien und einige ande¬
re Unbekannte machten eine sehr bunte Konversation.
Ich saſs zwischen dem Geistlichen und dem Gelehrten
im Fond, und vor mir der General auf dem Mittel¬
sitze. Der General hatte ehemals in Domingo kom¬
mandiert, wäre fast bey seiner Rückkehr in Brest
guillottiniert worden, und nur die Intervention vieler
angesehener Kaufleute hatte ihn gerettet, die seiner po¬
litischen Orthodoxie in der damaligen Zeit das beste
Zeugniſs gaben. Der Geistliche war ausgewandert ge¬
wesen und hatte als Arzt einige Zeit auf der Gränze
gelebt, war aber mit vieler Klugheit zu rechter Zeit
zurückgekommen und hatte seitdem nach dem Winde
laviert. Jetzt zeigte er nun wieder mehr seinen ei¬
gentlichen Geist. Er war ein Mann von vielen Kennt¬
nissen und vielem Scharfsinn und vieler Verbindung
mit dem ehemaligen Groſsen; also allerdings kein Platt¬
kopf, sondern ein Spitzkopf.
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 441 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/469>, abgerufen am 22.11.2024.
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