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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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de zahlen liessen und doch allein gingen und knicke¬
risch nur zwey nahmen, und das Geld für die übri¬
gen einsäckelten. Manche arme Kommune, die kaum
noch Brot hatte, musste bey dergleichen Gelegenhei¬
ten exekutorisch ihren letzten Silberpfennig zusammen
bringen, um den fremden so genannten republikani¬
schen Wohlthäter zu bezahlen. Das nenne ich Völker¬
beglückung! Man muss bekennen, dass die Franzosen
selbst über diese Schändlichkeit fluchten; aber sie ge¬
schahe doch oft. Wo Murat als General kommandirt,
fällt so etwas nicht auf; Moreau würde seine Nation
von einem solchen Schandflecken zu retten wissen. So
viel ich von den Franzosen in Italien gemeine Solda¬
ten und Unteroffiziere gesehen habe, und ich bin man¬
che Meile in ihrer Gesellschaft gegangen, habe ich sie
alle gesittet, artig, bescheiden und sehr unterrichtet ge¬
funden. Sie urtheilten meistens mit Bündigkeit und
Bestimmtheit und äusserten durchaus ein so feines Ge¬
fühl, dass es mir immer ein Vergnügen war, solche
Gesellschaft zu treffen. Das alte vornehme Zotenreis¬
sen im Fluchen ist sehr selten geworden, und sie spre¬
chen über militärische Dispositionen mit einer solchen
Klugheit und zugleich mit einem solchen Subordina¬
tionsgeist, dass sich nur ein schlechter Offizier andere
Soldaten wünschen könnte.

In Ansehung des Physischen ist ein Gang von
Triest nach Syrakus und zurück an den Zürcher See,
wenn er auch nur flüchtig ist, mit vielen angenehmen
Erscheinungen verbunden. Auf der Insel ist das lieb¬
lichste Gemisch des Reichthums aller Naturprodukte,
so viel man ohne Anstrengung gewinnen kann; Oran¬

de zahlen lieſsen und doch allein gingen und knicke¬
risch nur zwey nahmen, und das Geld für die übri¬
gen einsäckelten. Manche arme Kommune, die kaum
noch Brot hatte, muſste bey dergleichen Gelegenhei¬
ten exekutorisch ihren letzten Silberpfennig zusammen
bringen, um den fremden so genannten republikani¬
schen Wohlthäter zu bezahlen. Das nenne ich Völker¬
beglückung! Man muſs bekennen, daſs die Franzosen
selbst über diese Schändlichkeit fluchten; aber sie ge¬
schahe doch oft. Wo Murat als General kommandirt,
fällt so etwas nicht auf; Moreau würde seine Nation
von einem solchen Schandflecken zu retten wissen. So
viel ich von den Franzosen in Italien gemeine Solda¬
ten und Unteroffiziere gesehen habe, und ich bin man¬
che Meile in ihrer Gesellschaft gegangen, habe ich sie
alle gesittet, artig, bescheiden und sehr unterrichtet ge¬
funden. Sie urtheilten meistens mit Bündigkeit und
Bestimmtheit und äuſserten durchaus ein so feines Ge¬
fühl, daſs es mir immer ein Vergnügen war, solche
Gesellschaft zu treffen. Das alte vornehme Zotenreis¬
sen im Fluchen ist sehr selten geworden, und sie spre¬
chen über militärische Dispositionen mit einer solchen
Klugheit und zugleich mit einem solchen Subordina¬
tionsgeist, daſs sich nur ein schlechter Offizier andere
Soldaten wünschen könnte.

In Ansehung des Physischen ist ein Gang von
Triest nach Syrakus und zurück an den Zürcher See,
wenn er auch nur flüchtig ist, mit vielen angenehmen
Erscheinungen verbunden. Auf der Insel ist das lieb¬
lichste Gemisch des Reichthums aller Naturprodukte,
so viel man ohne Anstrengung gewinnen kann; Oran¬

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[434 /0462] de zahlen lieſsen und doch allein gingen und knicke¬ risch nur zwey nahmen, und das Geld für die übri¬ gen einsäckelten. Manche arme Kommune, die kaum noch Brot hatte, muſste bey dergleichen Gelegenhei¬ ten exekutorisch ihren letzten Silberpfennig zusammen bringen, um den fremden so genannten republikani¬ schen Wohlthäter zu bezahlen. Das nenne ich Völker¬ beglückung! Man muſs bekennen, daſs die Franzosen selbst über diese Schändlichkeit fluchten; aber sie ge¬ schahe doch oft. Wo Murat als General kommandirt, fällt so etwas nicht auf; Moreau würde seine Nation von einem solchen Schandflecken zu retten wissen. So viel ich von den Franzosen in Italien gemeine Solda¬ ten und Unteroffiziere gesehen habe, und ich bin man¬ che Meile in ihrer Gesellschaft gegangen, habe ich sie alle gesittet, artig, bescheiden und sehr unterrichtet ge¬ funden. Sie urtheilten meistens mit Bündigkeit und Bestimmtheit und äuſserten durchaus ein so feines Ge¬ fühl, daſs es mir immer ein Vergnügen war, solche Gesellschaft zu treffen. Das alte vornehme Zotenreis¬ sen im Fluchen ist sehr selten geworden, und sie spre¬ chen über militärische Dispositionen mit einer solchen Klugheit und zugleich mit einem solchen Subordina¬ tionsgeist, daſs sich nur ein schlechter Offizier andere Soldaten wünschen könnte. In Ansehung des Physischen ist ein Gang von Triest nach Syrakus und zurück an den Zürcher See, wenn er auch nur flüchtig ist, mit vielen angenehmen Erscheinungen verbunden. Auf der Insel ist das lieb¬ lichste Gemisch des Reichthums aller Naturprodukte, so viel man ohne Anstrengung gewinnen kann; Oran¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 434 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/462>, abgerufen am 22.11.2024.