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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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chen. Man sagt, das Haus sey hier eben so gross,
als das grosse in Neapel. Der Gesang war nicht aus¬
gezeichnet und für das grosse Haus zu schwach. Man
erzählte mir hier eine Anekdote von der Strinasacchi,
die jetzt in Paris ist. Ich gebe sie Dir, wie ich sie
hörte: sie ist mir wahrscheinlich, weil uns etwas ähn¬
liches mit ihr in Leipzig begegnete, nur dass weder
unser Missfallen noch unser Enthusiasmus so weit ging
als die italiänische Lebhaftigkeit. Die Natur hat ihr
nicht die Annehmlichkeiten der Person auf dem Thea¬
ter gegeben. Bey ihrer ersten Erscheinung erschrak
hier das ganze Haus so sehr vor ihrer Gestalt und ge¬
rieth so in Unwillen, dass man sie durchaus nicht
wollte singen lassen. Der Direktor musste erscheinen
und es sich als eine grosse Gefälligkeit für sich selbst
erbitten, dass man ihr nur eine einzige Scene erlaubte,
dann möchte man verurtheilen, wenn man wollte.
Die Wirkung war voraus zu sehen; man war beschämt
und ging nun in einen rauschenden Enthusiasmus
über: und nach Endigung des Stücks spannte man die
Pferde vom Wagen und fuhr die Sängerin durch einen
grossen Theil der Stadt nach Hause. Es wäre eine
psychologisch nicht unwichtige Frage, das aufrichtige
Bekenntniss der Weiber zu hören, ob sie das zweyte
für das erste erkaufen wollten. Die Heldin selbst hat
keine Stimme mehr über die Sache.

Das Ballet war schottisch und sehr militärisch.
Man arbeitete mit einer grossen Menge Gewehr und
sogar mit Kanonen: und das Ganze machte sich auf
dem grossen Raume sehr gut. Der Charaktertanz war
aber mangelhaft, vorzüglich bei der Mutter. Man

chen. Man sagt, das Haus sey hier eben so groſs,
als das groſse in Neapel. Der Gesang war nicht aus¬
gezeichnet und für das groſse Haus zu schwach. Man
erzählte mir hier eine Anekdote von der Strinasacchi,
die jetzt in Paris ist. Ich gebe sie Dir, wie ich sie
hörte: sie ist mir wahrscheinlich, weil uns etwas ähn¬
liches mit ihr in Leipzig begegnete, nur daſs weder
unser Miſsfallen noch unser Enthusiasmus so weit ging
als die italiänische Lebhaftigkeit. Die Natur hat ihr
nicht die Annehmlichkeiten der Person auf dem Thea¬
ter gegeben. Bey ihrer ersten Erscheinung erschrak
hier das ganze Haus so sehr vor ihrer Gestalt und ge¬
rieth so in Unwillen, daſs man sie durchaus nicht
wollte singen lassen. Der Direktor muſste erscheinen
und es sich als eine groſse Gefälligkeit für sich selbst
erbitten, daſs man ihr nur eine einzige Scene erlaubte,
dann möchte man verurtheilen, wenn man wollte.
Die Wirkung war voraus zu sehen; man war beschämt
und ging nun in einen rauschenden Enthusiasmus
über: und nach Endigung des Stücks spannte man die
Pferde vom Wagen und fuhr die Sängerin durch einen
groſsen Theil der Stadt nach Hause. Es wäre eine
psychologisch nicht unwichtige Frage, das aufrichtige
Bekenntniſs der Weiber zu hören, ob sie das zweyte
für das erste erkaufen wollten. Die Heldin selbst hat
keine Stimme mehr über die Sache.

Das Ballet war schottisch und sehr militärisch.
Man arbeitete mit einer groſsen Menge Gewehr und
sogar mit Kanonen: und das Ganze machte sich auf
dem groſsen Raume sehr gut. Der Charaktertanz war
aber mangelhaft, vorzüglich bei der Mutter. Man

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[406 /0434] chen. Man sagt, das Haus sey hier eben so groſs, als das groſse in Neapel. Der Gesang war nicht aus¬ gezeichnet und für das groſse Haus zu schwach. Man erzählte mir hier eine Anekdote von der Strinasacchi, die jetzt in Paris ist. Ich gebe sie Dir, wie ich sie hörte: sie ist mir wahrscheinlich, weil uns etwas ähn¬ liches mit ihr in Leipzig begegnete, nur daſs weder unser Miſsfallen noch unser Enthusiasmus so weit ging als die italiänische Lebhaftigkeit. Die Natur hat ihr nicht die Annehmlichkeiten der Person auf dem Thea¬ ter gegeben. Bey ihrer ersten Erscheinung erschrak hier das ganze Haus so sehr vor ihrer Gestalt und ge¬ rieth so in Unwillen, daſs man sie durchaus nicht wollte singen lassen. Der Direktor muſste erscheinen und es sich als eine groſse Gefälligkeit für sich selbst erbitten, daſs man ihr nur eine einzige Scene erlaubte, dann möchte man verurtheilen, wenn man wollte. Die Wirkung war voraus zu sehen; man war beschämt und ging nun in einen rauschenden Enthusiasmus über: und nach Endigung des Stücks spannte man die Pferde vom Wagen und fuhr die Sängerin durch einen groſsen Theil der Stadt nach Hause. Es wäre eine psychologisch nicht unwichtige Frage, das aufrichtige Bekenntniſs der Weiber zu hören, ob sie das zweyte für das erste erkaufen wollten. Die Heldin selbst hat keine Stimme mehr über die Sache. Das Ballet war schottisch und sehr militärisch. Man arbeitete mit einer groſsen Menge Gewehr und sogar mit Kanonen: und das Ganze machte sich auf dem groſsen Raume sehr gut. Der Charaktertanz war aber mangelhaft, vorzüglich bei der Mutter. Man

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 406 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/434>, abgerufen am 22.11.2024.