ich den Manen unsers Landsmannes. Ich brauchte mich nicht hinein zu bemühen in die Stadt, deren An¬ blick auch sehr wenig einladendes hatte: der Wirth er¬ zählte unaufgefordert die Geschichte des seligen Herrn, und machte mir mit der Landsmannschaft ein Kom¬ pliment. Es war gut, dass ich nicht hier bleiben konn¬ te; ich glaube, ich wäre Küster bey dem Bischofe ge¬ worden. Aus dem Munde des Wirths lautete die Grabschrift: Est est est, et propter nimium est dominus Fuggerus hic mortuus est. Ob nun der Herr Bischof, der sich hier an dem herrlichen Wein in die selige Ewigkeit hinüber trank, wirklich aus unserm edeln Geschlecht dieses Namens war, das überlasse ich den geistlichen Diplomatikern. Ich lief rüstig vor dem Wagen her, nach Bolsena zu, am See hin nach Sankt Lorenz, dem Lieblingsorte Pius des Sechsten. Die ganze Gegend um Bolsena ist romantisch. Dass un¬ ten Altlorenzo so ausserordentlich ungesund seyn soll, kann ich nicht begreifen. Daran scheint nur die In¬ dolenz der Einwohner Schuld zu seyn.
Als eine Neuigkeit des Tages erzählte man hier die Geschichte von einem Komplott in Neapel. Mu¬ rat, den ich selbst noch in Neapel gesehen habe, soll die Rädelsführer durch seine Versprechungen zur Ent¬ deckung der ganzen Unternehmung sehr fein überre¬ det und sodann die ganze Liste dem Minister über¬ reicht haben. Weiss der Himmel wie viel daran ist! Ganz ohne Grund ist das Gerücht nicht. Denn schon in Rom wurde davon gesprochen, und der König von Sardinien war aus Kaserta daselbst angelangt, wie man laut sagte aus Furcht vor Unruhen in Neapel, und
ich den Manen unsers Landsmannes. Ich brauchte mich nicht hinein zu bemühen in die Stadt, deren An¬ blick auch sehr wenig einladendes hatte: der Wirth er¬ zählte unaufgefordert die Geschichte des seligen Herrn, und machte mir mit der Landsmannschaft ein Kom¬ pliment. Es war gut, daſs ich nicht hier bleiben konn¬ te; ich glaube, ich wäre Küster bey dem Bischofe ge¬ worden. Aus dem Munde des Wirths lautete die Grabschrift: Est est est, et propter nimium est dominus Fuggerus hic mortuus est. Ob nun der Herr Bischof, der sich hier an dem herrlichen Wein in die selige Ewigkeit hinüber trank, wirklich aus unserm edeln Geschlecht dieses Namens war, das überlasse ich den geistlichen Diplomatikern. Ich lief rüstig vor dem Wagen her, nach Bolsena zu, am See hin nach Sankt Lorenz, dem Lieblingsorte Pius des Sechsten. Die ganze Gegend um Bolsena ist romantisch. Daſs un¬ ten Altlorenzo so auſserordentlich ungesund seyn soll, kann ich nicht begreifen. Daran scheint nur die In¬ dolenz der Einwohner Schuld zu seyn.
Als eine Neuigkeit des Tages erzählte man hier die Geschichte von einem Komplott in Neapel. Mu¬ rat, den ich selbst noch in Neapel gesehen habe, soll die Rädelsführer durch seine Versprechungen zur Ent¬ deckung der ganzen Unternehmung sehr fein überre¬ det und sodann die ganze Liste dem Minister über¬ reicht haben. Weiſs der Himmel wie viel daran ist! Ganz ohne Grund ist das Gerücht nicht. Denn schon in Rom wurde davon gesprochen, und der König von Sardinien war aus Kaserta daselbst angelangt, wie man laut sagte aus Furcht vor Unruhen in Neapel, und
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ich den Manen unsers Landsmannes. Ich brauchte
mich nicht hinein zu bemühen in die Stadt, deren An¬
blick auch sehr wenig einladendes hatte: der Wirth er¬
zählte unaufgefordert die Geschichte des seligen Herrn,
und machte mir mit der Landsmannschaft ein Kom¬
pliment. Es war gut, daſs ich nicht hier bleiben konn¬
te; ich glaube, ich wäre Küster bey dem Bischofe ge¬
worden. Aus dem Munde des Wirths lautete die
Grabschrift: Est est est, et propter nimium est dominus
Fuggerus hic mortuus est. Ob nun der Herr Bischof,
der sich hier an dem herrlichen Wein in die selige
Ewigkeit hinüber trank, wirklich aus unserm edeln
Geschlecht dieses Namens war, das überlasse ich den
geistlichen Diplomatikern. Ich lief rüstig vor dem
Wagen her, nach Bolsena zu, am See hin nach Sankt
Lorenz, dem Lieblingsorte Pius des Sechsten. Die
ganze Gegend um Bolsena ist romantisch. Daſs un¬
ten Altlorenzo so auſserordentlich ungesund seyn soll,
kann ich nicht begreifen. Daran scheint nur die In¬
dolenz der Einwohner Schuld zu seyn.
Als eine Neuigkeit des Tages erzählte man hier
die Geschichte von einem Komplott in Neapel. Mu¬
rat, den ich selbst noch in Neapel gesehen habe, soll
die Rädelsführer durch seine Versprechungen zur Ent¬
deckung der ganzen Unternehmung sehr fein überre¬
det und sodann die ganze Liste dem Minister über¬
reicht haben. Weiſs der Himmel wie viel daran ist!
Ganz ohne Grund ist das Gerücht nicht. Denn schon
in Rom wurde davon gesprochen, und der König von
Sardinien war aus Kaserta daselbst angelangt, wie man
laut sagte aus Furcht vor Unruhen in Neapel, und
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 385 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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