und das sind sie doch nicht, ihre Feinde mögen sagen was sie wollen. Ich müsste Dir von Rom allein ein Buch schreiben, wenn ich länger bliebe und länger schriebe; und ich würde doch nur wenig erschöpfen.
Zum Schluss schicke ich Dir eine ganz funkelna¬ gelneue Art von Centauren, von der Schöpfung eines unserer Landsleute. Aber ich muss Dir die Schö¬ pfungsgeschichte erzählen, damit Du das Werk ver¬ stehst.
Es hält sich seit einigen Jahren hier ein reicher Britte auf, dessen grilliger Charakter, gelinde gespro¬ chen, durch ganz Europa ziemlich bekannt ist, und der weder als Lord eine Ehre der Nation noch als Bischof eine Zierde der Kirche von England genannt werden kann. Dieser Herr hat bey der Impertinenz des Reich¬ thums die Marotte den Kenner und Gönner in der Kunst zu machen und den Geschmack zu leiten, und zwar so unglücklich, dass seine Urtheile in Italien hier und da bey Verständigen fast für Verdammung gel¬ ten. Vorzüglich hasst er Raphael und zieht bey jeder Gelegenheit seine deos minorum gentium auf dessen Un¬ kosten hervor. Indessen er bezahlt reich, und es ge¬ ben sich ihm, zur Erniedrigung des Genius, vielleicht manche gute Köpfe hin, die er dann ewig zur Mittel¬ mässigkeit stempelt. Viele lassen sich vieles von dem reichen Britten gefallen, der selten in den Gränzen der feinern Humanität bleiben soll. Für einen solchen hielt er nun auch unsern Landsmann; dieser aber war nicht geschmeidig genug sein Klient zu werden. Er lief und ritt und fuhr mit ihm, und lud ihn oft in sein Haus. Der Lord fing seine gewöhnlichen Unge¬
und das sind sie doch nicht, ihre Feinde mögen sagen was sie wollen. Ich müſste Dir von Rom allein ein Buch schreiben, wenn ich länger bliebe und länger schriebe; und ich würde doch nur wenig erschöpfen.
Zum Schluſs schicke ich Dir eine ganz funkelna¬ gelneue Art von Centauren, von der Schöpfung eines unserer Landsleute. Aber ich muſs Dir die Schö¬ pfungsgeschichte erzählen, damit Du das Werk ver¬ stehst.
Es hält sich seit einigen Jahren hier ein reicher Britte auf, dessen grilliger Charakter, gelinde gespro¬ chen, durch ganz Europa ziemlich bekannt ist, und der weder als Lord eine Ehre der Nation noch als Bischof eine Zierde der Kirche von England genannt werden kann. Dieser Herr hat bey der Impertinenz des Reich¬ thums die Marotte den Kenner und Gönner in der Kunst zu machen und den Geschmack zu leiten, und zwar so unglücklich, daſs seine Urtheile in Italien hier und da bey Verständigen fast für Verdammung gel¬ ten. Vorzüglich haſst er Raphael und zieht bey jeder Gelegenheit seine deos minorum gentium auf dessen Un¬ kosten hervor. Indessen er bezahlt reich, und es ge¬ ben sich ihm, zur Erniedrigung des Genius, vielleicht manche gute Köpfe hin, die er dann ewig zur Mittel¬ mäſsigkeit stempelt. Viele lassen sich vieles von dem reichen Britten gefallen, der selten in den Gränzen der feinern Humanität bleiben soll. Für einen solchen hielt er nun auch unsern Landsmann; dieser aber war nicht geschmeidig genug sein Klient zu werden. Er lief und ritt und fuhr mit ihm, und lud ihn oft in sein Haus. Der Lord fing seine gewöhnlichen Unge¬
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[380 /0408]
und das sind sie doch nicht, ihre Feinde mögen sagen
was sie wollen. Ich müſste Dir von Rom allein ein
Buch schreiben, wenn ich länger bliebe und länger
schriebe; und ich würde doch nur wenig erschöpfen.
Zum Schluſs schicke ich Dir eine ganz funkelna¬
gelneue Art von Centauren, von der Schöpfung eines
unserer Landsleute. Aber ich muſs Dir die Schö¬
pfungsgeschichte erzählen, damit Du das Werk ver¬
stehst.
Es hält sich seit einigen Jahren hier ein reicher
Britte auf, dessen grilliger Charakter, gelinde gespro¬
chen, durch ganz Europa ziemlich bekannt ist, und der
weder als Lord eine Ehre der Nation noch als Bischof
eine Zierde der Kirche von England genannt werden
kann. Dieser Herr hat bey der Impertinenz des Reich¬
thums die Marotte den Kenner und Gönner in der
Kunst zu machen und den Geschmack zu leiten, und
zwar so unglücklich, daſs seine Urtheile in Italien hier
und da bey Verständigen fast für Verdammung gel¬
ten. Vorzüglich haſst er Raphael und zieht bey jeder
Gelegenheit seine deos minorum gentium auf dessen Un¬
kosten hervor. Indessen er bezahlt reich, und es ge¬
ben sich ihm, zur Erniedrigung des Genius, vielleicht
manche gute Köpfe hin, die er dann ewig zur Mittel¬
mäſsigkeit stempelt. Viele lassen sich vieles von dem
reichen Britten gefallen, der selten in den Gränzen
der feinern Humanität bleiben soll. Für einen solchen
hielt er nun auch unsern Landsmann; dieser aber war
nicht geschmeidig genug sein Klient zu werden. Er
lief und ritt und fuhr mit ihm, und lud ihn oft in
sein Haus. Der Lord fing seine gewöhnlichen Unge¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 380 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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