Zehn tausend hier zehn tausend dort ins Joch, Dem willig sich die Opferthiere weihen, Zum Grabe der Vernunft berückt, Und dann mit Hohn und Litaneyen Aus seiner Mastung niederblickt: Du zürnst, dass man noch jetzt die Götzen meisselt, Und mit dem Geist der Mitternacht Zu ihrem Dienst die Menschheit nieder geisselt, Und die Moral zur feilen Dirne macht, Bey der man sich zum Sybariten kr uselt Und Recht und Menschenwerth verlacht.
Dein Eifer, Freund, ist edel. Zürne!
Oft giebt der Zorn der Seele hohen Schwung Und Kraft und Muth zur Besserung; Indessen lau mit seichtem Hirne Der Schachmaschienenmensch nach den Figuren schielt, Und von dem Busen seiner Dirne Verächtlich nur die Puppen weiter spielt.
Geh hin und lies, fast ist es unsre Schande,
Es scheint es war das Schicksal Roms In Geyerflug von Land zu Lande Zu ziehn; es schlug die Erde rund in Bande, Und wechselt nur den Sitz des Doms. Was einst der Halbbarbar ins Joch mit Eisen sandte, Beherrschet nun der Hierofante Mit dem Betruge des Diploms. Jetzt thürmet sich am alten Vatikane
Zehn tausend hier zehn tausend dort ins Joch, Dem willig sich die Opferthiere weihen, Zum Grabe der Vernunft berückt, Und dann mit Hohn und Litaneyen Aus seiner Mastung niederblickt: Du zürnst, daſs man noch jetzt die Götzen meiſselt, Und mit dem Geist der Mitternacht Zu ihrem Dienst die Menschheit nieder geiſselt, Und die Moral zur feilen Dirne macht, Bey der man sich zum Sybariten kr uselt Und Recht und Menschenwerth verlacht.
Dein Eifer, Freund, ist edel. Zürne!
Oft giebt der Zorn der Seele hohen Schwung Und Kraft und Muth zur Besserung; Indessen lau mit seichtem Hirne Der Schachmaschienenmensch nach den Figuren schielt, Und von dem Busen seiner Dirne Verächtlich nur die Puppen weiter spielt.
Geh hin und lies, fast ist es unsre Schande,
Es scheint es war das Schicksal Roms In Geyerflug von Land zu Lande Zu ziehn; es schlug die Erde rund in Bande, Und wechselt nur den Sitz des Doms. Was einst der Halbbarbar ins Joch mit Eisen sandte, Beherrschet nun der Hierofante Mit dem Betruge des Diploms. Jetzt thürmet sich am alten Vatikane
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Zehn tausend hier zehn tausend dort ins Joch,
Dem willig sich die Opferthiere weihen,
Zum Grabe der Vernunft berückt,
Und dann mit Hohn und Litaneyen
Aus seiner Mastung niederblickt:
Du zürnst, daſs man noch jetzt die Götzen meiſselt,
Und mit dem Geist der Mitternacht
Zu ihrem Dienst die Menschheit nieder geiſselt,
Und die Moral zur feilen Dirne macht,
Bey der man sich zum Sybariten kr uselt
Und Recht und Menschenwerth verlacht.
Dein Eifer, Freund, ist edel. Zürne!
Oft giebt der Zorn der Seele hohen Schwung
Und Kraft und Muth zur Besserung;
Indessen lau mit seichtem Hirne
Der Schachmaschienenmensch nach den Figuren schielt,
Und von dem Busen seiner Dirne
Verächtlich nur die Puppen weiter spielt.
Geh hin und lies, fast ist es unsre Schande,
Es scheint es war das Schicksal Roms
In Geyerflug von Land zu Lande
Zu ziehn; es schlug die Erde rund in Bande,
Und wechselt nur den Sitz des Doms.
Was einst der Halbbarbar ins Joch mit Eisen sandte,
Beherrschet nun der Hierofante
Mit dem Betruge des Diploms.
Jetzt thürmet sich am alten Vatikane
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 372 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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