Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

des zu kommen. Bloss von der Seite von Taormina,
wo eine sehr grosse Vertiefung ausgeht, muss man
hinein steigen können, wenn man Zeit und Muth ge¬
nug hat, die Gefahr zu bestehen: denn eine kleine
Veränderung des Windes kann tödtlich werden, und
man erstickt wie Plinius. Uebrigens würde man wohl
unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte
ich drey Tage Zeit und einen entschlossenen, der Ge¬
gend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl
die Ehre erwerben unten gewesen zu seyn, wenn es
der Wind erlaubte. Man müsste aber mit viel grösse¬
rer Schwierigkeit von Taormina hinauf steigen.

Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen
etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rund umher.
Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch
auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen
das ganze grosse schöne herrliche Eiland unter uns,
vor uns liegen, wenigstens den schönsten Theil des¬
selben. Alles was um den Berg herum liegt, das ganze
Thal Enna, bis nach Palagonia und Lentini, mit al¬
len Städten und Flecken und Flüssen, war wie in ma¬
gischen Duft gewebt. Vorzüglich reitzend zog sich der
Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche
lang lang hinab in das Meer, und man übersah mit
Einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der
See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch
die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, dass die
Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner
für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach
Augusta und in die Gegend von Syrakus. Aber die
Schwäche meiner Augen und die Dünste des Himmels,

19

des zu kommen. Bloſs von der Seite von Taormina,
wo eine sehr groſse Vertiefung ausgeht, muſs man
hinein steigen können, wenn man Zeit und Muth ge¬
nug hat, die Gefahr zu bestehen: denn eine kleine
Veränderung des Windes kann tödtlich werden, und
man erstickt wie Plinius. Uebrigens würde man wohl
unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte
ich drey Tage Zeit und einen entschlossenen, der Ge¬
gend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl
die Ehre erwerben unten gewesen zu seyn, wenn es
der Wind erlaubte. Man müſste aber mit viel gröſse¬
rer Schwierigkeit von Taormina hinauf steigen.

Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen
etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rund umher.
Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch
auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen
das ganze groſse schöne herrliche Eiland unter uns,
vor uns liegen, wenigstens den schönsten Theil des¬
selben. Alles was um den Berg herum liegt, das ganze
Thal Enna, bis nach Palagonia und Lentini, mit al¬
len Städten und Flecken und Flüssen, war wie in ma¬
gischen Duft gewebt. Vorzüglich reitzend zog sich der
Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche
lang lang hinab in das Meer, und man übersah mit
Einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der
See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch
die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, daſs die
Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner
für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach
Augusta und in die Gegend von Syrakus. Aber die
Schwäche meiner Augen und die Dünste des Himmels,

19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0315" n="289"/>
des zu kommen. Blo&#x017F;s von der Seite von Taormina,<lb/>
wo eine sehr gro&#x017F;se Vertiefung ausgeht, mu&#x017F;s man<lb/>
hinein steigen können, wenn man Zeit und Muth ge¬<lb/>
nug hat, die Gefahr zu bestehen: denn eine kleine<lb/>
Veränderung des Windes kann tödtlich werden, und<lb/>
man erstickt wie Plinius. Uebrigens würde man wohl<lb/>
unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte<lb/>
ich drey Tage Zeit und einen entschlossenen, der Ge¬<lb/>
gend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl<lb/>
die Ehre erwerben unten gewesen zu seyn, wenn es<lb/>
der Wind erlaubte. Man mü&#x017F;ste aber mit viel grö&#x017F;se¬<lb/>
rer Schwierigkeit von Taormina hinauf steigen.</p><lb/>
        <p>Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen<lb/>
etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rund umher.<lb/>
Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch<lb/>
auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen<lb/>
das ganze gro&#x017F;se schöne herrliche Eiland unter uns,<lb/>
vor uns liegen, wenigstens den schönsten Theil des¬<lb/>
selben. Alles was um den Berg herum liegt, das ganze<lb/>
Thal Enna, bis nach Palagonia und Lentini, mit al¬<lb/>
len Städten und Flecken und Flüssen, war wie in ma¬<lb/>
gischen Duft gewebt. Vorzüglich reitzend zog sich der<lb/>
Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche<lb/>
lang lang hinab in das Meer, und man übersah mit<lb/>
Einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der<lb/>
See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch<lb/>
die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, da&#x017F;s die<lb/>
Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner<lb/>
für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach<lb/>
Augusta und in die Gegend von Syrakus. Aber die<lb/>
Schwäche meiner Augen und die Dünste des Himmels,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">19<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0315] des zu kommen. Bloſs von der Seite von Taormina, wo eine sehr groſse Vertiefung ausgeht, muſs man hinein steigen können, wenn man Zeit und Muth ge¬ nug hat, die Gefahr zu bestehen: denn eine kleine Veränderung des Windes kann tödtlich werden, und man erstickt wie Plinius. Uebrigens würde man wohl unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte ich drey Tage Zeit und einen entschlossenen, der Ge¬ gend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl die Ehre erwerben unten gewesen zu seyn, wenn es der Wind erlaubte. Man müſste aber mit viel gröſse¬ rer Schwierigkeit von Taormina hinauf steigen. Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rund umher. Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen das ganze groſse schöne herrliche Eiland unter uns, vor uns liegen, wenigstens den schönsten Theil des¬ selben. Alles was um den Berg herum liegt, das ganze Thal Enna, bis nach Palagonia und Lentini, mit al¬ len Städten und Flecken und Flüssen, war wie in ma¬ gischen Duft gewebt. Vorzüglich reitzend zog sich der Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche lang lang hinab in das Meer, und man übersah mit Einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, daſs die Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach Augusta und in die Gegend von Syrakus. Aber die Schwäche meiner Augen und die Dünste des Himmels, 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/315
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/315>, abgerufen am 22.11.2024.