fast rund herum in Felsen gehauen. Rechts wo der natürliche Felsen nicht weit genug hinaus reichte, war etwas angebaut, und dort hat es natürlich am meisten gelitten. Die Inschrift, über deren Aechtheit und Al¬ ter man sich zankt, ist jetzt noch ziemlich deutlich zu lesen. Es lässt sich viel dawider sagen, und sie be¬ weist wohl weiter nichts als die Existenz einer Köni¬ gin Philistis, von welcher auch Münzen vorhanden sind, von der aber die Geschichte weiter nichts sagt. Die Wasserleitung geht nahe am Theater weg; ver¬ muthlich brachte sie ehemahls auch das Wasser hin¬ ein. Die Leute waren etwas nachlässig gewesen, so dass ein Zug Wasser gerade auf den Stein mit der In¬ schrift floss, die etwas mit Gesträuchen überwachsen war. Landolina gerieth darüber billig in heftigen Un¬ willen, schalt den Müller und liess es auf der Stelle abändern. Gegen über steht eine Kapelle an dem Or¬ te, wo Cicero das Grab des Archimedes gefunden ha¬ ben will. Wir fanden freylich nichts mehr; aber es ist doch schon ein eigenes Gefühl, dass wir es finden würden, wenn es noch da wäre, und dass vermuth¬ lich in dieser kleinen Peripherie der grosse Mann be¬ graben liegt. Nun gingen wir durch den Begräbniss¬ weg hinauf und oben rechts herum, auf der Fläche von Neapolis fort. Es würde zu weitläufig werden, wenn ich Dir alle die verschiedenen Gestalten der kleinen und grössern Begräbnisskammern beschreiben wollte. Wir gingen zu den Latomien und zwar zu dem berüchtigten Ohre des Dionysius. Akustisch ge¬ nug ist es ausgehauen und man hat ihm nicht ohne Grund diesen Namen gegeben. Ein Blättchen Papier,
fast rund herum in Felsen gehauen. Rechts wo der natürliche Felsen nicht weit genug hinaus reichte, war etwas angebaut, und dort hat es natürlich am meisten gelitten. Die Inschrift, über deren Aechtheit und Al¬ ter man sich zankt, ist jetzt noch ziemlich deutlich zu lesen. Es läſst sich viel dawider sagen, und sie be¬ weist wohl weiter nichts als die Existenz einer Köni¬ gin Philistis, von welcher auch Münzen vorhanden sind, von der aber die Geschichte weiter nichts sagt. Die Wasserleitung geht nahe am Theater weg; ver¬ muthlich brachte sie ehemahls auch das Wasser hin¬ ein. Die Leute waren etwas nachlässig gewesen, so daſs ein Zug Wasser gerade auf den Stein mit der In¬ schrift floſs, die etwas mit Gesträuchen überwachsen war. Landolina gerieth darüber billig in heftigen Un¬ willen, schalt den Müller und lieſs es auf der Stelle abändern. Gegen über steht eine Kapelle an dem Or¬ te, wo Cicero das Grab des Archimedes gefunden ha¬ ben will. Wir fanden freylich nichts mehr; aber es ist doch schon ein eigenes Gefühl, daſs wir es finden würden, wenn es noch da wäre, und daſs vermuth¬ lich in dieser kleinen Peripherie der groſse Mann be¬ graben liegt. Nun gingen wir durch den Begräbniſs¬ weg hinauf und oben rechts herum, auf der Fläche von Neapolis fort. Es würde zu weitläufig werden, wenn ich Dir alle die verschiedenen Gestalten der kleinen und gröſsern Begräbniſskammern beschreiben wollte. Wir gingen zu den Latomien und zwar zu dem berüchtigten Ohre des Dionysius. Akustisch ge¬ nug ist es ausgehauen und man hat ihm nicht ohne Grund diesen Namen gegeben. Ein Blättchen Papier,
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[249/0275]
fast rund herum in Felsen gehauen. Rechts wo der
natürliche Felsen nicht weit genug hinaus reichte, war
etwas angebaut, und dort hat es natürlich am meisten
gelitten. Die Inschrift, über deren Aechtheit und Al¬
ter man sich zankt, ist jetzt noch ziemlich deutlich
zu lesen. Es läſst sich viel dawider sagen, und sie be¬
weist wohl weiter nichts als die Existenz einer Köni¬
gin Philistis, von welcher auch Münzen vorhanden
sind, von der aber die Geschichte weiter nichts sagt.
Die Wasserleitung geht nahe am Theater weg; ver¬
muthlich brachte sie ehemahls auch das Wasser hin¬
ein. Die Leute waren etwas nachlässig gewesen, so
daſs ein Zug Wasser gerade auf den Stein mit der In¬
schrift floſs, die etwas mit Gesträuchen überwachsen
war. Landolina gerieth darüber billig in heftigen Un¬
willen, schalt den Müller und lieſs es auf der Stelle
abändern. Gegen über steht eine Kapelle an dem Or¬
te, wo Cicero das Grab des Archimedes gefunden ha¬
ben will. Wir fanden freylich nichts mehr; aber es
ist doch schon ein eigenes Gefühl, daſs wir es finden
würden, wenn es noch da wäre, und daſs vermuth¬
lich in dieser kleinen Peripherie der groſse Mann be¬
graben liegt. Nun gingen wir durch den Begräbniſs¬
weg hinauf und oben rechts herum, auf der Fläche
von Neapolis fort. Es würde zu weitläufig werden,
wenn ich Dir alle die verschiedenen Gestalten der
kleinen und gröſsern Begräbniſskammern beschreiben
wollte. Wir gingen zu den Latomien und zwar zu
dem berüchtigten Ohre des Dionysius. Akustisch ge¬
nug ist es ausgehauen und man hat ihm nicht ohne
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/275>, abgerufen am 25.11.2024.
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