sehen, bin in der Flora und am Hafen herum gewan¬ delt und auf dem alten Erkte oder dem Monte Pelle¬ grino gewesen.
Von hier aus, sagt man mir, ist es durchaus nicht möglich, ohne Führer und Maulesel durch die Insel zu reisen. Selbst die Herren Bouge und Caillot, an die ich von Wien aus wegen meiner fünf Dreyer hier ge¬ wiesen bin, sagen, es werde sich nicht thun lassen. Ich habe nicht Lust mich jetzt hier länger aufzuhalten, lasse jetzt eben meine Stiefeln besohlen und will mor¬ gen früh in die Insel hineinstechen. Da ich barfuss nicht wohl ausgehen kann und doch etwas anders zu schreiben eben nicht aufgelegt bin, habe ich mich hin¬ gesetzt und in Sicilien einen Sicilier, nehmlich den Theokritus, gelesen. Der Cyklops kam mir eben hier so drollig vor, dass ich die Feder ergriff und ihn un¬ vermerkt deutsch niederschrieb. Ich will Dir die Ue¬ bersetzung ohne Entschuldigung und Präambeln geben und werde es sehr zufrieden seyn, wenn Du sie bes¬ ser machst; denn ich habe hier weder Apparat noch Geduld und wäre mit ganzen Stiefelsohlen wohl schwer¬ lich daran gekommen. Also wie folget:
Nicias, gegen die Liebe, so däucht mich, giebt es kein an¬ dres Pflaster und keine andere Salbe als Musengesänge. Lindernd und mild ist das Mittel, doch nicht so leicht es zu finden. Dieses weisst Du, glaub' ich, sehr wohl, als Arzt und als Liebling,
sehen, bin in der Flora und am Hafen herum gewan¬ delt und auf dem alten Erkte oder dem Monte Pelle¬ grino gewesen.
Von hier aus, sagt man mir, ist es durchaus nicht möglich, ohne Führer und Maulesel durch die Insel zu reisen. Selbst die Herren Bouge und Caillot, an die ich von Wien aus wegen meiner fünf Dreyer hier ge¬ wiesen bin, sagen, es werde sich nicht thun lassen. Ich habe nicht Lust mich jetzt hier länger aufzuhalten, lasse jetzt eben meine Stiefeln besohlen und will mor¬ gen früh in die Insel hineinstechen. Da ich barfuſs nicht wohl ausgehen kann und doch etwas anders zu schreiben eben nicht aufgelegt bin, habe ich mich hin¬ gesetzt und in Sicilien einen Sicilier, nehmlich den Theokritus, gelesen. Der Cyklops kam mir eben hier so drollig vor, daſs ich die Feder ergriff und ihn un¬ vermerkt deutsch niederschrieb. Ich will Dir die Ue¬ bersetzung ohne Entschuldigung und Präambeln geben und werde es sehr zufrieden seyn, wenn Du sie bes¬ ser machst; denn ich habe hier weder Apparat noch Geduld und wäre mit ganzen Stiefelsohlen wohl schwer¬ lich daran gekommen. Also wie folget:
Nicias, gegen die Liebe, so däucht mich, giebt es kein an¬ dres Pflaster und keine andere Salbe als Musengesänge. Lindernd und mild ist das Mittel, doch nicht so leicht es zu finden. Dieses weiſst Du, glaub' ich, sehr wohl, als Arzt und als Liebling,
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0228"n="202"/>
sehen, bin in der Flora und am Hafen herum gewan¬<lb/>
delt und auf dem alten Erkte oder dem Monte Pelle¬<lb/>
grino gewesen.</p><lb/><p>Von hier aus, sagt man mir, ist es durchaus nicht<lb/>
möglich, ohne Führer und Maulesel durch die Insel zu<lb/>
reisen. Selbst die Herren Bouge und Caillot, an die<lb/>
ich von Wien aus wegen meiner fünf Dreyer hier ge¬<lb/>
wiesen bin, sagen, es werde sich nicht thun lassen.<lb/>
Ich habe nicht Lust mich jetzt hier länger aufzuhalten,<lb/>
lasse jetzt eben meine Stiefeln besohlen und will mor¬<lb/>
gen früh in die Insel hineinstechen. Da ich barfuſs<lb/>
nicht wohl ausgehen kann und doch etwas anders zu<lb/>
schreiben eben nicht aufgelegt bin, habe ich mich hin¬<lb/>
gesetzt und in Sicilien einen Sicilier, nehmlich den<lb/>
Theokritus, gelesen. Der Cyklops kam mir eben hier<lb/>
so drollig vor, daſs ich die Feder ergriff und ihn un¬<lb/>
vermerkt deutsch niederschrieb. Ich will Dir die Ue¬<lb/>
bersetzung ohne Entschuldigung und Präambeln geben<lb/>
und werde es sehr zufrieden seyn, wenn Du sie bes¬<lb/>
ser machst; denn ich habe hier weder Apparat noch<lb/>
Geduld und wäre mit ganzen Stiefelsohlen wohl schwer¬<lb/>
lich daran gekommen. Also wie folget:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Nicias, gegen die Liebe, so däucht mich, giebt es kein an¬</l><lb/><l>dres</l><lb/><l>Pflaster und keine andere Salbe als Musengesänge.</l><lb/><l>Lindernd und mild ist das Mittel, doch nicht so leicht es</l><lb/><l>zu finden.</l><lb/><l>Dieses weiſst Du, glaub' ich, sehr wohl, als Arzt und als</l><lb/><l>Liebling,</l><lb/></lg></lg></div></body></text></TEI>
[202/0228]
sehen, bin in der Flora und am Hafen herum gewan¬
delt und auf dem alten Erkte oder dem Monte Pelle¬
grino gewesen.
Von hier aus, sagt man mir, ist es durchaus nicht
möglich, ohne Führer und Maulesel durch die Insel zu
reisen. Selbst die Herren Bouge und Caillot, an die
ich von Wien aus wegen meiner fünf Dreyer hier ge¬
wiesen bin, sagen, es werde sich nicht thun lassen.
Ich habe nicht Lust mich jetzt hier länger aufzuhalten,
lasse jetzt eben meine Stiefeln besohlen und will mor¬
gen früh in die Insel hineinstechen. Da ich barfuſs
nicht wohl ausgehen kann und doch etwas anders zu
schreiben eben nicht aufgelegt bin, habe ich mich hin¬
gesetzt und in Sicilien einen Sicilier, nehmlich den
Theokritus, gelesen. Der Cyklops kam mir eben hier
so drollig vor, daſs ich die Feder ergriff und ihn un¬
vermerkt deutsch niederschrieb. Ich will Dir die Ue¬
bersetzung ohne Entschuldigung und Präambeln geben
und werde es sehr zufrieden seyn, wenn Du sie bes¬
ser machst; denn ich habe hier weder Apparat noch
Geduld und wäre mit ganzen Stiefelsohlen wohl schwer¬
lich daran gekommen. Also wie folget:
Nicias, gegen die Liebe, so däucht mich, giebt es kein an¬
dres
Pflaster und keine andere Salbe als Musengesänge.
Lindernd und mild ist das Mittel, doch nicht so leicht es
zu finden.
Dieses weiſst Du, glaub' ich, sehr wohl, als Arzt und als
Liebling,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/228>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.