nicht so wild und furchtbar als der Weg abwärts und weiter nach Terni. Das Thal abwärts ist zuweilen kaum hundert Schritte breit, rechts und links sind hohe Felsenberge, zwischen welche den ganzen Tag nur wenig Sonne kommt, mit Schluchten und Wald¬ strömen durchbrochen. Dörfer trifft man auf dem ganzen Wege nicht, als auf der Spitze des Berges nur einige Häuser und ein halbes Dutzend in Stetturn, dessen Name schon einen engen Pass anzeigt. Hier und da sind noch einige isolierte Wohnungen, die eben nicht freundlich aussehen, und viele alte verlassene Gebäu¬ de, die ziemlich den Anblick von Räuberhöhlen tra¬ gen. Fast nichts ist bebaut. Die meisten Berge sind bis zu einer grossen Höhe mit finstern wilden Lorber¬ büschen bewachsen, die vielleicht eine Bravobande zu ihren Siegszeichen brauchen könnte. Ich gestehe Dir, es war mir sehr wohl als sich einige italiänische Meilen vor Terni das Thal wieder weiterte und ich mich wieder etwas zu Tage gefördert sah und unter mir schöne friedliche Oehlwälder erblickte, unter de¬ nen der junge Weitzen grünte. Das Thal der Nera öffnete sich, und es lag wieder ein Paradies vor mir. Hohe Cypressen ragten hier und da in den Gärten an den Felsenklüften empor, und der Frühling schien in den ersten Gewächsen des Jahres mit wohlthätiger Ge¬ walt zu arbeiten.
Vorgestern kam ich auf meiner Reise hierher in Terni an. Mein Wirth, ein Tyroler und stolz auf die Ehre ein Deutscher zu seyn, fütterte mich auf gut östreichisch recht stattlich, und setzte mir zuletzt ein Gericht Sepien vor, die mir zum Anfange vielleicht
nicht so wild und furchtbar als der Weg abwärts und weiter nach Terni. Das Thal abwärts ist zuweilen kaum hundert Schritte breit, rechts und links sind hohe Felsenberge, zwischen welche den ganzen Tag nur wenig Sonne kommt, mit Schluchten und Wald¬ strömen durchbrochen. Dörfer trifft man auf dem ganzen Wege nicht, als auf der Spitze des Berges nur einige Häuser und ein halbes Dutzend in Stetturn, dessen Name schon einen engen Paſs anzeigt. Hier und da sind noch einige isolierte Wohnungen, die eben nicht freundlich aussehen, und viele alte verlassene Gebäu¬ de, die ziemlich den Anblick von Räuberhöhlen tra¬ gen. Fast nichts ist bebaut. Die meisten Berge sind bis zu einer groſsen Höhe mit finstern wilden Lorber¬ büschen bewachsen, die vielleicht eine Bravobande zu ihren Siegszeichen brauchen könnte. Ich gestehe Dir, es war mir sehr wohl als sich einige italiänische Meilen vor Terni das Thal wieder weiterte und ich mich wieder etwas zu Tage gefördert sah und unter mir schöne friedliche Oehlwälder erblickte, unter de¬ nen der junge Weitzen grünte. Das Thal der Nera öffnete sich, und es lag wieder ein Paradies vor mir. Hohe Cypressen ragten hier und da in den Gärten an den Felsenklüften empor, und der Frühling schien in den ersten Gewächsen des Jahres mit wohlthätiger Ge¬ walt zu arbeiten.
Vorgestern kam ich auf meiner Reise hierher in Terni an. Mein Wirth, ein Tyroler und stolz auf die Ehre ein Deutscher zu seyn, fütterte mich auf gut östreichisch recht stattlich, und setzte mir zuletzt ein Gericht Sepien vor, die mir zum Anfange vielleicht
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nicht so wild und furchtbar als der Weg abwärts und
weiter nach Terni. Das Thal abwärts ist zuweilen
kaum hundert Schritte breit, rechts und links sind
hohe Felsenberge, zwischen welche den ganzen Tag
nur wenig Sonne kommt, mit Schluchten und Wald¬
strömen durchbrochen. Dörfer trifft man auf dem
ganzen Wege nicht, als auf der Spitze des Berges nur
einige Häuser und ein halbes Dutzend in Stetturn, dessen
Name schon einen engen Paſs anzeigt. Hier und da
sind noch einige isolierte Wohnungen, die eben nicht
freundlich aussehen, und viele alte verlassene Gebäu¬
de, die ziemlich den Anblick von Räuberhöhlen tra¬
gen. Fast nichts ist bebaut. Die meisten Berge sind
bis zu einer groſsen Höhe mit finstern wilden Lorber¬
büschen bewachsen, die vielleicht eine Bravobande
zu ihren Siegszeichen brauchen könnte. Ich gestehe
Dir, es war mir sehr wohl als sich einige italiänische
Meilen vor Terni das Thal wieder weiterte und ich
mich wieder etwas zu Tage gefördert sah und unter
mir schöne friedliche Oehlwälder erblickte, unter de¬
nen der junge Weitzen grünte. Das Thal der Nera
öffnete sich, und es lag wieder ein Paradies vor mir.
Hohe Cypressen ragten hier und da in den Gärten an
den Felsenklüften empor, und der Frühling schien in
den ersten Gewächsen des Jahres mit wohlthätiger Ge¬
walt zu arbeiten.
Vorgestern kam ich auf meiner Reise hierher in
Terni an. Mein Wirth, ein Tyroler und stolz auf die
Ehre ein Deutscher zu seyn, fütterte mich auf gut
östreichisch recht stattlich, und setzte mir zuletzt ein
Gericht Sepien vor, die mir zum Anfange vielleicht
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/173>, abgerufen am 30.11.2024.
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