Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

hundert lächerlichen Aufzügen und Gruppierungen mit
und ohne Musik auf und nieder liefen. Ein siedend
heisser politischer Imolait schloss sich an mich an und
führte das Gespräch durch verschiedene Gegenstände
sehr bald auf die Politik und erkundigte sich, wie es
in Wien aussähe. Ich antwortete ganz natürlich der
Wahrheit gemäss, ganz ruhig. On les a bien force a
coups de bayonettes a etre en repos
; sagte er. Appa¬
remment
; sagte ich. -- C'est toujours la meilleure ma¬
niere de disposer les gens a se conformer a la rai¬
son
. -- Mais oui, entgegnete ich, apres en avoir es¬
saye les autres
; pourvu toute fois, qu' il y ait de la
raison et de la justice au fond de l'affaire
-- Est¬
ce que vous en doutes pour la notre
? -- On ne peut
pas repondre a cela en deux mots
. Nun wollte er eine
Diskussion anfangen und ward ziemlich heftig. Ich
entschuldigte mich mit meiner alten Formel: Quand
on commence
, il faut toujours commencer par le com¬
mencement
; da würde sich denn ergeben das alte Iliacos
intra muros peccatur et extra
. Der Abend rief mich
zum Essen und zur Ruhe, und wir schieden recht
freundschaftlich indem er meinte: Wenn es auf uns
beyde angekommen wäre, würde wohl kein Krieg
entstanden seyn. Das glaubte ich wenigstens für mich
auf meiner Seite, und ging ganz andächtig in die
Hölle Nummer Fünfe, wo ich bis zum Sonnenaufgang
recht sanft schlief. Ist Imola nicht ein Ort, wo ein
Bischof sich zum Papst bilden kann?

In Faenza sah ich die erste französische Wachpa¬
rade, und in Forli nichts. Nicht eben als ob da nichts
zu sehen wäre: Antiquare und Künstler finden daselbst

hundert lächerlichen Aufzügen und Gruppierungen mit
und ohne Musik auf und nieder liefen. Ein siedend
heiſser politischer Imolait schloſs sich an mich an und
führte das Gespräch durch verschiedene Gegenstände
sehr bald auf die Politik und erkundigte sich, wie es
in Wien aussähe. Ich antwortete ganz natürlich der
Wahrheit gemäſs, ganz ruhig. On les a bien forcé à
coups de bayonettes à être en repos
; sagte er. Appa¬
remment
; sagte ich. — C'est toujours la meilleure ma¬
niere de disposer les gens à se conformer à la rai¬
son
. — Mais oui, entgegnete ich, après en avoir es¬
sayé les autres
; pourvù toute fois, qu' il y ait de la
raison et de la justice au fond de l'affaire
Est¬
ce que vous en doutes pour la notre
? — On ne peut
pas repondre à cela en deux mots
. Nun wollte er eine
Diskussion anfangen und ward ziemlich heftig. Ich
entschuldigte mich mit meiner alten Formel: Quand
on commence
, il faut toujours commencer par le com¬
mencement
; da würde sich denn ergeben das alte Iliacos
intra muros peccatur et extra
. Der Abend rief mich
zum Essen und zur Ruhe, und wir schieden recht
freundschaftlich indem er meinte: Wenn es auf uns
beyde angekommen wäre, würde wohl kein Krieg
entstanden seyn. Das glaubte ich wenigstens für mich
auf meiner Seite, und ging ganz andächtig in die
Hölle Nummer Fünfe, wo ich bis zum Sonnenaufgang
recht sanft schlief. Ist Imola nicht ein Ort, wo ein
Bischof sich zum Papst bilden kann?

In Faenza sah ich die erste französische Wachpa¬
rade, und in Forli nichts. Nicht eben als ob da nichts
zu sehen wäre: Antiquare und Künstler finden daselbst

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0147" n="121"/>
hundert lächerlichen Aufzügen und Gruppierungen mit<lb/>
und ohne Musik auf und nieder liefen. Ein siedend<lb/>
hei&#x017F;ser politischer Imolait schlo&#x017F;s sich an mich an und<lb/>
führte das Gespräch durch verschiedene Gegenstände<lb/>
sehr bald auf die Politik und erkundigte sich, wie es<lb/>
in Wien aussähe. Ich antwortete ganz natürlich der<lb/>
Wahrheit gemä&#x017F;s, ganz ruhig. <hi rendition="#i">On les a bien forcé à<lb/>
coups de bayonettes à être en repos</hi>; sagte er. <hi rendition="#i">Appa¬<lb/>
remment</hi>; sagte ich. &#x2014; <hi rendition="#i">C'est toujours la meilleure ma¬<lb/>
niere de disposer les gens à se conformer à la rai¬<lb/>
son</hi>. &#x2014; <hi rendition="#i">Mais oui</hi>, entgegnete ich, <hi rendition="#i">après en avoir es¬<lb/>
sayé les autres</hi>; <hi rendition="#i">pourvù toute fois</hi>, <hi rendition="#i">qu' il y ait de la<lb/>
raison et de la justice au fond de l'affaire</hi> &#x2014; <hi rendition="#i">Est¬<lb/>
ce que vous en doutes pour la notre</hi>? &#x2014; <hi rendition="#i">On ne peut<lb/>
pas repondre à cela en deux mots</hi>. Nun wollte er eine<lb/>
Diskussion anfangen und ward ziemlich heftig. Ich<lb/>
entschuldigte mich mit meiner alten Formel: <hi rendition="#i">Quand<lb/>
on commence</hi>, <hi rendition="#i">il faut toujours commencer par le com¬<lb/>
mencement</hi>; da würde sich denn ergeben das alte <hi rendition="#i">Iliacos<lb/>
intra muros peccatur et extra</hi>. Der Abend rief mich<lb/>
zum Essen und zur Ruhe, und wir schieden recht<lb/>
freundschaftlich indem er meinte: Wenn es auf uns<lb/>
beyde angekommen wäre, würde wohl kein Krieg<lb/>
entstanden seyn. Das glaubte ich wenigstens für mich<lb/>
auf meiner Seite, und ging ganz andächtig in die<lb/>
Hölle Nummer Fünfe, wo ich bis zum Sonnenaufgang<lb/>
recht sanft schlief. Ist Imola nicht ein Ort, wo ein<lb/>
Bischof sich zum Papst bilden kann?</p><lb/>
        <p>In Faenza sah ich die erste französische Wachpa¬<lb/>
rade, und in Forli nichts. Nicht eben als ob da nichts<lb/>
zu sehen wäre: Antiquare und Künstler finden daselbst<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0147] hundert lächerlichen Aufzügen und Gruppierungen mit und ohne Musik auf und nieder liefen. Ein siedend heiſser politischer Imolait schloſs sich an mich an und führte das Gespräch durch verschiedene Gegenstände sehr bald auf die Politik und erkundigte sich, wie es in Wien aussähe. Ich antwortete ganz natürlich der Wahrheit gemäſs, ganz ruhig. On les a bien forcé à coups de bayonettes à être en repos; sagte er. Appa¬ remment; sagte ich. — C'est toujours la meilleure ma¬ niere de disposer les gens à se conformer à la rai¬ son. — Mais oui, entgegnete ich, après en avoir es¬ sayé les autres; pourvù toute fois, qu' il y ait de la raison et de la justice au fond de l'affaire — Est¬ ce que vous en doutes pour la notre? — On ne peut pas repondre à cela en deux mots. Nun wollte er eine Diskussion anfangen und ward ziemlich heftig. Ich entschuldigte mich mit meiner alten Formel: Quand on commence, il faut toujours commencer par le com¬ mencement; da würde sich denn ergeben das alte Iliacos intra muros peccatur et extra. Der Abend rief mich zum Essen und zur Ruhe, und wir schieden recht freundschaftlich indem er meinte: Wenn es auf uns beyde angekommen wäre, würde wohl kein Krieg entstanden seyn. Das glaubte ich wenigstens für mich auf meiner Seite, und ging ganz andächtig in die Hölle Nummer Fünfe, wo ich bis zum Sonnenaufgang recht sanft schlief. Ist Imola nicht ein Ort, wo ein Bischof sich zum Papst bilden kann? In Faenza sah ich die erste französische Wachpa¬ rade, und in Forli nichts. Nicht eben als ob da nichts zu sehen wäre: Antiquare und Künstler finden daselbst

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/147
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/147>, abgerufen am 28.11.2024.