Verdienste; nur Schade, dass der arme Gott hier so wenig von seinem Elemente hat, dass er wohl kaum den Nachbaren auf hundert Schritte in die Runde zu trinken geben kann. Der Eingang des Gemeinehauses ist von Franzosen besetzt, und die Bürgerwache steht sehr demüthig in einem sehr spiessbürgerlichen Auf¬ zug daneben. Ueber dem Portal hängt ein nicht un¬ feines Bild der Freyheit mit der Umschrift in grossen Buchstaben: Republica Italiana; welches erst vor eini¬ gen Wochen hingesetzt war, da man die Cisalpiner in diese Nomenklatur metamorphosiert hatte.
Vor dem Nationaltheater wurde ich gewarnt, weil man daselbst durchaus immer die niedrigsten Hans¬ wurstiaden gebe und zum Intermezzo Hunde nach Ka¬ tzenmusik tanzen lasse. Hätte ich mehr Zeit gehabt so hätte ich doch wohl die Schnurrpfeifereyen mit an¬ gesehen. Ich ging aber auf das kleine Theater Da Ruffi, und fand es für eine so kleine Unternehmung allerliebst. Ich kann nicht begreifen, wie die Leute bey einem so geringen Eintrittsgelde und den kleinen Raum des Schauspielhauses den Aufwand bestreiten können. Man gab ein Stück aus der alten französi¬ schen Geschichte, den Sklaven aus Syrien, wo natür¬ lich viel über Freyheit und Patriotismus deklamiert wurde, aber schon wieder mit vieler Beziehung auf Fürstenwürde und Fürstenrechte, welches man viel¬ leicht voriges Jahr noch nicht hätte thun dürfen. Die Donna und der Held waren gut. Der Dialekt war für mich deutlich und angenehm; die meisten Schau¬ spieler waren, wie man mir sagte, Römer, und nur ein Einziger zischte venetianisch. Nach dem Stück
Verdienste; nur Schade, daſs der arme Gott hier so wenig von seinem Elemente hat, daſs er wohl kaum den Nachbaren auf hundert Schritte in die Runde zu trinken geben kann. Der Eingang des Gemeinehauses ist von Franzosen besetzt, und die Bürgerwache steht sehr demüthig in einem sehr spieſsbürgerlichen Auf¬ zug daneben. Ueber dem Portal hängt ein nicht un¬ feines Bild der Freyheit mit der Umschrift in groſsen Buchstaben: Republica Italiana; welches erst vor eini¬ gen Wochen hingesetzt war, da man die Cisalpiner in diese Nomenklatur metamorphosiert hatte.
Vor dem Nationaltheater wurde ich gewarnt, weil man daselbst durchaus immer die niedrigsten Hans¬ wurstiaden gebe und zum Intermezzo Hunde nach Ka¬ tzenmusik tanzen lasse. Hätte ich mehr Zeit gehabt so hätte ich doch wohl die Schnurrpfeifereyen mit an¬ gesehen. Ich ging aber auf das kleine Theater Da Ruffi, und fand es für eine so kleine Unternehmung allerliebst. Ich kann nicht begreifen, wie die Leute bey einem so geringen Eintrittsgelde und den kleinen Raum des Schauspielhauses den Aufwand bestreiten können. Man gab ein Stück aus der alten französi¬ schen Geschichte, den Sklaven aus Syrien, wo natür¬ lich viel über Freyheit und Patriotismus deklamiert wurde, aber schon wieder mit vieler Beziehung auf Fürstenwürde und Fürstenrechte, welches man viel¬ leicht voriges Jahr noch nicht hätte thun dürfen. Die Donna und der Held waren gut. Der Dialekt war für mich deutlich und angenehm; die meisten Schau¬ spieler waren, wie man mir sagte, Römer, und nur ein Einziger zischte venetianisch. Nach dem Stück
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0143"n="117"/>
Verdienste; nur Schade, daſs der arme Gott hier so<lb/>
wenig von seinem Elemente hat, daſs er wohl kaum<lb/>
den Nachbaren auf hundert Schritte in die Runde zu<lb/>
trinken geben kann. Der Eingang des Gemeinehauses<lb/>
ist von Franzosen besetzt, und die Bürgerwache steht<lb/>
sehr demüthig in einem sehr spieſsbürgerlichen Auf¬<lb/>
zug daneben. Ueber dem Portal hängt ein nicht un¬<lb/>
feines Bild der Freyheit mit der Umschrift in groſsen<lb/>
Buchstaben: <hirendition="#i">Republica Italiana</hi>; welches erst vor eini¬<lb/>
gen Wochen hingesetzt war, da man die <hirendition="#g">Cisalpiner</hi><lb/>
in diese Nomenklatur metamorphosiert hatte.</p><lb/><p>Vor dem Nationaltheater wurde ich gewarnt, weil<lb/>
man daselbst durchaus immer die niedrigsten <hirendition="#g">Hans</hi>¬<lb/>
wurstiaden gebe und zum Intermezzo Hunde nach Ka¬<lb/>
tzenmusik tanzen lasse. Hätte ich mehr Zeit gehabt<lb/>
so hätte ich doch wohl die Schnurrpfeifereyen mit an¬<lb/>
gesehen. Ich ging aber auf das kleine Theater <hirendition="#i">Da<lb/>
Ruffi</hi>, und fand es für eine so kleine Unternehmung<lb/>
allerliebst. Ich kann nicht begreifen, wie die Leute<lb/>
bey einem so geringen Eintrittsgelde und den kleinen<lb/>
Raum des Schauspielhauses den Aufwand bestreiten<lb/>
können. Man gab ein Stück aus der alten französi¬<lb/>
schen Geschichte, den Sklaven aus Syrien, wo natür¬<lb/>
lich viel über Freyheit und Patriotismus deklamiert<lb/>
wurde, aber schon wieder mit vieler Beziehung auf<lb/>
Fürstenwürde und Fürstenrechte, welches man viel¬<lb/>
leicht voriges Jahr noch nicht hätte thun dürfen. Die<lb/>
Donna und der Held waren gut. Der Dialekt war<lb/>
für mich deutlich und angenehm; die meisten Schau¬<lb/>
spieler waren, wie man mir sagte, Römer, und nur<lb/>
ein Einziger zischte venetianisch. Nach dem Stück<lb/></p></div></body></text></TEI>
[117/0143]
Verdienste; nur Schade, daſs der arme Gott hier so
wenig von seinem Elemente hat, daſs er wohl kaum
den Nachbaren auf hundert Schritte in die Runde zu
trinken geben kann. Der Eingang des Gemeinehauses
ist von Franzosen besetzt, und die Bürgerwache steht
sehr demüthig in einem sehr spieſsbürgerlichen Auf¬
zug daneben. Ueber dem Portal hängt ein nicht un¬
feines Bild der Freyheit mit der Umschrift in groſsen
Buchstaben: Republica Italiana; welches erst vor eini¬
gen Wochen hingesetzt war, da man die Cisalpiner
in diese Nomenklatur metamorphosiert hatte.
Vor dem Nationaltheater wurde ich gewarnt, weil
man daselbst durchaus immer die niedrigsten Hans¬
wurstiaden gebe und zum Intermezzo Hunde nach Ka¬
tzenmusik tanzen lasse. Hätte ich mehr Zeit gehabt
so hätte ich doch wohl die Schnurrpfeifereyen mit an¬
gesehen. Ich ging aber auf das kleine Theater Da
Ruffi, und fand es für eine so kleine Unternehmung
allerliebst. Ich kann nicht begreifen, wie die Leute
bey einem so geringen Eintrittsgelde und den kleinen
Raum des Schauspielhauses den Aufwand bestreiten
können. Man gab ein Stück aus der alten französi¬
schen Geschichte, den Sklaven aus Syrien, wo natür¬
lich viel über Freyheit und Patriotismus deklamiert
wurde, aber schon wieder mit vieler Beziehung auf
Fürstenwürde und Fürstenrechte, welches man viel¬
leicht voriges Jahr noch nicht hätte thun dürfen. Die
Donna und der Held waren gut. Der Dialekt war
für mich deutlich und angenehm; die meisten Schau¬
spieler waren, wie man mir sagte, Römer, und nur
ein Einziger zischte venetianisch. Nach dem Stück
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/143>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.