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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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gar jämmerlichen Fischen wieder fasten, und vväre
übel gefahren, wenn mich ein kleines niedliches
Mädchen vom Hause nicht noch mitleidig mit Kasta¬
nien gefüttert hätte. Hier sind in der Markuskirche
einige hübsche Votivgemählde, mit denen man sich
wohl eine halbe Stunde angenehm beschäftigen kann.
Von Udine bis Pordenone ist viel dürres Land; doch
findet man mit unter auch sehr schöne Weinpflanzun¬
gen. Die Deutschen stehen, wie Du aus der Ge¬
schichte von Udine gesehen hast, eben nicht in dem
besten Kredit hier in der Gegend, und es ist kein Un¬
glück für mich, dass man mich meistens für einen
Franzosen hält, weil in meine Sprache sich oft ein
französischer Ausdruck einschleicht. Wenn ich gleich
sage und wiederhohle, ich sey ein Deutscher; so will
man es doch nicht glauben. In der Vermuthung, ich
müsse ein französischer Offizier seyn, der das Land
umher durchzieht, werde ich oft recht gut bewirthet.
Dergleichen Promenaden der Franzosen müssen also
doch so ungewöhnlich nicht seyn. Signore e Francese,
ma non volete dirlo; Fate bene, fate bene
: sagte man
mir mit sehr freundlichem Gesichte. Alles kommt
freylich auf den Partheygeist an, der hier eben so
mächtig ist, als irgendwo. Viele klagen über die
Franzosen; aber die Meisten scheinen es doch nicht
gern zu sehen, dass sie nicht mehr hier sind.

In Conegliano fand ich einige junge Kaufleute,
die von Venedig kamen und den Weg nach Triest zu
Fusse machen wollten, den ich eben gekommen war.
Das Herz ward ihnen sehr leicht, als ich sagte, es
gehe recht gut und es sey mir keine Gefahr aufgesto¬

gar jämmerlichen Fischen wieder fasten, und vväre
übel gefahren, wenn mich ein kleines niedliches
Mädchen vom Hause nicht noch mitleidig mit Kasta¬
nien gefüttert hätte. Hier sind in der Markuskirche
einige hübsche Votivgemählde, mit denen man sich
wohl eine halbe Stunde angenehm beschäftigen kann.
Von Udine bis Pordenone ist viel dürres Land; doch
findet man mit unter auch sehr schöne Weinpflanzun¬
gen. Die Deutschen stehen, wie Du aus der Ge¬
schichte von Udine gesehen hast, eben nicht in dem
besten Kredit hier in der Gegend, und es ist kein Un¬
glück für mich, daſs man mich meistens für einen
Franzosen hält, weil in meine Sprache sich oft ein
französischer Ausdruck einschleicht. Wenn ich gleich
sage und wiederhohle, ich sey ein Deutscher; so will
man es doch nicht glauben. In der Vermuthung, ich
müsse ein französischer Offizier seyn, der das Land
umher durchzieht, werde ich oft recht gut bewirthet.
Dergleichen Promenaden der Franzosen müssen also
doch so ungewöhnlich nicht seyn. Signore è Francese,
ma non volete dirlo; Fate bene, fate bene
: sagte man
mir mit sehr freundlichem Gesichte. Alles kommt
freylich auf den Partheygeist an, der hier eben so
mächtig ist, als irgendwo. Viele klagen über die
Franzosen; aber die Meisten scheinen es doch nicht
gern zu sehen, daſs sie nicht mehr hier sind.

In Conegliano fand ich einige junge Kaufleute,
die von Venedig kamen und den Weg nach Triest zu
Fuſse machen wollten, den ich eben gekommen war.
Das Herz ward ihnen sehr leicht, als ich sagte, es
gehe recht gut und es sey mir keine Gefahr aufgesto¬

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[91/0117] gar jämmerlichen Fischen wieder fasten, und vväre übel gefahren, wenn mich ein kleines niedliches Mädchen vom Hause nicht noch mitleidig mit Kasta¬ nien gefüttert hätte. Hier sind in der Markuskirche einige hübsche Votivgemählde, mit denen man sich wohl eine halbe Stunde angenehm beschäftigen kann. Von Udine bis Pordenone ist viel dürres Land; doch findet man mit unter auch sehr schöne Weinpflanzun¬ gen. Die Deutschen stehen, wie Du aus der Ge¬ schichte von Udine gesehen hast, eben nicht in dem besten Kredit hier in der Gegend, und es ist kein Un¬ glück für mich, daſs man mich meistens für einen Franzosen hält, weil in meine Sprache sich oft ein französischer Ausdruck einschleicht. Wenn ich gleich sage und wiederhohle, ich sey ein Deutscher; so will man es doch nicht glauben. In der Vermuthung, ich müsse ein französischer Offizier seyn, der das Land umher durchzieht, werde ich oft recht gut bewirthet. Dergleichen Promenaden der Franzosen müssen also doch so ungewöhnlich nicht seyn. Signore è Francese, ma non volete dirlo; Fate bene, fate bene: sagte man mir mit sehr freundlichem Gesichte. Alles kommt freylich auf den Partheygeist an, der hier eben so mächtig ist, als irgendwo. Viele klagen über die Franzosen; aber die Meisten scheinen es doch nicht gern zu sehen, daſs sie nicht mehr hier sind. In Conegliano fand ich einige junge Kaufleute, die von Venedig kamen und den Weg nach Triest zu Fuſse machen wollten, den ich eben gekommen war. Das Herz ward ihnen sehr leicht, als ich sagte, es gehe recht gut und es sey mir keine Gefahr aufgesto¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/117>, abgerufen am 25.11.2024.