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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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im Land der Iraya's4 an der Westseite der Cordillere von Palanan einen freundlichen Beweis. In der einen Hälfte dieses Stammes fand ich eine sehr ungastliche Aufnahme, und hier schienen sich die Bewohner fast gänzlich allen intimen Umganges mit den Negern zu enthalten; in der andern aber hatte die unverkennbare grosse Vermischung mit den Negern allen Leuten ein so freundliches Wesen eingeprägt, dass mir der Gedanke an die Wochen, die ich unter ihnen zubrachte, mit zu meinen liebsten Reiseerinnerungen gehört. Grosse unbesiegbare Liebe zu ihrer Heimath und zu ihrem Wanderleben spricht sich häufig in den Erzählungen der Spanier über eingefangene und in Manila erzogene Neger aus. Doch irrt man sich wohl, wenn man diesen nicht zu bändigenden Trieb nach dem Herumschweifen in den Bergen und am Meeresufer für das wesentlichste Attribut dieser bedürfnisslosen Naturkinder ansieht. Es scheint vielmehr die allerdings wohl vorhandene Anlage dazu durch die Jahrhunderte alte Verfolgung von Seiten der Malaien und nachher der Christen, und vor Allem durch die immer mehr zunehmende Trennung eines politischen Zusammenhanges unter den einzelnen Clan's dieser Negerstämme in ihr jetziges Extrem ausgebildet worden zu sein. Eine gewisse Tendenz zur Isolirung haben alle sogenannten wilden Völkerschaften; und wo sich gewaltsam der in primitiven Zuständen, und bei geringer Dichtigkeit der Bevölkerung überhaupt nie sehr innige und feste Zusammenhang der Clan's untereinander löst, und sich zwischen sie nun feindliche Stämme einschieben, welche jede Möglichkeit des Verkehrs abschneiden: da wird diese Unabhängigkeitsliebe des Einzelnen sich immer mehr steigern, das geringe Bedürfniss nach Einigung grösserer Massen in gleichen Gesellschaftsformen nothwendig absterben müssen. Und wie sich so in dem socialen Zustande der isolirt lebenden Familiengruppen, in dem allmäligen Verlust aller ihnen eigenthümlichen Eigenschaften, ja sogar ihrer Sprache5, dieser verderbliche Einfluss der Trennung des politischen Zusammenhanges naheverwandter Stämme ausspricht; so drückt sich andererseits in dem täglichen Leben, in ihrem Kampfe ums Dasein der für sie jetzt fast allmächtige Einfluss des Klima's aus.

Ohne bedeutenden Handel, ohne Ackerbau, bilden die Herzen der Palmensorten und die Wurzeln der vielen wild wachsenden

im Land der Iraya’s4 an der Westseite der Cordillere von Palanan einen freundlichen Beweis. In der einen Hälfte dieses Stammes fand ich eine sehr ungastliche Aufnahme, und hier schienen sich die Bewohner fast gänzlich allen intimen Umganges mit den Negern zu enthalten; in der andern aber hatte die unverkennbare grosse Vermischung mit den Negern allen Leuten ein so freundliches Wesen eingeprägt, dass mir der Gedanke an die Wochen, die ich unter ihnen zubrachte, mit zu meinen liebsten Reiseerinnerungen gehört. Grosse unbesiegbare Liebe zu ihrer Heimath und zu ihrem Wanderleben spricht sich häufig in den Erzählungen der Spanier über eingefangene und in Manila erzogene Neger aus. Doch irrt man sich wohl, wenn man diesen nicht zu bändigenden Trieb nach dem Herumschweifen in den Bergen und am Meeresufer für das wesentlichste Attribut dieser bedürfnisslosen Naturkinder ansieht. Es scheint vielmehr die allerdings wohl vorhandene Anlage dazu durch die Jahrhunderte alte Verfolgung von Seiten der Malaien und nachher der Christen, und vor Allem durch die immer mehr zunehmende Trennung eines politischen Zusammenhanges unter den einzelnen Clan’s dieser Negerstämme in ihr jetziges Extrem ausgebildet worden zu sein. Eine gewisse Tendenz zur Isolirung haben alle sogenannten wilden Völkerschaften; und wo sich gewaltsam der in primitiven Zuständen, und bei geringer Dichtigkeit der Bevölkerung überhaupt nie sehr innige und feste Zusammenhang der Clan’s untereinander löst, und sich zwischen sie nun feindliche Stämme einschieben, welche jede Möglichkeit des Verkehrs abschneiden: da wird diese Unabhängigkeitsliebe des Einzelnen sich immer mehr steigern, das geringe Bedürfniss nach Einigung grösserer Massen in gleichen Gesellschaftsformen nothwendig absterben müssen. Und wie sich so in dem socialen Zustande der isolirt lebenden Familiengruppen, in dem allmäligen Verlust aller ihnen eigenthümlichen Eigenschaften, ja sogar ihrer Sprache5, dieser verderbliche Einfluss der Trennung des politischen Zusammenhanges naheverwandter Stämme ausspricht; so drückt sich andererseits in dem täglichen Leben, in ihrem Kampfe ums Dasein der für sie jetzt fast allmächtige Einfluss des Klima’s aus.

Ohne bedeutenden Handel, ohne Ackerbau, bilden die Herzen der Palmensorten und die Wurzeln der vielen wild wachsenden

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[54/0054] im Land der Iraya’s ⁴ an der Westseite der Cordillere von Palanan einen freundlichen Beweis. In der einen Hälfte dieses Stammes fand ich eine sehr ungastliche Aufnahme, und hier schienen sich die Bewohner fast gänzlich allen intimen Umganges mit den Negern zu enthalten; in der andern aber hatte die unverkennbare grosse Vermischung mit den Negern allen Leuten ein so freundliches Wesen eingeprägt, dass mir der Gedanke an die Wochen, die ich unter ihnen zubrachte, mit zu meinen liebsten Reiseerinnerungen gehört. Grosse unbesiegbare Liebe zu ihrer Heimath und zu ihrem Wanderleben spricht sich häufig in den Erzählungen der Spanier über eingefangene und in Manila erzogene Neger aus. Doch irrt man sich wohl, wenn man diesen nicht zu bändigenden Trieb nach dem Herumschweifen in den Bergen und am Meeresufer für das wesentlichste Attribut dieser bedürfnisslosen Naturkinder ansieht. Es scheint vielmehr die allerdings wohl vorhandene Anlage dazu durch die Jahrhunderte alte Verfolgung von Seiten der Malaien und nachher der Christen, und vor Allem durch die immer mehr zunehmende Trennung eines politischen Zusammenhanges unter den einzelnen Clan’s dieser Negerstämme in ihr jetziges Extrem ausgebildet worden zu sein. Eine gewisse Tendenz zur Isolirung haben alle sogenannten wilden Völkerschaften; und wo sich gewaltsam der in primitiven Zuständen, und bei geringer Dichtigkeit der Bevölkerung überhaupt nie sehr innige und feste Zusammenhang der Clan’s untereinander löst, und sich zwischen sie nun feindliche Stämme einschieben, welche jede Möglichkeit des Verkehrs abschneiden: da wird diese Unabhängigkeitsliebe des Einzelnen sich immer mehr steigern, das geringe Bedürfniss nach Einigung grösserer Massen in gleichen Gesellschaftsformen nothwendig absterben müssen. Und wie sich so in dem socialen Zustande der isolirt lebenden Familiengruppen, in dem allmäligen Verlust aller ihnen eigenthümlichen Eigenschaften, ja sogar ihrer Sprache ⁵ , dieser verderbliche Einfluss der Trennung des politischen Zusammenhanges naheverwandter Stämme ausspricht; so drückt sich andererseits in dem täglichen Leben, in ihrem Kampfe ums Dasein der für sie jetzt fast allmächtige Einfluss des Klima’s aus. Ohne bedeutenden Handel, ohne Ackerbau, bilden die Herzen der Palmensorten und die Wurzeln der vielen wild wachsenden

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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/54>, abgerufen am 24.11.2024.