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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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Stelle liegen blieben; der mächtige Strom setzt den übrigbleibenden lebenden Korallen unüberwindliche Schranken. Die mechanische Gewalt desselben und die Intensität des Wachsthumes der einzelnen Knollen setzen sich in Gleichgewicht. Ein treffliches Beispiel hierzu liefert ein kleiner Krebs2, ein Schmarotzer, der sich zwischen den Aesten verschiedener Korallen ansiedelt. Seine Krallen reizen die Polypen zu unregelmässigem Wachsthum; es bilden sich Auswüchse von zwei Seiten her, die allmälig zu Gallen umgeformt jenen Eindringling umwachsen und ihn gänzlich einschliessen. Fort und fort wachsen die Polypen, bis endlich der Strom, welchen der unfreiwillige Einsiedler mit seinen strudelnden Füssen nach bestimmter Richtung hin erregt, so stark wird, dass er dem Wachsthum der Koralle Halt gebietet. In solchen Gallen erkennt man immer zwei sich ziemlich genau gegenüberstehende feine Spalten. So verhindert der Strom im Meeresarme das seitliche Ausbreiten der Korallen, die nun alle ihre Triebkraft senkrecht nach oben wenden, und es entstehen bald mehr bald weniger schroffe Abstürze der Korallenwandung, je nachdem der seitlich vorbeifliessende Strom stärker oder schwächer war. Nur da, wo wie im Kanal von Basilan der Strom immer nach derselben Richtung mit grosser Stärke geht, wachsen die Korallen absolut senkrecht in die Höhe. Hier aber kommen ganz eigenthümliche Verhältnisse in's Spiel. Während in der nahe gelegenen Strasse von Zamboanga die Strömung wechselt mit den Monsunen und der Ebbe und Fluth, liegt der Kanal von Basilan so eigenthümlich, dass der östliche Strom wohl durchtreten kann, der westliche dagegen in einen östlichen verwandelt wird. Wo aber die Strömungen wechseln, wie in allen weiteren Kanälen, da hebt sich die hindernde Wirkung derselben theilweise auf und so entstehen hier senkrechte Wandungen der Korallenstöcke nur dann, wenn bei hinreichender Stärke die wechselnden Strömungen keinen Winkel miteinander machen. Ungehindert nach allen Seiten breiten sich die Korallenstöcke in jenen Dreiecken aus, welche durch das Aufeinandertreffen zweier Ströme oder durch die im Anprall gegen eine Insel bewirkte Theilung eines einfachen Stromes gebildet werden, und in denen mannigfach abgelenkte, in ihrer Richtung gänzlich unbestimmbare und schwache Strömungen entstehen. Aus dem Innern des Landes durch die Flüsse und

Stelle liegen blieben; der mächtige Strom setzt den übrigbleibenden lebenden Korallen unüberwindliche Schranken. Die mechanische Gewalt desselben und die Intensität des Wachsthumes der einzelnen Knollen setzen sich in Gleichgewicht. Ein treffliches Beispiel hierzu liefert ein kleiner Krebs2, ein Schmarotzer, der sich zwischen den Aesten verschiedener Korallen ansiedelt. Seine Krallen reizen die Polypen zu unregelmässigem Wachsthum; es bilden sich Auswüchse von zwei Seiten her, die allmälig zu Gallen umgeformt jenen Eindringling umwachsen und ihn gänzlich einschliessen. Fort und fort wachsen die Polypen, bis endlich der Strom, welchen der unfreiwillige Einsiedler mit seinen strudelnden Füssen nach bestimmter Richtung hin erregt, so stark wird, dass er dem Wachsthum der Koralle Halt gebietet. In solchen Gallen erkennt man immer zwei sich ziemlich genau gegenüberstehende feine Spalten. So verhindert der Strom im Meeresarme das seitliche Ausbreiten der Korallen, die nun alle ihre Triebkraft senkrecht nach oben wenden, und es entstehen bald mehr bald weniger schroffe Abstürze der Korallenwandung, je nachdem der seitlich vorbeifliessende Strom stärker oder schwächer war. Nur da, wo wie im Kanal von Basilan der Strom immer nach derselben Richtung mit grosser Stärke geht, wachsen die Korallen absolut senkrecht in die Höhe. Hier aber kommen ganz eigenthümliche Verhältnisse in’s Spiel. Während in der nahe gelegenen Strasse von Zamboanga die Strömung wechselt mit den Monsunen und der Ebbe und Fluth, liegt der Kanal von Basilan so eigenthümlich, dass der östliche Strom wohl durchtreten kann, der westliche dagegen in einen östlichen verwandelt wird. Wo aber die Strömungen wechseln, wie in allen weiteren Kanälen, da hebt sich die hindernde Wirkung derselben theilweise auf und so entstehen hier senkrechte Wandungen der Korallenstöcke nur dann, wenn bei hinreichender Stärke die wechselnden Strömungen keinen Winkel miteinander machen. Ungehindert nach allen Seiten breiten sich die Korallenstöcke in jenen Dreiecken aus, welche durch das Aufeinandertreffen zweier Ströme oder durch die im Anprall gegen eine Insel bewirkte Theilung eines einfachen Stromes gebildet werden, und in denen mannigfach abgelenkte, in ihrer Richtung gänzlich unbestimmbare und schwache Strömungen entstehen. Aus dem Innern des Landes durch die Flüsse und

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[24/0024] Stelle liegen blieben; der mächtige Strom setzt den übrigbleibenden lebenden Korallen unüberwindliche Schranken. Die mechanische Gewalt desselben und die Intensität des Wachsthumes der einzelnen Knollen setzen sich in Gleichgewicht. Ein treffliches Beispiel hierzu liefert ein kleiner Krebs ² , ein Schmarotzer, der sich zwischen den Aesten verschiedener Korallen ansiedelt. Seine Krallen reizen die Polypen zu unregelmässigem Wachsthum; es bilden sich Auswüchse von zwei Seiten her, die allmälig zu Gallen umgeformt jenen Eindringling umwachsen und ihn gänzlich einschliessen. Fort und fort wachsen die Polypen, bis endlich der Strom, welchen der unfreiwillige Einsiedler mit seinen strudelnden Füssen nach bestimmter Richtung hin erregt, so stark wird, dass er dem Wachsthum der Koralle Halt gebietet. In solchen Gallen erkennt man immer zwei sich ziemlich genau gegenüberstehende feine Spalten. So verhindert der Strom im Meeresarme das seitliche Ausbreiten der Korallen, die nun alle ihre Triebkraft senkrecht nach oben wenden, und es entstehen bald mehr bald weniger schroffe Abstürze der Korallenwandung, je nachdem der seitlich vorbeifliessende Strom stärker oder schwächer war. Nur da, wo wie im Kanal von Basilan der Strom immer nach derselben Richtung mit grosser Stärke geht, wachsen die Korallen absolut senkrecht in die Höhe. Hier aber kommen ganz eigenthümliche Verhältnisse in’s Spiel. Während in der nahe gelegenen Strasse von Zamboanga die Strömung wechselt mit den Monsunen und der Ebbe und Fluth, liegt der Kanal von Basilan so eigenthümlich, dass der östliche Strom wohl durchtreten kann, der westliche dagegen in einen östlichen verwandelt wird. Wo aber die Strömungen wechseln, wie in allen weiteren Kanälen, da hebt sich die hindernde Wirkung derselben theilweise auf und so entstehen hier senkrechte Wandungen der Korallenstöcke nur dann, wenn bei hinreichender Stärke die wechselnden Strömungen keinen Winkel miteinander machen. Ungehindert nach allen Seiten breiten sich die Korallenstöcke in jenen Dreiecken aus, welche durch das Aufeinandertreffen zweier Ströme oder durch die im Anprall gegen eine Insel bewirkte Theilung eines einfachen Stromes gebildet werden, und in denen mannigfach abgelenkte, in ihrer Richtung gänzlich unbestimmbare und schwache Strömungen entstehen. Aus dem Innern des Landes durch die Flüsse und

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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/24>, abgerufen am 29.03.2024.