Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.zu treiben versteht, um so mehr insinuirt er sich natürlich bei der Regierung, für welche der Verkauf des Tabacks fast die wichtigste Einnahmequelle ist. In allerneuester Zeit nun scheint, ich weiss nicht, ob in Folge einer solchen vom Alcalden geübten Beeinflussung, die Tabackserndte eine nie geahnte Höhe erreicht zu haben; denn es schrieb mir 1868 ein Freund aus Manila, dass "die diesjährige Erndte bei weitem die grösste aller Erndten überhaupt zu werden verspräche, so dass die Regierung im Stande sein würde, die Schuld für die Nichtbezahlung der Erndten von 1863 an--in Folge des Erdbebens--nun gänzlich abzutragen". Aus dem im Texte Gesagten wird ersichtlich sein, dass die Tabackspflanze sehr viel Sorgfalt und Pflege erfordert; und da sie dies gerade am Meisten in den ersten Monaten verlangt, wenn sie noch keine bedeutende Höhe erreicht hat, so ist klar, dass der Arbeiter dabei immer und ganze Tage lang in sehr tief gebeugter Stellung stehen muss. Der auch in den statistischen Zahlen sich aussprechende schlechte Gesundheitszustand wird in der Provinz allgemein auf diese gebückte Stellung bei der Arbeit, als auf die vornehmste Ursache, zurückgeführt, ganz besonders aber auch die zahlreichen Fehlgeburten oder Todtgeburten, wozu sonst die Bewohner der übrigen Provinzen gar keine Neigung zeigen. Selbst in ungesunden Provinzen ist die Zahl der Geburten doch eine ziemlich hohe, und es wird in diesen die rasche Vermehrung der Einwohnerzahl vielmehr durch leichtes Sterben der Kinder in den ersten Lebensjahren verhindert. Im Durchschnitt ist etwa die Bevölkerungszahl der tabackbauenden Dörfer 16,000 Familien (Tributos) mit 64,000 Einwohnern, so dass bei einer Durchschnittssumme von etwa 750,000 Gulden, welche den Bewohnern für den Taback von der Regierung in baarem Gelde ausbezahlt wurde (1854-59), etwa 111/2 Gulden auf den Kopf oder 46 Gulden auf die Familie kommen. Anmerkung 5. Es liegt hierin und in dem etwas weiter oben angewandten Worte der Periodicität der Lebenserscheinungen nur scheinbar ein Widerspruch. Wohl hält jedes Individuum bestimmte Perioden seiner Lebenserscheinungen inne; aber doch bindet sich die Gesammtsumme aller Individuen nicht durchaus an dieselben Jahreszeiten, wenn nicht in den scharfen Gegensätzen des Klima's oder in direkt bestimmenden Einflüssen der Menschen--oder andrer Thier- und Pflanzen-Arten--die Schranke auch hierfür gegeben ist. So würden Reis und Taback und andere Culturpflanzen in allen Monaten wachsen und reifen können; aber der Mensch zwingt beide in eine Periode hinein, welche ihm bei möglichst geringer Arbeit die möglichst grosse Erndte verspricht. Ebenso ist es bei den Insecten. Auch bei ihnen hat die Natur die Entwickelung an bestimmte Wärme- und Feuchtigkeits-Grade geknüpft, welche in den Tropen zu jeder Zeit gegeben zu sein scheinen; und daher sieht man denn auch auf den Philippinen die Mehrzahl derselben in allen Monaten so ziemlich in der gleichen Specieszahl, aber in verschiedener Individuenzahl auftreten. Der Eintritt der Regenmonate bringt hier eine auffallende Steigerung der Insectenmenge hervor. Es scheint dieses zu treiben versteht, um so mehr insinuirt er sich natürlich bei der Regierung, für welche der Verkauf des Tabacks fast die wichtigste Einnahmequelle ist. In allerneuester Zeit nun scheint, ich weiss nicht, ob in Folge einer solchen vom Alcalden geübten Beeinflussung, die Tabackserndte eine nie geahnte Höhe erreicht zu haben; denn es schrieb mir 1868 ein Freund aus Manila, dass “die diesjährige Erndte bei weitem die grösste aller Erndten überhaupt zu werden verspräche, so dass die Regierung im Stande sein würde, die Schuld für die Nichtbezahlung der Erndten von 1863 an—in Folge des Erdbebens—nun gänzlich abzutragen”. Aus dem im Texte Gesagten wird ersichtlich sein, dass die Tabackspflanze sehr viel Sorgfalt und Pflege erfordert; und da sie dies gerade am Meisten in den ersten Monaten verlangt, wenn sie noch keine bedeutende Höhe erreicht hat, so ist klar, dass der Arbeiter dabei immer und ganze Tage lang in sehr tief gebeugter Stellung stehen muss. Der auch in den statistischen Zahlen sich aussprechende schlechte Gesundheitszustand wird in der Provinz allgemein auf diese gebückte Stellung bei der Arbeit, als auf die vornehmste Ursache, zurückgeführt, ganz besonders aber auch die zahlreichen Fehlgeburten oder Todtgeburten, wozu sonst die Bewohner der übrigen Provinzen gar keine Neigung zeigen. Selbst in ungesunden Provinzen ist die Zahl der Geburten doch eine ziemlich hohe, und es wird in diesen die rasche Vermehrung der Einwohnerzahl vielmehr durch leichtes Sterben der Kinder in den ersten Lebensjahren verhindert. Im Durchschnitt ist etwa die Bevölkerungszahl der tabackbauenden Dörfer 16,000 Familien (Tributos) mit 64,000 Einwohnern, so dass bei einer Durchschnittssumme von etwa 750,000 Gulden, welche den Bewohnern für den Taback von der Regierung in baarem Gelde ausbezahlt wurde (1854–59), etwa 11½ Gulden auf den Kopf oder 46 Gulden auf die Familie kommen. Anmerkung 5. Es liegt hierin und in dem etwas weiter oben angewandten Worte der Periodicität der Lebenserscheinungen nur scheinbar ein Widerspruch. Wohl hält jedes Individuum bestimmte Perioden seiner Lebenserscheinungen inne; aber doch bindet sich die Gesammtsumme aller Individuen nicht durchaus an dieselben Jahreszeiten, wenn nicht in den scharfen Gegensätzen des Klima’s oder in direkt bestimmenden Einflüssen der Menschen—oder andrer Thier- und Pflanzen-Arten—die Schranke auch hierfür gegeben ist. So würden Reis und Taback und andere Culturpflanzen in allen Monaten wachsen und reifen können; aber der Mensch zwingt beide in eine Periode hinein, welche ihm bei möglichst geringer Arbeit die möglichst grosse Erndte verspricht. Ebenso ist es bei den Insecten. Auch bei ihnen hat die Natur die Entwickelung an bestimmte Wärme- und Feuchtigkeits-Grade geknüpft, welche in den Tropen zu jeder Zeit gegeben zu sein scheinen; und daher sieht man denn auch auf den Philippinen die Mehrzahl derselben in allen Monaten so ziemlich in der gleichen Specieszahl, aber in verschiedener Individuenzahl auftreten. Der Eintritt der Regenmonate bringt hier eine auffallende Steigerung der Insectenmenge hervor. Es scheint dieses <TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <p xml:id="n3.4"><pb facs="#f0135" n="135"/> zu treiben versteht, um so mehr insinuirt er sich natürlich bei der Regierung, für welche der Verkauf des Tabacks fast die wichtigste Einnahmequelle ist. In allerneuester Zeit nun scheint, ich weiss nicht, ob in Folge einer solchen vom Alcalden geübten Beeinflussung, die Tabackserndte eine nie geahnte Höhe erreicht zu haben; denn es schrieb mir 1868 ein Freund aus Manila, dass “die diesjährige Erndte bei weitem die grösste aller Erndten überhaupt zu werden verspräche, so dass die Regierung im Stande sein würde, die Schuld für die Nichtbezahlung der Erndten von 1863 an—in Folge des Erdbebens—nun gänzlich abzutragen”. Aus dem im Texte Gesagten wird ersichtlich sein, dass die Tabackspflanze sehr viel Sorgfalt und Pflege erfordert; und da sie dies gerade am Meisten in den ersten Monaten verlangt, wenn sie noch keine bedeutende Höhe erreicht hat, so ist klar, dass der Arbeiter dabei immer und ganze Tage lang in sehr tief gebeugter Stellung stehen muss. Der auch in den statistischen Zahlen sich aussprechende schlechte Gesundheitszustand wird in der Provinz allgemein auf diese gebückte Stellung bei der Arbeit, als auf die vornehmste Ursache, zurückgeführt, ganz besonders aber auch die zahlreichen Fehlgeburten oder Todtgeburten, wozu sonst die Bewohner der übrigen Provinzen gar keine Neigung zeigen. Selbst in ungesunden Provinzen ist die Zahl der Geburten doch eine ziemlich hohe, und es wird in diesen die rasche Vermehrung der Einwohnerzahl vielmehr durch leichtes Sterben der Kinder in den ersten Lebensjahren verhindert. Im Durchschnitt ist etwa die Bevölkerungszahl der tabackbauenden Dörfer 16,000 Familien (Tributos) mit 64,000 Einwohnern, so dass bei einer Durchschnittssumme von etwa 750,000 Gulden, welche den Bewohnern für den Taback von der Regierung in baarem Gelde ausbezahlt wurde (1854–59), etwa 11½ Gulden auf den Kopf oder 46 Gulden auf die Familie kommen. </p> <p xml:id="n3.5"><hi rendition="#g">Anmerkung 5.</hi> Es liegt hierin und in dem etwas weiter oben angewandten Worte der Periodicität der Lebenserscheinungen nur scheinbar ein Widerspruch. Wohl hält jedes <hi rendition="#g">Individuum</hi> bestimmte Perioden seiner Lebenserscheinungen inne; aber doch bindet sich die Gesammtsumme aller Individuen nicht durchaus an dieselben Jahreszeiten, wenn nicht in den scharfen Gegensätzen des Klima’s oder in direkt bestimmenden Einflüssen der Menschen—oder andrer Thier- und Pflanzen-Arten—die Schranke auch hierfür gegeben ist. So würden Reis und Taback und andere Culturpflanzen in allen Monaten wachsen und reifen können; aber der Mensch zwingt beide in eine Periode hinein, welche ihm bei möglichst geringer Arbeit die möglichst grosse Erndte verspricht. Ebenso ist es bei den Insecten. Auch bei ihnen hat die Natur die Entwickelung an bestimmte Wärme- und Feuchtigkeits-Grade geknüpft, welche in den Tropen zu jeder Zeit gegeben zu sein scheinen; und daher sieht man denn auch auf den Philippinen die Mehrzahl derselben in allen Monaten so ziemlich in der gleichen Specieszahl, aber in verschiedener Individuenzahl auftreten. Der Eintritt der Regenmonate bringt hier eine auffallende Steigerung der Insectenmenge hervor. Es scheint dieses </p> </div> </div> </back> </text> </TEI> [135/0135]
zu treiben versteht, um so mehr insinuirt er sich natürlich bei der Regierung, für welche der Verkauf des Tabacks fast die wichtigste Einnahmequelle ist. In allerneuester Zeit nun scheint, ich weiss nicht, ob in Folge einer solchen vom Alcalden geübten Beeinflussung, die Tabackserndte eine nie geahnte Höhe erreicht zu haben; denn es schrieb mir 1868 ein Freund aus Manila, dass “die diesjährige Erndte bei weitem die grösste aller Erndten überhaupt zu werden verspräche, so dass die Regierung im Stande sein würde, die Schuld für die Nichtbezahlung der Erndten von 1863 an—in Folge des Erdbebens—nun gänzlich abzutragen”. Aus dem im Texte Gesagten wird ersichtlich sein, dass die Tabackspflanze sehr viel Sorgfalt und Pflege erfordert; und da sie dies gerade am Meisten in den ersten Monaten verlangt, wenn sie noch keine bedeutende Höhe erreicht hat, so ist klar, dass der Arbeiter dabei immer und ganze Tage lang in sehr tief gebeugter Stellung stehen muss. Der auch in den statistischen Zahlen sich aussprechende schlechte Gesundheitszustand wird in der Provinz allgemein auf diese gebückte Stellung bei der Arbeit, als auf die vornehmste Ursache, zurückgeführt, ganz besonders aber auch die zahlreichen Fehlgeburten oder Todtgeburten, wozu sonst die Bewohner der übrigen Provinzen gar keine Neigung zeigen. Selbst in ungesunden Provinzen ist die Zahl der Geburten doch eine ziemlich hohe, und es wird in diesen die rasche Vermehrung der Einwohnerzahl vielmehr durch leichtes Sterben der Kinder in den ersten Lebensjahren verhindert. Im Durchschnitt ist etwa die Bevölkerungszahl der tabackbauenden Dörfer 16,000 Familien (Tributos) mit 64,000 Einwohnern, so dass bei einer Durchschnittssumme von etwa 750,000 Gulden, welche den Bewohnern für den Taback von der Regierung in baarem Gelde ausbezahlt wurde (1854–59), etwa 11½ Gulden auf den Kopf oder 46 Gulden auf die Familie kommen.
Anmerkung 5. Es liegt hierin und in dem etwas weiter oben angewandten Worte der Periodicität der Lebenserscheinungen nur scheinbar ein Widerspruch. Wohl hält jedes Individuum bestimmte Perioden seiner Lebenserscheinungen inne; aber doch bindet sich die Gesammtsumme aller Individuen nicht durchaus an dieselben Jahreszeiten, wenn nicht in den scharfen Gegensätzen des Klima’s oder in direkt bestimmenden Einflüssen der Menschen—oder andrer Thier- und Pflanzen-Arten—die Schranke auch hierfür gegeben ist. So würden Reis und Taback und andere Culturpflanzen in allen Monaten wachsen und reifen können; aber der Mensch zwingt beide in eine Periode hinein, welche ihm bei möglichst geringer Arbeit die möglichst grosse Erndte verspricht. Ebenso ist es bei den Insecten. Auch bei ihnen hat die Natur die Entwickelung an bestimmte Wärme- und Feuchtigkeits-Grade geknüpft, welche in den Tropen zu jeder Zeit gegeben zu sein scheinen; und daher sieht man denn auch auf den Philippinen die Mehrzahl derselben in allen Monaten so ziemlich in der gleichen Specieszahl, aber in verschiedener Individuenzahl auftreten. Der Eintritt der Regenmonate bringt hier eine auffallende Steigerung der Insectenmenge hervor. Es scheint dieses
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