Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach der Einführung der Chlorwaschungen kam ein rei-
henweises Erkranken der Wöchnerinnen nicht mehr vor.

Wir haben oben angeführt, dass gegen Ende des Jahres
1846 wegen Ueberhandnehmen des Kindbettfiebers an der er-
sten Gebärklinik eine, ich weiss nicht die wie vielte, commis-
sionelle Untersuchung eingeleitet wurde, um die Ursache die-
ser Sterblichkeit zu ermitteln. Wir haben berichtet, dass die
Commission die Ursache der Erkrankungen an der ersten Ge-
bärklinik in den Beleidigungen der Genitalien fand, den
dieselben ausgesetzt sind durch die Untersuchungen, welche
behufs des Unterrichts vorgenommen werden. Da aber derar-
tige Untersuchungen auch bei dem Unterrichte der Hebam-
men stattfinden, so hat die Commission keinen Anstand ge-
nommen zu erklären, dass die Schüler, vorzüglich die Aus-
länder, bei den Untersuchungen roher zu Werke gehen. Auf
diese Voraussetzung hin hat man die Zahl der Schüler von
42 auf 20 reducirt, die Ausländer fast ganz ausgeschlossen,
indem unter den Schülern nur zwei Ausländer sein durften,
und die Untersuchungen selbst auf das Minimum reducirt.

Die oben angeführte Tabelle Nr. XV. zeigt, wie gross
die Sterblichkeit vor dieser Massregel war, wie sie sich in
Folge dieser Massregel verminderte, wie aber die Sterblich-
keit trotz dieser Massregel im Monate April und Mai wieder
bedeutend zunahm.

Hier ist der Ort, für diese Erscheinungen eine Erklä-
rung zu geben; bevor wir aber zur Erklärung übergehen, ist
es nöthig, Einiges vorauszuschicken.

Vermöge meiner Verhältnisse als Aspirant für die Assi-
stentenstelle an der ersten Gebärklinik, später als provisori-
seher und endlich als wirklicher Assistent dieser Klinik war
es mir nicht möglich, die für einen Geburtshelfer so nöthige
Gynaecologie an der gynaecologischen Abtheilung des k. k.
allgemeinen Krankenhauses zu studiren. Als Ersatz dafür
pflegte ich vom Tage, als ich den Entschluss fasste, mein Le-
ben vorzüglich der Geburtshilfe zu widmen, also vom Jahre 1844

Nach der Einführung der Chlorwaschungen kam ein rei-
henweises Erkranken der Wöchnerinnen nicht mehr vor.

Wir haben oben angeführt, dass gegen Ende des Jahres
1846 wegen Ueberhandnehmen des Kindbettfiebers an der er-
sten Gebärklinik eine, ich weiss nicht die wie vielte, commis-
sionelle Untersuchung eingeleitet wurde, um die Ursache die-
ser Sterblichkeit zu ermitteln. Wir haben berichtet, dass die
Commission die Ursache der Erkrankungen an der ersten Ge-
bärklinik in den Beleidigungen der Genitalien fand, den
dieselben ausgesetzt sind durch die Untersuchungen, welche
behufs des Unterrichts vorgenommen werden. Da aber derar-
tige Untersuchungen auch bei dem Unterrichte der Hebam-
men stattfinden, so hat die Commission keinen Anstand ge-
nommen zu erklären, dass die Schüler, vorzüglich die Aus-
länder, bei den Untersuchungen roher zu Werke gehen. Auf
diese Voraussetzung hin hat man die Zahl der Schüler von
42 auf 20 reducirt, die Ausländer fast ganz ausgeschlossen,
indem unter den Schülern nur zwei Ausländer sein durften,
und die Untersuchungen selbst auf das Minimum reducirt.

Die oben angeführte Tabelle Nr. XV. zeigt, wie gross
die Sterblichkeit vor dieser Massregel war, wie sie sich in
Folge dieser Massregel verminderte, wie aber die Sterblich-
keit trotz dieser Massregel im Monate April und Mai wieder
bedeutend zunahm.

Hier ist der Ort, für diese Erscheinungen eine Erklä-
rung zu geben; bevor wir aber zur Erklärung übergehen, ist
es nöthig, Einiges vorauszuschicken.

Vermöge meiner Verhältnisse als Aspirant für die Assi-
stentenstelle an der ersten Gebärklinik, später als provisori-
seher und endlich als wirklicher Assistent dieser Klinik war
es mir nicht möglich, die für einen Geburtshelfer so nöthige
Gynaecologie an der gynaecologischen Abtheilung des k. k.
allgemeinen Krankenhauses zu studiren. Als Ersatz dafür
pflegte ich vom Tage, als ich den Entschluss fasste, mein Le-
ben vorzüglich der Geburtshilfe zu widmen, also vom Jahre 1844

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0083" n="71"/>
        <p>Nach der Einführung der Chlorwaschungen kam ein rei-<lb/>
henweises Erkranken der Wöchnerinnen nicht mehr vor.</p><lb/>
        <p>Wir haben oben angeführt, dass gegen Ende des Jahres<lb/>
1846 wegen Ueberhandnehmen des Kindbettfiebers an der er-<lb/>
sten Gebärklinik eine, ich weiss nicht die wie vielte, commis-<lb/>
sionelle Untersuchung eingeleitet wurde, um die Ursache die-<lb/>
ser Sterblichkeit zu ermitteln. Wir haben berichtet, dass die<lb/>
Commission die Ursache der Erkrankungen an der ersten Ge-<lb/>
bärklinik in den Beleidigungen der Genitalien fand, den<lb/>
dieselben ausgesetzt sind durch die Untersuchungen, welche<lb/>
behufs des Unterrichts vorgenommen werden. Da aber derar-<lb/>
tige Untersuchungen auch bei dem Unterrichte der Hebam-<lb/>
men stattfinden, so hat die Commission keinen Anstand ge-<lb/>
nommen zu erklären, dass die Schüler, vorzüglich die Aus-<lb/>
länder, bei den Untersuchungen roher zu Werke gehen. Auf<lb/>
diese Voraussetzung hin hat man die Zahl der Schüler von<lb/>
42 auf 20 reducirt, die Ausländer fast ganz ausgeschlossen,<lb/>
indem unter den Schülern nur zwei Ausländer sein durften,<lb/>
und die Untersuchungen selbst auf das Minimum reducirt.</p><lb/>
        <p>Die oben angeführte Tabelle Nr. XV. zeigt, wie gross<lb/>
die Sterblichkeit vor dieser Massregel war, wie sie sich in<lb/>
Folge dieser Massregel verminderte, wie aber die Sterblich-<lb/>
keit trotz dieser Massregel im Monate April und Mai wieder<lb/>
bedeutend zunahm.</p><lb/>
        <p>Hier ist der Ort, für diese Erscheinungen eine Erklä-<lb/>
rung zu geben; bevor wir aber zur Erklärung übergehen, ist<lb/>
es nöthig, Einiges vorauszuschicken.</p><lb/>
        <p>Vermöge meiner Verhältnisse als Aspirant für die Assi-<lb/>
stentenstelle an der ersten Gebärklinik, später als provisori-<lb/>
seher und endlich als wirklicher Assistent dieser Klinik war<lb/>
es mir nicht möglich, die für einen Geburtshelfer so nöthige<lb/>
Gynaecologie an der gynaecologischen Abtheilung des k. k.<lb/>
allgemeinen Krankenhauses zu studiren. Als Ersatz dafür<lb/>
pflegte ich vom Tage, als ich den Entschluss fasste, mein Le-<lb/>
ben vorzüglich der Geburtshilfe zu widmen, also vom Jahre 1844<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0083] Nach der Einführung der Chlorwaschungen kam ein rei- henweises Erkranken der Wöchnerinnen nicht mehr vor. Wir haben oben angeführt, dass gegen Ende des Jahres 1846 wegen Ueberhandnehmen des Kindbettfiebers an der er- sten Gebärklinik eine, ich weiss nicht die wie vielte, commis- sionelle Untersuchung eingeleitet wurde, um die Ursache die- ser Sterblichkeit zu ermitteln. Wir haben berichtet, dass die Commission die Ursache der Erkrankungen an der ersten Ge- bärklinik in den Beleidigungen der Genitalien fand, den dieselben ausgesetzt sind durch die Untersuchungen, welche behufs des Unterrichts vorgenommen werden. Da aber derar- tige Untersuchungen auch bei dem Unterrichte der Hebam- men stattfinden, so hat die Commission keinen Anstand ge- nommen zu erklären, dass die Schüler, vorzüglich die Aus- länder, bei den Untersuchungen roher zu Werke gehen. Auf diese Voraussetzung hin hat man die Zahl der Schüler von 42 auf 20 reducirt, die Ausländer fast ganz ausgeschlossen, indem unter den Schülern nur zwei Ausländer sein durften, und die Untersuchungen selbst auf das Minimum reducirt. Die oben angeführte Tabelle Nr. XV. zeigt, wie gross die Sterblichkeit vor dieser Massregel war, wie sie sich in Folge dieser Massregel verminderte, wie aber die Sterblich- keit trotz dieser Massregel im Monate April und Mai wieder bedeutend zunahm. Hier ist der Ort, für diese Erscheinungen eine Erklä- rung zu geben; bevor wir aber zur Erklärung übergehen, ist es nöthig, Einiges vorauszuschicken. Vermöge meiner Verhältnisse als Aspirant für die Assi- stentenstelle an der ersten Gebärklinik, später als provisori- seher und endlich als wirklicher Assistent dieser Klinik war es mir nicht möglich, die für einen Geburtshelfer so nöthige Gynaecologie an der gynaecologischen Abtheilung des k. k. allgemeinen Krankenhauses zu studiren. Als Ersatz dafür pflegte ich vom Tage, als ich den Entschluss fasste, mein Le- ben vorzüglich der Geburtshilfe zu widmen, also vom Jahre 1844

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/83
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/83>, abgerufen am 23.11.2024.