vorzeitigen Geburten an der zweiten Gebärklinik war im Ein- klange mit dem besseren Gesundheitszustande der Wöchne- rinnen nach rechtzeitigen Geburten an dieser Klinik.
Es erkrankten zwar die Wöchnerinnen auch zerstreut, d. h. eine Wöchnerin erkrankte, und mehrere ihrer Nachba- rinnen nach links und rechts blieben gesund, aber es ereig- nete sich sehr oft, dass ganze Reihen wie sie eben nebenein- ander im Wochenbett lagen, erkrankten, ohne dass auch nur eine zwischen ihnen gesund geblieben wäre. Die Betten sind in den Wochenzimmern an der Längenwand mit den entspre- chenden Zwischenräumen an einandergereiht. Die Zimmer haben je nach ihrer Lage eine nördliche und südliche oder öst- liche und westliche Längenwand. Wenn die Wöchnerinnen, welche sich in den Betten an der nördlichen Längenwand des Zimmers befanden, erkrankten, waren wir schon geneigt, der Verkühlung eine grosse Rolle bei Erkrankung dieser Wöch- nerinnen zuzuschreiben, aber siehe da, beim nächsten Belegt- werden des Zimmers mit Wöchnerinnen erkrankte die nach Süden gelegene Hälfte der Wöchnerinnen, eben so erkrankten manchmal die, welche an der östlichen, und manchmal die, welche an der westlichen Längenwand lagen, oft breiteten sich die Erkrankungen von einer Seite auf die andere aus, so dass keine Himmelsgegend ein besonderes Lob oder einen beson- deren Tadel verdiente.
Wie war diese Erscheinung zu erklären, nachdem sie sich auf der zweiten geburtshilflichen Klinik nicht wieder- holte, indem sie dort nur zerstreut erkrankten?
Dass das Kindbettfieber keine contagiöse Krankheit sei, und dass die Erkrankung nicht durch Contagium von Bett zu Bett fortgepflanzt wurde, wollen wir hier als unsere Ueber- zeugung aussprechen, die Beweise dafür werden wir später beibringen. Vorläufig genügt die Bemerkung, dass die zer- streut vorgekommenen Erkrankungen der Wöchnerinnen an der zweiten Gebärklinik, falls das Kindbettfieber eine conta- giöse Krankheit gewesen wäre, hingereicht haben würden,
vorzeitigen Geburten an der zweiten Gebärklinik war im Ein- klange mit dem besseren Gesundheitszustande der Wöchne- rinnen nach rechtzeitigen Geburten an dieser Klinik.
Es erkrankten zwar die Wöchnerinnen auch zerstreut, d. h. eine Wöchnerin erkrankte, und mehrere ihrer Nachba- rinnen nach links und rechts blieben gesund, aber es ereig- nete sich sehr oft, dass ganze Reihen wie sie eben nebenein- ander im Wochenbett lagen, erkrankten, ohne dass auch nur eine zwischen ihnen gesund geblieben wäre. Die Betten sind in den Wochenzimmern an der Längenwand mit den entspre- chenden Zwischenräumen an einandergereiht. Die Zimmer haben je nach ihrer Lage eine nördliche und südliche oder öst- liche und westliche Längenwand. Wenn die Wöchnerinnen, welche sich in den Betten an der nördlichen Längenwand des Zimmers befanden, erkrankten, waren wir schon geneigt, der Verkühlung eine grosse Rolle bei Erkrankung dieser Wöch- nerinnen zuzuschreiben, aber siehe da, beim nächsten Belegt- werden des Zimmers mit Wöchnerinnen erkrankte die nach Süden gelegene Hälfte der Wöchnerinnen, eben so erkrankten manchmal die, welche an der östlichen, und manchmal die, welche an der westlichen Längenwand lagen, oft breiteten sich die Erkrankungen von einer Seite auf die andere aus, so dass keine Himmelsgegend ein besonderes Lob oder einen beson- deren Tadel verdiente.
Wie war diese Erscheinung zu erklären, nachdem sie sich auf der zweiten geburtshilflichen Klinik nicht wieder- holte, indem sie dort nur zerstreut erkrankten?
Dass das Kindbettfieber keine contagiöse Krankheit sei, und dass die Erkrankung nicht durch Contagium von Bett zu Bett fortgepflanzt wurde, wollen wir hier als unsere Ueber- zeugung aussprechen, die Beweise dafür werden wir später beibringen. Vorläufig genügt die Bemerkung, dass die zer- streut vorgekommenen Erkrankungen der Wöchnerinnen an der zweiten Gebärklinik, falls das Kindbettfieber eine conta- giöse Krankheit gewesen wäre, hingereicht haben würden,
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[47/0059]
vorzeitigen Geburten an der zweiten Gebärklinik war im Ein-
klange mit dem besseren Gesundheitszustande der Wöchne-
rinnen nach rechtzeitigen Geburten an dieser Klinik.
Es erkrankten zwar die Wöchnerinnen auch zerstreut,
d. h. eine Wöchnerin erkrankte, und mehrere ihrer Nachba-
rinnen nach links und rechts blieben gesund, aber es ereig-
nete sich sehr oft, dass ganze Reihen wie sie eben nebenein-
ander im Wochenbett lagen, erkrankten, ohne dass auch nur
eine zwischen ihnen gesund geblieben wäre. Die Betten sind
in den Wochenzimmern an der Längenwand mit den entspre-
chenden Zwischenräumen an einandergereiht. Die Zimmer
haben je nach ihrer Lage eine nördliche und südliche oder öst-
liche und westliche Längenwand. Wenn die Wöchnerinnen,
welche sich in den Betten an der nördlichen Längenwand des
Zimmers befanden, erkrankten, waren wir schon geneigt, der
Verkühlung eine grosse Rolle bei Erkrankung dieser Wöch-
nerinnen zuzuschreiben, aber siehe da, beim nächsten Belegt-
werden des Zimmers mit Wöchnerinnen erkrankte die nach
Süden gelegene Hälfte der Wöchnerinnen, eben so erkrankten
manchmal die, welche an der östlichen, und manchmal die,
welche an der westlichen Längenwand lagen, oft breiteten sich
die Erkrankungen von einer Seite auf die andere aus, so dass
keine Himmelsgegend ein besonderes Lob oder einen beson-
deren Tadel verdiente.
Wie war diese Erscheinung zu erklären, nachdem sie
sich auf der zweiten geburtshilflichen Klinik nicht wieder-
holte, indem sie dort nur zerstreut erkrankten?
Dass das Kindbettfieber keine contagiöse Krankheit sei,
und dass die Erkrankung nicht durch Contagium von Bett zu
Bett fortgepflanzt wurde, wollen wir hier als unsere Ueber-
zeugung aussprechen, die Beweise dafür werden wir später
beibringen. Vorläufig genügt die Bemerkung, dass die zer-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/59>, abgerufen am 22.11.2024.
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