Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte als an der I. Klinik, so ist mit mathematischer Ge-
wissheit bewiesen, dass diese ungünstigen Umstände die drei-
mal grössere Sterblichkeit der 6 Jahre, nämlich vom Jahre
1841 bis 1847, auch nicht hervorgebracht haben.

Wir könnten uns daher die Mühe ersparen, in eine Wi-
derlegung dieser ungünstigen Umstände einzugehen; aber wir
würden uns dadurch eine Gelegenheit entgehen lassen, dem
Leser zu zeigen, mit welch' ungeheuerem Leichtsinne Carl
Braun in der Opposition gegen meine Lehre vorgegangen.

Carl Braun sagt: Die Klinik für Aerzte weiset aus, lethale
Puerperalprocesse, Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apople-
xie etc., dieselben Krankheiten weiset auch die II. Klinik aus.

Dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem
Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren, auf der I. Kli-
nik aufgenommen werden müssen. Wenn die Aufnahme an der
II. Klinik stattfindet, werden auch auf der II. Klinik unbe-
dingt alle Ankömmlinge, und auch die aus dem Krankenhause
entlassenen siechen Schwangeren aufgenommen. Dass die Zahl
der Aufnahmstage um 52 bis 70 jährlich höher ist an der
I. Klinik als an der II. Klinik.

Die I. Klinik hat gesetzlich wöchentlich einen Aufnahms-
tag, folglich jährlich 52 Aufnahmstage mehr; ich frage: welche
Klinik war mehr überfüllt, die II. Klinik, welche, obwohl selbe
52 Aufnahmstage weniger hatte, dennoch 18mal die Aufnahme
nicht übernehmen konnte? oder die I. Klinik, welche trotz der
52 Aufnahmstage mehr, dennoch 18mal die Aufnahme behal-
ten konnte, weil die II. Klinik wegen Ueberfüllung die Auf-
nahme nicht übernehmen konnte.

Werden alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz
und Umgebung den Gratisabtheilungen zugeschoben. Das be-
dingt dann wenigstens keinen Unterschied in der Sterblich-
keit der beiden Gratisabtheilungen. Zur Ehrenrettung der
beiden Gratisabtheilungen als Unterrichtsanstalten, in dieser
Beziehung theile ich dem Leser mit, dass während meines
fünfjährigen Aufenthaltes an der I. Klinik dieser nur ein ver-

konnte als an der I. Klinik, so ist mit mathematischer Ge-
wissheit bewiesen, dass diese ungünstigen Umstände die drei-
mal grössere Sterblichkeit der 6 Jahre, nämlich vom Jahre
1841 bis 1847, auch nicht hervorgebracht haben.

Wir könnten uns daher die Mühe ersparen, in eine Wi-
derlegung dieser ungünstigen Umstände einzugehen; aber wir
würden uns dadurch eine Gelegenheit entgehen lassen, dem
Leser zu zeigen, mit welch’ ungeheuerem Leichtsinne Carl
Braun in der Opposition gegen meine Lehre vorgegangen.

Carl Braun sagt: Die Klinik für Aerzte weiset aus, lethale
Puerperalprocesse, Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apople-
xie etc., dieselben Krankheiten weiset auch die II. Klinik aus.

Dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem
Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren, auf der I. Kli-
nik aufgenommen werden müssen. Wenn die Aufnahme an der
II. Klinik stattfindet, werden auch auf der II. Klinik unbe-
dingt alle Ankömmlinge, und auch die aus dem Krankenhause
entlassenen siechen Schwangeren aufgenommen. Dass die Zahl
der Aufnahmstage um 52 bis 70 jährlich höher ist an der
I. Klinik als an der II. Klinik.

Die I. Klinik hat gesetzlich wöchentlich einen Aufnahms-
tag, folglich jährlich 52 Aufnahmstage mehr; ich frage: welche
Klinik war mehr überfüllt, die II. Klinik, welche, obwohl selbe
52 Aufnahmstage weniger hatte, dennoch 18mal die Aufnahme
nicht übernehmen konnte? oder die I. Klinik, welche trotz der
52 Aufnahmstage mehr, dennoch 18mal die Aufnahme behal-
ten konnte, weil die II. Klinik wegen Ueberfüllung die Auf-
nahme nicht übernehmen konnte.

Werden alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz
und Umgebung den Gratisabtheilungen zugeschoben. Das be-
dingt dann wenigstens keinen Unterschied in der Sterblich-
keit der beiden Gratisabtheilungen. Zur Ehrenrettung der
beiden Gratisabtheilungen als Unterrichtsanstalten, in dieser
Beziehung theile ich dem Leser mit, dass während meines
fünfjährigen Aufenthaltes an der I. Klinik dieser nur ein ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0520" n="508"/>
konnte als an der I. Klinik, so ist mit mathematischer Ge-<lb/>
wissheit bewiesen, dass diese ungünstigen Umstände die drei-<lb/>
mal grössere Sterblichkeit der 6 Jahre, nämlich vom Jahre<lb/>
1841 bis 1847, auch nicht hervorgebracht haben.</p><lb/>
          <p>Wir könnten uns daher die Mühe ersparen, in eine Wi-<lb/>
derlegung dieser ungünstigen Umstände einzugehen; aber wir<lb/>
würden uns dadurch eine Gelegenheit entgehen lassen, dem<lb/>
Leser zu zeigen, mit welch&#x2019; ungeheuerem Leichtsinne Carl<lb/>
Braun in der Opposition gegen meine Lehre vorgegangen.</p><lb/>
          <p>Carl Braun sagt: Die Klinik für Aerzte weiset aus, lethale<lb/>
Puerperalprocesse, Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apople-<lb/>
xie etc., dieselben Krankheiten weiset auch die II. Klinik aus.</p><lb/>
          <p>Dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem<lb/>
Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren, auf der I. Kli-<lb/>
nik aufgenommen werden müssen. Wenn die Aufnahme an der<lb/>
II. Klinik stattfindet, werden auch auf der II. Klinik unbe-<lb/>
dingt alle Ankömmlinge, und auch die aus dem Krankenhause<lb/>
entlassenen siechen Schwangeren aufgenommen. Dass die Zahl<lb/>
der Aufnahmstage um 52 bis 70 jährlich höher ist an der<lb/>
I. Klinik als an der II. Klinik.</p><lb/>
          <p>Die I. Klinik hat gesetzlich wöchentlich einen Aufnahms-<lb/>
tag, folglich jährlich 52 Aufnahmstage mehr; ich frage: welche<lb/>
Klinik war mehr überfüllt, die II. Klinik, welche, obwohl selbe<lb/>
52 Aufnahmstage weniger hatte, dennoch 18mal die Aufnahme<lb/>
nicht übernehmen konnte? oder die I. Klinik, welche trotz der<lb/>
52 Aufnahmstage mehr, dennoch 18mal die Aufnahme behal-<lb/>
ten konnte, weil die II. Klinik wegen Ueberfüllung die Auf-<lb/>
nahme nicht übernehmen konnte.</p><lb/>
          <p>Werden alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz<lb/>
und Umgebung den Gratisabtheilungen zugeschoben. Das be-<lb/>
dingt dann wenigstens keinen Unterschied in der Sterblich-<lb/>
keit der beiden Gratisabtheilungen. Zur Ehrenrettung der<lb/>
beiden Gratisabtheilungen als Unterrichtsanstalten, in dieser<lb/>
Beziehung theile ich dem Leser mit, dass während meines<lb/>
fünfjährigen Aufenthaltes an der I. Klinik dieser nur ein ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0520] konnte als an der I. Klinik, so ist mit mathematischer Ge- wissheit bewiesen, dass diese ungünstigen Umstände die drei- mal grössere Sterblichkeit der 6 Jahre, nämlich vom Jahre 1841 bis 1847, auch nicht hervorgebracht haben. Wir könnten uns daher die Mühe ersparen, in eine Wi- derlegung dieser ungünstigen Umstände einzugehen; aber wir würden uns dadurch eine Gelegenheit entgehen lassen, dem Leser zu zeigen, mit welch’ ungeheuerem Leichtsinne Carl Braun in der Opposition gegen meine Lehre vorgegangen. Carl Braun sagt: Die Klinik für Aerzte weiset aus, lethale Puerperalprocesse, Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apople- xie etc., dieselben Krankheiten weiset auch die II. Klinik aus. Dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren, auf der I. Kli- nik aufgenommen werden müssen. Wenn die Aufnahme an der II. Klinik stattfindet, werden auch auf der II. Klinik unbe- dingt alle Ankömmlinge, und auch die aus dem Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren aufgenommen. Dass die Zahl der Aufnahmstage um 52 bis 70 jährlich höher ist an der I. Klinik als an der II. Klinik. Die I. Klinik hat gesetzlich wöchentlich einen Aufnahms- tag, folglich jährlich 52 Aufnahmstage mehr; ich frage: welche Klinik war mehr überfüllt, die II. Klinik, welche, obwohl selbe 52 Aufnahmstage weniger hatte, dennoch 18mal die Aufnahme nicht übernehmen konnte? oder die I. Klinik, welche trotz der 52 Aufnahmstage mehr, dennoch 18mal die Aufnahme behal- ten konnte, weil die II. Klinik wegen Ueberfüllung die Auf- nahme nicht übernehmen konnte. Werden alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz und Umgebung den Gratisabtheilungen zugeschoben. Das be- dingt dann wenigstens keinen Unterschied in der Sterblich- keit der beiden Gratisabtheilungen. Zur Ehrenrettung der beiden Gratisabtheilungen als Unterrichtsanstalten, in dieser Beziehung theile ich dem Leser mit, dass während meines fünfjährigen Aufenthaltes an der I. Klinik dieser nur ein ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/520
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/520>, abgerufen am 23.11.2024.